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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013<br />

zukommt und daß sie eigentlich nur noch recht wenige inspiriert. Larsson ist in seiner Art<br />

eine Ausnahmeerscheinung. Und es ist kein Zufall, daß er eine Erscheinung eines der skandinavischen<br />

Länder ist, in denen sich die Widersprüche der heutigen Gesellschaft noch recht<br />

wenig bemerkbar machen. Aber auch in diesen Ländern erscheint das Glück einer ruhigen<br />

und wohlhabenden Existenz nicht mehr allen als der Inbegriff des Glücks. Das beweist am<br />

besten das Beispiel Ibsens.<br />

Die Idylle Larssons sind sehr anziehend, aber der Kreis der damit verbundenen Ideen ist sehr<br />

eng, und deshalb ging ich, so sehr sie mir auch gefielen, gern von ihnen weg zu solchen inhaltlich<br />

unvergleichlich reicheren – wenn auch in technischer Hinsicht nicht so hervorragenden<br />

– Schöpfungen wie Munkácsys Bild „Nächtliche Ruhestörer“ im ungarischen Saal und<br />

des Spaniers Gonzalo Bilbaos Bild „Die Sklavin“ im sogenannten Zentralsalon.<br />

Soldaten mit Gewehr führen einige während einer nächtlichen Streife aufgegriffene Landstreicher<br />

ab. Einer der Festgenommenen, ein junger Bursche, mit gebundenen Händen, ist sehr niedergeschlagen;<br />

er hält den Kopf gesenkt und abgewandt: ein junges Weib hat ihn erblickt und<br />

erkannt, das, einen Korb in der Hand, offenbar seine morgendlichen Einkäufe machen wollte,<br />

beim Anblick des unerwarteten Schauspiels aber in schmerzlicher Überraschung stehengeblieben<br />

ist. Sie ist ganz die Verkörperung jener vorwurfsvollen Entrüstung, unter deren Einfluß der<br />

junge Arrestant seinen trotzigen Kopf gesenkt hat. Die anderen Landstreicher schreiten dahin –<br />

ganz unbekümmert: für sie gibt es kein Stehenbleiben. [206] Voran schreitet ein alter Mann,<br />

ebenfalls gefesselt, mit dem Ausdruck düsterer Entschlossenheit. Ein anderer, noch älterer Arrestant,<br />

mit einer roten Nase, fällt durch seinen eingeschüchterten Gesichtsausdruck auf. Ein<br />

dritter schaut neugierig, was seinen Gefährten so erregen konnte. In der engen Gasse, durch die<br />

die Festgenommenen geführt werden, sitzen Hökerinnen, die auf das junge Weib mit den Fingern<br />

zeigen. Eine von ihnen, eine dicke Alte, schaut zu, die Hände verächtlich in die Seiten<br />

gestemmt; sie ist voll selbstbewußter Würde wie Madame Bayard in „Crainquebille“ von Anatole<br />

France, die es sogar für unter ihrer Würde hält, dem Gemüsehändler, der der Polizei in die<br />

Hände gefallen war, ihre Schuld zu bezahlen. Hier sind auch, mit Büchern in der Hand, barfüßige<br />

Kinder, aus denen einmal Landstreicher werden oder auch wohl – sie sollen nicht umsonst<br />

lernen – Kämpfer um eine bessere Gesellschaftsordnung. Ein Knabe blickt, halb mit Schrecken,<br />

halb voll Verwunderung, auf die Arrestanten, und ein Mädchen schaut drein mit dem Blick<br />

eines naiven Kindes, das sich noch über nichts Gedanken macht und sich nur über den interessanten<br />

Vorfall freut; unter den Händlerinnen ist schön die Gestalt einer alten Gemüsehändlerin<br />

ganz im Vordergrunde des Bildes. Sie schaut – und es ist, als denke sie über irgend etwas nach.<br />

Worüber wohl? Über den Kummer des jungen Weibes, dessen Schicksal irgendwie mit dem<br />

Arrestanten verbunden ist? Wohl kaum! Mir scheint, sie geht ganz in dem Gedanken auf, wie<br />

sie heute die paar Groschen verdienen kann, mit denen sie ihre klägliche Existenz fristet. Sie<br />

hat keine Zeit und ist auch nicht gewohnt an andere zu denken!<br />

Das ist keine Idylle mehr; noch weiter von einer Idylle entfernt, wenn das möglich ist, ist die<br />

„Sklavin“ von Gonzalo Bilbao. Stellen Sie sich einige junge Weiber vor, die aus dem Verkauf<br />

ihres Körpers ein Geschäft machen; sie haben sich frisiert, geschminkt, herausgeputzt und<br />

sitzen fröhlich lachend da in Erwartung ihrer „Gäste“, der Käufer. Im Hintergrund sieht man<br />

ein beleibtes schon älteres Weib, anscheinend die ehrbare Wirtin dieses ehrbaren Instituts,<br />

mit einem Hündchen auf den Knien und dem Ausdruck der völligen Ruhe des Gewissens im<br />

Gesicht: auch sie muß ihr Brot verdienen, auch sie hat gerade genug Sorgen. Und ganz im<br />

Vordergrunde sehen Sie ein junges Weib, noch nicht wieder ganz angezogen, ebenfalls geschminkt,<br />

aber erstarrt in der Pose der hoffnungslosesten und bittersten Verzweiflung. Das ist<br />

eine „Ware“ ‚ die sich noch nicht an die Erfüllung ihrer fröhlichen Pflicht gewöhnt hat; aber<br />

es gibt keinen Ausweg und – Geduld bringt Huld. Und so macht sich die Wirtin gar keine<br />

Gedanken wegen ihres Kummers; sie hat schon ganz andere Dinge erlebt. Mit einem Wort,<br />

6

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