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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013<br />

kein Bild, sondern ein Rebus, und als ich vor die-[201]sem Rebus stand, mich vergeblich<br />

bemühend, es zu enträtseln, dachte ich: Es ist sehr wohl möglich, ja sogar wahrscheinlich,<br />

daß sich viele von den Kritikern, wenn sie derartige Werke preisen, auch gegen den Ideengehalt<br />

in der Kunst wenden. Was ist eigentlich der Symbolismus, dem wir diese Werke zu<br />

verdanken haben? Es ist ein unwillkürlicher Protest der Künstler gegen die Ideenlosigkeit.<br />

Aber es ist ein Protest, der auf dem Boden der Ideenlosigkeit entstanden ist, keinen bestimmten<br />

Inhalt hat und sich daher in nebelhafter Abstraktheit verliert – wie wir das in der Literatur<br />

in manchen Werken von Ibsen und Hauptmann sehen, und in dem Chaos verschwommener,<br />

chaotischer Bilder – wie wir das an manchen Bildern von Toorop und Hodler sehen können.<br />

Gebt diesem Protest einen gedanklichen Inhalt, und ihr kommt unvermeidlich zu derselben<br />

Ideenhaftigkeit zurück, gegen die ihr euch gewandt habt. Freilich, ein Wort ist bald gesprochen,<br />

aber die Sache ist nicht so bald getan. Es läßt sich leicht sagen: „Gebt diesem Protest<br />

einen gedanklichen Inhalt.“<br />

Damit der Protest unserer Zeit gegen die Ideenlosigkeit in der Kunst, die zu Abstraktheit und<br />

Chaos geführt hat, einen bestimmten Inhalt bekommen kann, ist das Vorhandensein solcher<br />

gesellschaftlicher Bedingungen notwendig, die gegenwärtig gänzlich fehlen und die sich<br />

nicht auf Kommando schaffen lassen. Es gab eine Zeit, wo die höheren Klassen, für die ja die<br />

Kunst in der „zivilisierten“ Gesellschaft hauptsächlich da ist, vorwärtsstrebten, und damals<br />

hatte die Ideenhaftigkeit für sie nichts Schreckliches, sondern, im Gegenteil, etwas Anziehendes.<br />

Jetzt aber bleiben diese Klassen bestenfalls auf einer Stelle stehen, und deshalb brauchen<br />

sie einen Ideengehalt überhaupt nicht mehr oder nur in winzigen Dosen, und darum<br />

führt ihr Protest gegen die Ideenlosigkeit, ein Protest, der unvermeidlich ist aus dem einfachen<br />

Grunde, weil die Kunst ohne die Idee nicht leben kann, zu nichts als zu abstraktem und<br />

chaotischem Symbolismus. Nicht das Sein wird bestimmt durch das Bewußtsein, sondern das<br />

Bewußtsein durch das Sein!<br />

Toorop ist Symbolist und Impressionist zugleich. Ermenegilde Anglada begnügt sich damit,<br />

seine Bilder zum Ruhme des Impressionismus zu verunstalten. Solche Bilder von ihm wie<br />

„Der weiße Pfau“ („Pavone bianco“ – eine Dame in Weiß, die auf der Chaiselongue liegt),<br />

„Die Champs Elysées in Paris“, „Nachtrestaurant“, „Üble Blüten“ („Fiori del male“), „Blüten<br />

der Nacht“ („Fiori della notte“), „Leuchtkäfer“ („Lucciole“) sind eine Darstellung der Effekte,<br />

die sich bei der künstlichen nächtlichen Beleuchtung der Großstädte ergeben. Als Ort der<br />

Handlung dient in diesen Bildern Paris, und die handelnden Personen sind die „üblen Blüten“,<br />

d. h. Halbweltdamen; sie tragen Modekleider, die ihrer Gestalt bei der nächtlichen Beleuchtung<br />

phantastische und mitunter wunder-[202]lich verzerrte Konturen verleihen. Selbstverständlich<br />

ist gegen die Auswahl solcher Heldinnen absolut nichts einzuwenden. Und was<br />

den Einfall betrifft, sie bei nächtlicher Beleuchtung darzustellen – es ist zuzugeben, daß man<br />

ihn nur billigen kann. In der Tat, in den modernen Großstädten wird die Nacht nicht selten<br />

zum Tage, und diese Umwandlung bewirken die neuen, von der modernen Technik gelieferten<br />

Lichtquellen; das gewöhnliche Leuchtgas, das Azetylen, das elektrische Licht – jede dieser<br />

neuen Beleuchtungsquellen erhellt die Gegenstände auf eigene Art, und die moderne Malerei<br />

mußte den dabei auftretenden Lichteffekten unbedingt Beachtung schenken. Leider hat<br />

Ermenegilde Anglada die künstlerische Aufgabe, die zu lösen er sich vorgenommen hatte,<br />

schlecht gelöst. Die weißlichen Flecken, die auf seinen Bildern unter verschiedenen Bezeichnungen<br />

dargestellt sind, geben durchaus nicht das wieder, was sie wiedergeben sollten. Seine<br />

Bilder sind ein mißlungener Versuch der Ausführung eines recht originellen Gedankens – das<br />

ist alles, was man von ihnen sagen kann.<br />

Ermenegilde Anglada hatte nicht nur mit den weißlichen Flecken kein Glück. Auf seinem<br />

Bild „Die alte Gitana mit den Granatäpfeln“ tritt neben dem hellen Kolorit auch eine dick<br />

aufgetragene rote (Granat?) Farbe auf, von der die alte Händlerin ganz dick überzogen ist, so<br />

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