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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

Dieses Resultat ist schon außerordentlich wichtig, und es ist wert, daß man es im Gedächtnis<br />

behält.<br />

Doch gehen wir weiter. Die Geschichte wird von großen Massen gemacht. Sehr schön. Aber<br />

warum machen sie sie? Mit anderen Worten: Wenn die Massen handeln, mit welchem Ziel<br />

handeln sie denn dann? Mit dem Ziel, ihre Interessen zu wahren, antwortet Augustin Thierry.<br />

„Wollen Sie“, sagt er, „ganz genau erfahren, wer eine gegebene Einrichtung geschaffen hat,<br />

wer ein gegebenes gesellschaftliches Unternehmen aus-[20]gedacht hat? Gut! Dann stellen<br />

Sie klar, wer diese Einrichtung und dieses Unternehmen wirklich brauchte – bei ihm mußte<br />

der erste Gedanke daran entstehen, von ihm mußte der Wille ausgehen, in dieser Richtung zu<br />

wirken; er mußte der Hauptbeteiligte zur Verwirklichung desselben sein. Is fecit, cui prodest<br />

1 , dieses Axiom ist in gleicher Weise sowohl in der Geschichte als auch in der Rechtsprechung<br />

anwendbar“ („Dix ans“, p. 348).<br />

Die Masse handelt also in ihrem Interesse; das Interesse ist die Quelle und das Motiv jeder<br />

sozialen Schöpfung. So ist es leicht verständlich, daß die Masse, wenn irgendwo eine Einrichtung<br />

ihren Interessen feindlich wird, diese Einrichtung zu bekämpfen beginnt. Und weil<br />

die Einrichtung, die der Volksmasse schädlich ist, oft der privilegierten Klasse nützt, wird der<br />

Kampf gegen diese Einrichtung zu einem Kampf gegen die privilegierte Klasse. Der Kampf<br />

der entgegengesetzten Klassen der Menschen und ihrer Interessen spielt in der Geschichtsphilosophie<br />

Augustin Thierrys eine große Rolle. Dieser Kampf füllte zum Beispiel die Geschichte<br />

Englands von der Zeit der Normanneneinfälle bis zur Revolution, die die Dynastie<br />

der Stuarts stürzte. In der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts kämpften zwei Klassen<br />

von Menschen gegeneinander: die Sieger – der Adel, und die Besiegten – die Volksmasse<br />

einschließlich der Bourgeoisie. „Jeder Grundbesitzer“, sagt unser Historiker, „dessen Vorfahren<br />

ehedem bei dem Einfall des Normannenheeres beteiligt waren, verließ seine Burg, um<br />

sich ins Lager des Königs zu begeben und dort eine Kommandostelle einzunehmen, die ihm<br />

auf Grund seines Titels zustand. Die Einwohner der Städte und Häfen strömten scharenweise<br />

ins gegnerische Lager. Man konnte sagen, daß die Sammellosungen für die zwei Heere auf<br />

der einen Seite: Müßiggang und Macht, auf der anderen Seite: Arbeit und Freiheit waren.<br />

Denn die müßigen Menschen, die Menschen, die im Leben nur eine Beschäftigung schätzten:<br />

genießen ohne zu arbeiten, sie alle, zu welcher Kaste sie auch gehörten, stießen zu den Heeren<br />

des Königs, um mit ihnen zusammen die gemeinsamen Interessen zu verteidigen; aber die<br />

Familien aus der Kaste der früheren Sieger, die Gewerbetreibenden, vereinigten sich mit den<br />

Heeren der Gemeinden.“ 2<br />

Dieser Kampf zweier Klassen bestimmte den Gang der Geschichte nicht nur auf sozialem und<br />

politischem Gebiet. Seinen Einfluß kann man auch im Reich der Ideen beobachten. Die religiösen<br />

Glaubensrichtungen der Engländer des 17. Jahrhunderts wurden, so meint Augustin<br />

Thierry, durch ihre gesellschaftliche Lage bestimmt. „Der Krieg wurde auf beiden Seiten im<br />

Namen dieser positiven Interessen geführt. Alles übrige war nur Schein, diente nur als Vorwand.<br />

Die in den Reihen der Untertanen marschierten, waren meistens Presbyterianer, d. h.,<br />

sie duldeten auf reli-[21]giösem Gebiet in bezug auf sich keine Unterdrückung. Die im entgegengesetzten<br />

Lager kämpften, waren Anhänger der Bischöfe und des Papstes, denn sogar<br />

in den Formen der Religion suchten sie vor allem die Macht, die sie nutzen, und Steuern, die<br />

sie aus den Menschen herauspressen könnten.“ 3<br />

Sie sehen, wir haben uns noch weiter von der Geschichtsphilosophie des 18. Jahrhunderts<br />

entfernt. Im 18. Jahrhundert behauptete man, die Ideen lenken die Welt. Nach Meinung Au-<br />

1 Täter ist, wem (die Tat) nützt.<br />

2 „Zehn Jahre...“‚ S. 91/92.<br />

3 Ebenda.<br />

14

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