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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013<br />

Höhe erreicht wie das technische Interesse. Mauclair rechnet das zu den Mängeln des Impressionismus<br />

– ich finde, er drückt sich allzu milde aus. Die Ideenlosigkeit des Impressionismus<br />

ist jene seine Erbsünde, die ihn der Karikatur so naherückt und die ihn [204] gänzlich unfähig<br />

macht, in der Malerei eine tiefgreifende Umwälzung herbeizuführen.<br />

Noch eine für mich nicht weniger wichtige Einschränkung. Es gibt Impressionisten und –<br />

Impressionisten. Zu diesen zählt man zum Beispiel häufig den Schweden Karl Larsson, dem<br />

man Ideenlosigkeit nicht gut vorwerfen kann. Auf der sechsten Ausstellung in Venedig nahm<br />

Larsson einen sehr ehrenvollen Platz ein. Seine Aquarelle sind vorzüglich in der ideellen Bedeutung<br />

dieses Wortes. Besonders schöne Bilder von ihm sind: „Porträt meiner ältesten<br />

Tochter“, „Mädchen mit Erdbeeren“, „Lesendes Mädchen“, „Offene Tür“, „Das Abendbrot“,<br />

und im übrigen ist bei ihm alles besonders schön, und von jedem seiner Werke kann man sich<br />

nur schwer losreißen. Alles ist bei ihm so voller Licht und Luft und Leben, daß die Wand im<br />

schwedischen Saal, die seine Aquarelle einnehmen, einen wahrhaft erquickenden und erfrischenden<br />

Eindruck hervorruft. Wenn einer versteht, das zarte „Lächeln“ des Lichts wiederzugeben,<br />

so ist das Larsson, und wenn er den Impressionisten wirklich viel verdankt, dann<br />

können sie auf ihren wohltätigen Einfluß mit Recht stolz sein.<br />

Aber beachten Sie, bei Larsson ist auch nicht eine Spur jener paradoxen Effekte zu finden, zu<br />

welcher der uns bereits bekannte Anglada so stark hinneigt. Seine Charakteristika sind Einfachheit<br />

und Natürlichkeit. In dieser Beziehung ist er anscheinend selbst wie seine Werke.<br />

Auf der Ausstellung befindet sich sein Selbstbildnis (in Ölfarben). Wenn man dieses Bildnis<br />

betrachtet, erfüllt einen unwillkürlich Sympathie für den talentvollen schwedischen Maler.<br />

Nicht schön, aber kräftig und lebensfroh, zeigt er so gewaltig viel gesunde und ernste Einfachheit,<br />

daß er gegen alles Leere, Prahlerische, marktschreierisch Paradoxe als völlig gefeit<br />

erscheint. Obendrein interessieren ihn nicht die Lichteffekte allein; ihm ist das Licht ein Mittel<br />

– und nicht der Hauptfaktor seiner Kunstwerke. Aus seinen Aquarellen schaut einen das<br />

wirklich „lebendige“, unverfälschte Leben an, das für sich selbst da ist und keinesfalls dazu,<br />

dem Impressionisten die Möglichkeit zu bieten, diesen oder jenen Lichteffekt darzustellen.<br />

Deshalb fesseln sie einen mit der ganzen Kraft des lebendigen Lebens. Nehmen Sie nur sein<br />

Bild „Das Abendbrot“. Zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, sitzen an dem Tisch, auf<br />

dem sich eine kleine Vase mit Blumen, eine Schüssel, eine Kanne und zwei Bestecks befinden.<br />

Sie essen voll Ernst, im vollen Bewußtsein der Wichtigkeit der von ihnen verrichteten<br />

Obliegenheit; sie sind sages, wie die Franzosen sagen, und ihre sagesse [artig, Artigkeit] ist<br />

mit einem so zärtlichen, liebevollen, rührenden Humor dargestellt, der den Beschauer sofort<br />

für den Maler einnimmt.<br />

Schön, sehr schön ist auch sein Bild „Offene Tür“. Durch eine mit Gewächsen umrankte Tür<br />

sieht man ins Innere des Zimmers: eine Uhr in [205] hohem altertümlichem Gehäuse, ein<br />

Fenster mit Vorhang usw. All das ist – wie stets bei Larsson – äußerst einfach. Und auf dieser<br />

so äußerst einfachen Einrichtung liegt ein Hauch der Sauberkeit, der Frische und des Friedens.<br />

Es ist ein reines Idyll. Während ich mich an dem Gemälde „Offene Tür“ von Larsson<br />

weidete, dachte ich an die in ihrer Art unvergleichlichen Bilder von Pieter de Hooch. Pieter<br />

de Hooch hat das Glück des ruhigen und wohlhabenden Lebens, auf das sich damals die holländische<br />

Bourgeoisie durch so beharrliche Anstrengungen, durch einen so langwierigen heroischen<br />

Kampf soeben ein Anrecht erworben hatte, besser als irgendein anderer holländischer<br />

Maler dargestellt. In den Gemälden Pieter de Hoochs spiegelte sich eine durchaus nicht<br />

gering einzuschätzende Seite des damaligen holländischen Lebens wider, eine Seite, die die<br />

holländischen Bürger unbedingt schätzen und die holländischen Maler unbedingt poetisch<br />

verklären mußten. Die Aquarelle Larssons zeugen davon, daß diese Seite auch in dem jetzigen,<br />

viel komplizierteren europäischen gesellschaftlichen Leben vorhanden ist, aber sie erinnern<br />

uns auch daran, daß dieser Seite jetzt bei weitem nicht mehr die gleiche Wichtigkeit<br />

5

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