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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013<br />

liener hoffen, die Ausstellung im Jahre 1907 – wie der Leser sieht, finden diese Ausstellungen<br />

alle zwei Jahre statt – werde noch mehr Aussteller anlocken. Ich glaube, diese Hoffnung ist<br />

nicht ganz unbegründet, aber „einstweilen“ muß man konstatieren, daß die sechste Ausstellung<br />

mit ihrem Reichtum auf niemand einen überwältigenden Eindruck machen konnte.<br />

Nun, in solchen Fällen ist die Frage der Qualität wichtiger als die Frage der Quantität. Manche<br />

italienischen Praktiker, zum Beispiel Vittorio Pica in seinem interessanten Buch „L’arte<br />

mondiale alla VI. Esposizione di Venezia“, überschütteten die Bilder des Spaniers Ermenegilde<br />

Anglada und des Holländers Jan Toorop, der eigentlich von der Insel Java stammt,<br />

mit Lobsprüchen. Ich trat an die Bilder dieser Künstler gänzlich ohne jede vorgefaßte Meinung<br />

heran, und ich stand lange davor, aber die Begeisterung derer, die davon entzückt sind,<br />

kann ich nicht teilen.<br />

Toorop ist ein großer Meister, das ist unbestreitbar, und wer das etwa bezweifeln möchte, den<br />

würde ich auf das von diesem Maler ausgestellte Gemälde „Die Themse“ (im Katalog:<br />

„Tamigi di Londra“) hinweisen. Über dieses Gemälde kann es nicht zweierlei Meinung geben:<br />

jeder wird sagen, daß es ausgezeichnet sei. Es wäre schwierig, die neblig-qualmige Atmosphäre<br />

Londons, das schmutzig-gelbe Wasser der Themse und das auf diesem Fluß herrschende<br />

rege Leben und Treiben besser darzustellen. Hätte Toorop nur sein Gemälde „Die<br />

Themse“ ausgestellt, so würde ich [200] die Lobsprüche, mit denen Vittorio Pica ihn überschüttet,<br />

für durchaus begründet erklären. Aber außer dem „Themse“ hat Toorop noch einige<br />

andere Bilder ausgestellt, die einen veranlassen, ihm mit großer Zurückhaltung gegenüberzutreten.<br />

Sein „Porträt des Doktors Timmerman“ wäre ganz gut, wenn nicht das seltsame grünliche<br />

Kolorit wäre, das den vom Bilde ausgehenden Eindruck stark beeinträchtigt. Und seine<br />

„Alten Männer am Meeresstrand“ (im Katalog ist dieses Gemälde bezeichnet als „Vecchi in<br />

riva al mare“, im Buche von Pica als „I veterani del mare“) stellen etwas gänzlich „Unaussprechliches“<br />

dar. Der Vordergrund des Gemäldes wird fast ausschließlich von zwei auf der<br />

Erde sitzenden kahlgeschorenen Greisen gefüllt, die in tiefes Nachdenken versunken sind.<br />

Diese Alten sind sehr gut gemalt – ich wiederhole, Toorop ist ein großer Meister –‚ aber ihre<br />

Gesichter und Gestalten sind durch graublau-lilafarbene und hellgelbe Streifen entstellt, die<br />

einen – ich will nicht sagen unangenehmen, seltsamen, nein, einen geradezu komischen Eindruck<br />

hervorrufen. Im Hintergrund, am Meeresstrand, reitet einer auf dem Pferd, tanzen<br />

Frauen anscheinend einen Reigen, und links von den Frauen trägt ein Fischer eine Stange auf<br />

der Schulter. Besteht zwischen all diesen Personen irgendein Zusammenhang? Ich weiß es<br />

nicht. Mir scheint, diese Frage läßt sich ebenso schwer beantworten wie die Frage, ob irgendein<br />

Zusammenhang besteht zwischen den unnatürlichen Gestalten alten Männer, die auf<br />

Hodlers bekanntem Gemälde „Les âmes en peine“ thronen. Die Perspektive fehlt, und die<br />

Gestalten des Vordergrunds treten, verglichen mit den Gestalten des Hintergrundes, unverhältnismäßig<br />

stark hervor. Was soll das sein? Weshalb ist das so? Und warum muß das sein?<br />

„C’est une merveille!“ [„Wie wundervoll!“] rief ein neben mir vor den graublau-lilafarbenen<br />

Bildern stehender Franzose begeistert aus. Ich blickte ihn mit unverhohlener Verwunderung<br />

an. Am nächsten Tage, als ich zu dem gleichen Bild hinging, traf ich davor eine Gruppe Italiener<br />

an, von denen einer, seinen Gefährten zugewandt, entrüstet sagte: „Schaut doch mal<br />

diese Karikatur an!“ („Questa caricatura!“) Ich lachte teilnahmsvoll. O weh! In den alten<br />

Männern des großen Meisters Toorop ebenso wie in „Les âmes en peine“ des großen Meisters<br />

Hodler war wirklich zuviel Karikaturistisches.<br />

Eine noch schlimmere Karikatur ist das Bild „Junge Generation“ („Giovane generazione“),<br />

ebenfalls von Toorop. Hier kann man schon gar nicht mehr von Phantasie reden – das ist<br />

nichts als lauter Hirngespinst. So etwas wie ein Wald, der aus so etwas wie Bäumen besteht.<br />

So etwas wie ein Frauenkopf, der aus etwas wie einem Spalt hervorschaut, und im Vordergrund,<br />

auf der linken Seite, eine Telegraphenstange. Das soll verstehen, wer mag. Das ist<br />

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