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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013<br />

[198]<br />

Die proletarische Bewegung und die bürgerliche Kunst *<br />

(Sechste internationale Kunstausstellung in Venedig)<br />

Als ich mich anschickte, nach Venedig zu reisen, las ich in einer italienischen Zeitschrift –<br />

ich glaube, es war in „Il Divenire Sociale“ –‚ die in dieser Stadt gegenwärtig stattfindende<br />

sechste internationale Kunstausstellung habe keinen einzigen „Clou“, kein einziges wirklich<br />

hervorragendes Kunstwerk aufzuweisen, aber nichtsdestoweniger sei dort viel Interessantes<br />

zu sehen. Bald nach meiner Ankunft in der früheren Beherrscherin der Adria überzeugte ich<br />

mich, daß es tatsächlich so war: Es gibt auf der Ausstellung in Venedig nichts besonders Bemerkenswertes;<br />

trotzdem freue ich mich aber sehr, daß es mir möglich war, sie zu besuchen.<br />

Sie verdient auf jeden Fall ernste Beachtung, und ich möchte dem Leser den Eindruck vermitteln,<br />

den ich dort bekommen habe.<br />

Ich will zunächst ein paar Worte über ihre räumliche Unterbringung sagen, die das größte<br />

Lob verdient. Das schöne Gebäude im ionischen Stil mit der Aufschrift „pro arte“ [für die<br />

Kunst; der Kunst (geweiht)] steht im Stadtpark, der bekanntlich auf einer Insel gelegen ist,<br />

die zum Stadtviertel San Pietro gehört. Dieses graziöse, anmutige Gebäude ist sehr geräumig<br />

und luftig; gleichmäßig erleuchtet das sanfte, von oben einfallende Licht die Gemälde an den<br />

Wänden; für die Besucher sind bequeme Sofas und Stühle aufgestellt; für die Presseleute ist<br />

ein besonderer Saal neben dem Post- und Telegraphenbüro reserviert. Und schließlich bietet<br />

sich von der Terrasse des Ausstellungsgebäudes ein wunderbarer Ausblick auf die Lagune.<br />

Mit einem Wort: Eleganz und Schönheit sind hier in äußerst glücklicher Weise mit allem<br />

Komfort vereinigt.<br />

In den Sälen dieses prächtigen Baus habe ich vor allem die Gemälde betrachtet.<br />

Es waren ihrer nicht sehr viele. Von der russischen Malerei will ich gar nicht reden; was es<br />

auf der Ausstellung in Venedig von ihr zu sehen gab, war nicht bloß nicht viel, sondern geradezu<br />

ärmlich: ein Bild von S. Jushanin, eins von dem nun toten Wereschtschagin und zwei<br />

von Nikolai Schattenstein. Die russischen Maler sind überhaupt schwerfällig. Die Sektion für<br />

russische Malerei war selbst auf der Weltausstellung in Paris im [199] Jahre 1900 recht armselig.<br />

Aber auch die viel beweglicheren Franzosen und Deutschen waren diesmal, in Venedig,<br />

nur spärlich vertreten. Auch andere Völker haben in ihren Sektionen nur wenig aufzuweisen.<br />

Nur die italienische Sektion war reichlich ausgestattet; aber die Italiener sind eben in<br />

Venedig zu Hause.<br />

Ich dachte schon, diesmal habe sich die Konkurrenz seitens der Weltausstellung in Lüttich ungünstig<br />

auf die internationale Ausstellung in Venedig ausgewirkt, aber dann erfuhr ich, daß die<br />

früheren internationalen Ausstellungen in Venedig noch bescheidener gewesen sind. Zur ersten<br />

Ausstellung, die im Jahre 1895 stattfand, kamen nur 151 Aussteller aus dem Ausland, italienische<br />

Aussteller aber waren 124 vertreten; auf der Ausstellung im Jahre 1897 belief sich die<br />

Zahl der ersteren auf 263, der letzteren auf 139; auf der Ausstellung 1899 zählte man 261 ausländische<br />

und 152 italienische Aussteller; im Jahre 1901 sinkt die Zahl der Ausländer auf 215,<br />

die Zahl der Italiener auf 150; zwei Jahre später, auf der Ausstellung im Jahre 1903, sinkt die<br />

Zahl der ausländischen Aussteller noch tiefer, auf 151, während die Italiener bereits mit 184<br />

Ausstellern vertreten sind. Angesichts dieser Ziffern kann man die Ausstellung dieses Jahres,<br />

die 316 ausländische Aussteller zählt, als verhältnismäßig reich beschickt betrachten. Die Ita-<br />

* Anmerkungen zu: Die proletarische Bewegung und die bürgerliche Kunst (197-218) am Ende des Kapitels.<br />

Der Aufsatz wurde erstmals gedruckt in der Zeitschrift „Prawda“ (November 1905, S. 107-124) mit der Unterschrift<br />

G. Plechanow<br />

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