erschien nennen menschenähnlichen
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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013 pe belgischer Bildhauer, die sich nicht nur von dem ideellen Element in der Kunst nicht fernhält, sondern, im Gegenteil, ihm große Bedeutung beimißt. Unlängst hat Victor Rousseau – ebenfalls ein Belgier – auf die Frage, was er über das Ideelle in der Kunst denke, geantwortet: „Ich bin fest überzeugt, daß die Bildhauerei, ohne etwas von ihrer Schönheit einzubüßen, ihre höchste Vollendung aus der Idee schöpfen, sich auf sie stützen kann. Man liebt hier die schönen Formen. Aber wenn sich durch die schönen Formen die lyrischen Empfindungen einer großen Seele offenbaren, so ist das ein unendlich großer Gewinn für die Ausdrucksfähigkeit eines Kunstwerkes. Worin besteht die Aufgabe der Bildhauerei? Darin, daß sie im Stofflichen seelische Regungen ausprägt, darin, daß sie in der Bronze oder im Marmor euer Lied erklingen läßt, [216] daß sie es den Menschen vermittelt.“ Das ist eine ausgezeichnete Antwort. 1 Ein wahrhaft schönes Kunstwerk bringt stets „die lyrischen Empfindungen einer großen Seele“ zum Ausdruck. Um in den Fußtapfen Michelangelos mit Erfolg zu wandeln, muß man so denken und empfinden können, wie der große Florentiner gedacht und empfunden hat; muß man verstehen, die Leiden seiner Umwelt mitzuempfinden, wie er sie mitempfunden hat, als er in seinem bekannten Vierzeiler seine berühmte Statue „Die Nacht“ also sprechen ließ 2* : Grato m’e ’l sonno, e più l’esser die sasso: Mentre che’l danno e la vergogna dura, Non veder, non sentir m’è gran ventura; Però non mi destar, deh! parla basso! 3 Es gereicht Meunier, Breek und Bisbroek zu großer Ehre, daß sie die Bedeutung des ideellen Elements in einer Zeit verstehen, in der die Mehrzahl der Künstler aller Länder so sehr dazu neigt, nach paradoxen äußeren Effekten zu haschen, und wo die Ideenlosigkeit in der Kunst, die manchmal fälschlich als Befreiung der Persönlichkeit bezeichnet wird, für so viele zum Ideal wird. Der Ideengehalt der Werke dieser Künstler erklärt sich daraus, daß eine sehr beträchtliche Schicht des belgischen Kleinbürgertums, unzufrieden mit der durch nichts gemilderten Herrschaft der großen Geldsäcke in Belgien, sehr stark zur Opposition, zur Verurteilung der dort vorhandenen gesellschaftlichen Ordnung neigt. In Belgien zeichnet sich die „Intelligenz“ durch einen weiteren Gesichtskreis aus als in Frankreich, Deutschland oder in 1 Diese Antwort ist in dem oben angeführten Buche von Pica, „L’arte mondiale“ etc., pp. 190/191, zitiert. 2 * Am Grabmal der Familie Medici in der Neuen Sakristei von San Lorenzo in Florenz, unter der Statue „Die Nacht“, fand man eines Tages ein anonymes Epigramm (es soll von Giovanni di Carlo Strozzi stammen): La Notte, que tu vedi in si dolci atti Dormir, fu da un Angelo scolpita In questo sasso, e perchè dorme ha vita: Destala, se nol credi, e parleratti. Die Nacht, die holdbewegt im Schlummer hier Du siehst, sie ward geformt von einem Engel Aus diesem Stein: sie lebt, der Schlaf verrät es! Glaubst du es nicht, erweck sie! sie wird reden. (Übersetzt von H. Thode.) Michelangelo antwortete auf dieses Epigramm im Jahre 1545, in tiefem Gram um den Untergang der Freiheit seines Vaterlandes, die er mitverteidigt hatte, mit den von Plechanow zitierten Versen. 3 [Hier bringt Plechanow die russische Fassung des Gedichts (von A. Efros). Wir führen eine deutsche Übertragung an: Der Schlaf ist gut, und gut, daß ich aus Stein: Solange Fluch und Schande noch bestehn, Heißt all mein Glück nichts hören und nichts sehn; Drum weck mich nicht! Still, leise mußt du sein!] 13
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013 der Schweiz. In den Reihen der belgischen Arbeiterpartei gibt es sehr viele „Intellektuelle“; aber es ist zu beachten, daß gerade diese „Intellektuellen“ der Partei das ihr von jeher eigentümliche Gepräge der Mäßigung und Inkonsequenz verleihen. In der belgischen „Intelligenz“ sind viele gute Bestrebungen vorhanden; aber diese guten Bestrebungen feien sie durchaus nicht gegen bürgerliche Einflüsse. Das läßt sich unter anderem auch an den Kunstwerken der Gruppe Meunier, Breek und Bisbroek leicht feststellen. Sehen Sie sich die kleinen Fabrikarbeitermädchen von Bisbroek an. Schlecht genährte, blutarme Organismen, ärmliche Kleidung; hagere [217] Gesichtchen mit dem Ausdruck der Frühreife und... demütig, unterwürfig zu Boden gesenkte junge Köpfchen. Es sind ohne jeden Zweifel sehr gute, geradezu vortreffliche Sachen. Wunderbar „erklingt“ aus der Bronze das Lied der Armut und der schon früh durchgemachten Entbehrungen. Aber in diesem Lied klingt nicht ein einziger Ton des Protestes. Dieses Lied ist wie das Gedicht von Nekrassow, das den Leser auffordert, dem eine gute Nacht zu wünschen, der im Namen Christi alles willig erduldet. Wes rauhe Hände stets sich regen Und ehrerbietig uns daran gewöhnen, Nur Kunst und Wissenschaft zu pflegen Und Träumen und Gelüsten nur zu frönen. Freilich kann man von halbwüchsigen Arbeiterinnen schwerlich einen Protest erwarten, wenigstens keinen bewußten Protest, aber die Sache ist die, daß in der Lyrik dieser Künstler nirgends ein Protest zu finden ist. Betrachten Sie die Gruppe aus Gips „Fischerfrauen“ von Breek; sie befindet sich ebenfalls in der Ausstellung. Dicht zusammengedrängt, blicken vier Frauen unverwandt in die Ferne. Ihre Gesichter sind sehr ausdrucksvoll, deutlich ist darin die Angst um ihre Männer zu erkennen, die auf dem Meere ein Sturm überrascht hat. Die Frau, die in der Gruppe ganz vorne steht, preßt ihre Hände mit dem Ausdruck des Schreckens und der flehentlichen Bitte aneinander. Das ist auch eine sehr schöne Arbeit, aber die demütige Bitte bildet gewissermaßen das Leitmotiv dieses Liedes, das aus diesem herrlichen Werk erklingt. Sie werden vielleicht wieder sagen, es habe keinen Sinn, gegen den Sturm zu protestieren. Ich will nicht streiten und möchte Sie bitten, mit mir vor das ebenfalls hier befindliche Bronzerelief „Heimkehr der Bergleute“ von Meunier hinzutreten. Eine Gruppe von acht Arbeitern geht mit dem schweren Gang von Menschen einher, die von übermenschlich schwerer Arbeit todmüde sind. Sie haben ebenfalls die Köpfe zu Boden gesenkt, und ihre niedrigen Stirnen verraten keine Spur von Gedanken. Diese erwachsenen Mikrocephalen – ebenso wie die halbwüchsigen Mädchen von Bisbroek – sind die verkörperte Unterwürfigkeit. Dieses Relief erinnerte mich an Emile Voirs Radierung „Weißer Sklave“. Das ist ebenfalls ein Arbeiter, der, ich weiß nicht mehr, von der Arbeit kommt oder zur Arbeit geht, dessen ganze Gestalt jedoch von seiner Erniedrigung spricht. Und ebensolche weiße Sklaven sind auch die Bergleute von Meunier. Diese weißen Sklaven [218] erinnern auch an die „Arbeitspferde“, dargestellt in einer der vorzüglichen Radierungen von Dingemans im „holländischen Saal“. Nur sehen die „Arbeitspferde“ von Dingemans munterer und satter aus als die „weißen Sklaven“ von Voir und Meunier. In dieser Hinsicht gefällt mir besser das Relief von Meunier, das auf der internationalen Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 ausgestellt war und das Bergleute darstellt, die auf einer Tragbahre den Leichnam ihres bei der Arbeit umgekommenen Kameraden tragen; auf diesem Relief liegt im Gesicht eines der Träger ein Ausdruck, der wenig Ähnlichkeit hat mit sklavischer Unterwürfigkeit. Freilich sind die Bergleute dort unter außergewöhnlichen Umständen dargestellt. Aber die Freiheitsbewegung des modernen Proletariats stellt doch nichts Außergewöhnliches dar. Der Grundgedanke dieser Bewegung ist die entschiedene und unwiderrufliche Ablehnung der Unterwürfigkeit. Warum ist 14
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der Schweiz. In den Reihen der belgischen Arbeiterpartei gibt es sehr viele „Intellektuelle“;<br />
aber es ist zu beachten, daß gerade diese „Intellektuellen“ der Partei das ihr von jeher eigentümliche<br />
Gepräge der Mäßigung und Inkonsequenz verleihen. In der belgischen „Intelligenz“<br />
sind viele gute Bestrebungen vorhanden; aber diese guten Bestrebungen feien sie durchaus<br />
nicht gegen bürgerliche Einflüsse. Das läßt sich unter anderem auch an den Kunstwerken der<br />
Gruppe Meunier, Breek und Bisbroek leicht feststellen.<br />
Sehen Sie sich die kleinen Fabrikarbeitermädchen von Bisbroek an. Schlecht genährte, blutarme<br />
Organismen, ärmliche Kleidung; hagere [217] Gesichtchen mit dem Ausdruck der Frühreife<br />
und... demütig, unterwürfig zu Boden gesenkte junge Köpfchen. Es sind ohne jeden<br />
Zweifel sehr gute, geradezu vortreffliche Sachen. Wunderbar „erklingt“ aus der Bronze das<br />
Lied der Armut und der schon früh durchgemachten Entbehrungen. Aber in diesem Lied<br />
klingt nicht ein einziger Ton des Protestes. Dieses Lied ist wie das Gedicht von Nekrassow,<br />
das den Leser auffordert, dem eine gute Nacht zu wünschen, der im Namen Christi alles willig<br />
erduldet.<br />
Wes rauhe Hände stets sich regen<br />
Und ehrerbietig uns daran gewöhnen,<br />
Nur Kunst und Wissenschaft zu pflegen<br />
Und Träumen und Gelüsten nur zu frönen.<br />
Freilich kann man von halbwüchsigen Arbeiterinnen schwerlich einen Protest erwarten, wenigstens<br />
keinen bewußten Protest, aber die Sache ist die, daß in der Lyrik dieser Künstler<br />
nirgends ein Protest zu finden ist. Betrachten Sie die Gruppe aus Gips „Fischerfrauen“ von<br />
Breek; sie befindet sich ebenfalls in der Ausstellung. Dicht zusammengedrängt, blicken vier<br />
Frauen unverwandt in die Ferne. Ihre Gesichter sind sehr ausdrucksvoll, deutlich ist darin die<br />
Angst um ihre Männer zu erkennen, die auf dem Meere ein Sturm überrascht hat. Die Frau,<br />
die in der Gruppe ganz vorne steht, preßt ihre Hände mit dem Ausdruck des Schreckens und<br />
der flehentlichen Bitte aneinander. Das ist auch eine sehr schöne Arbeit, aber die demütige<br />
Bitte bildet gewissermaßen das Leitmotiv dieses Liedes, das aus diesem herrlichen Werk erklingt.<br />
Sie werden vielleicht wieder sagen, es habe keinen Sinn, gegen den Sturm zu protestieren.<br />
Ich will nicht streiten und möchte Sie bitten, mit mir vor das ebenfalls hier befindliche<br />
Bronzerelief „Heimkehr der Bergleute“ von Meunier hinzutreten. Eine Gruppe von acht<br />
Arbeitern geht mit dem schweren Gang von Menschen einher, die von übermenschlich<br />
schwerer Arbeit todmüde sind. Sie haben ebenfalls die Köpfe zu Boden gesenkt, und ihre<br />
niedrigen Stirnen verraten keine Spur von Gedanken. Diese erwachsenen Mikrocephalen –<br />
ebenso wie die halbwüchsigen Mädchen von Bisbroek – sind die verkörperte Unterwürfigkeit.<br />
Dieses Relief erinnerte mich an Emile Voirs Radierung „Weißer Sklave“. Das ist ebenfalls<br />
ein Arbeiter, der, ich weiß nicht mehr, von der Arbeit kommt oder zur Arbeit geht, dessen<br />
ganze Gestalt jedoch von seiner Erniedrigung spricht. Und ebensolche weiße Sklaven<br />
sind auch die Bergleute von Meunier. Diese weißen Sklaven [218] erinnern auch an die „Arbeitspferde“,<br />
dargestellt in einer der vorzüglichen Radierungen von Dingemans im „holländischen<br />
Saal“. Nur sehen die „Arbeitspferde“ von Dingemans munterer und satter aus als die<br />
„weißen Sklaven“ von Voir und Meunier. In dieser Hinsicht gefällt mir besser das Relief von<br />
Meunier, das auf der internationalen Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 ausgestellt war<br />
und das Bergleute darstellt, die auf einer Tragbahre den Leichnam ihres bei der Arbeit umgekommenen<br />
Kameraden tragen; auf diesem Relief liegt im Gesicht eines der Träger ein Ausdruck,<br />
der wenig Ähnlichkeit hat mit sklavischer Unterwürfigkeit. Freilich sind die Bergleute<br />
dort unter außergewöhnlichen Umständen dargestellt. Aber die Freiheitsbewegung des modernen<br />
Proletariats stellt doch nichts Außergewöhnliches dar. Der Grundgedanke dieser Bewegung<br />
ist die entschiedene und unwiderrufliche Ablehnung der Unterwürfigkeit. Warum ist<br />
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