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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

Ordnung zerschlug und ihre Über-[17]reste vernichtete. Sie hatte einen tiefen Einfluß auf das<br />

ökonomische, gesellschaftliche, politische und geistige Leben nicht nur Frankreichs, sondern<br />

ganz Europa. Sie konnte natürlich auch auf die Geschichtsphilosophie nicht ohne Einfluß<br />

bleiben.<br />

Welcher Einfluß war das?<br />

Das unmittelbarste Ergebnis der Revolution war das Gefühl einer ungeheuren Müdigkeit. Die<br />

großen Anstrengungen, die die Menschen jener Zeit an den Tag gelegt hatten, riefen ein gebieterisches<br />

Ruhebedürfnis hervor.<br />

Neben diesem Gefühl der Müdigkeit, das nach jeder großen Energieverausgabung unvermeidlich<br />

ist, beobachtete man gleichfalls einen gewissen Skeptizismus. Das 18. Jahrhundert<br />

glaubte fest an den Sieg des Verstandes. Der Verstand wird schließlich immer siegen, sagte<br />

Voltaire. Die revolutionären Ereignisse zerschlugen diesen Glauben. Es geschahen so viele<br />

unerwartete Ereignisse, es triumphierte so vieles, was völlig unmöglich und absolut irrational<br />

<strong>erschien</strong>, so viele weise Berechnungen und Voraussagen wurden durch die harte Logik umgestoßen,<br />

daß die Menschen schließlich anfingen, sich zu sagen, daß der Verstand wahrscheinlich<br />

nie triumphieren werde. Wir besitzen in diesem Zusammenhang die wertvolle<br />

Aussage einer klugen Frau, die zu beobachten verstand, was um sie herum vorging. „Die<br />

meisten Menschen“, sagt Frau von Staël-Holstein, „erschreckt durch die entsetzliche Unbeständigkeit,<br />

für die uns die politischen Ereignisse ein Beispiel gegeben haben, haben jetzt<br />

jegliches Interesse an ihrer Selbstvervollkommnung verloren und sind allzu erschüttert von<br />

der Macht des Zufalls, um an die Macht der intellektuellen Fähigkeiten zu glauben“ („De la<br />

littérature“, Paris, an VIII, préface, p. XVIII).<br />

Die Menschen waren also durch die Allmacht des Zufalls eingeschüchtert. Aber was ist Zufall?<br />

Und was für eine Bedeutung haben die Zufälligkeiten im Leben der Gesellschaft? Diese<br />

Fragen schließen den Stoff für eine philosophische Betrachtung in sich ein. Aber auch wenn<br />

wir darauf nicht eingehen, können wir doch sagen, daß die Menschen oft dem Zufall das zuschreiben,<br />

wovon ihnen die Ursachen unbekannt bleiben. Darum versuchen sie, wenn der<br />

Zufall sie zu stark und zu andauernd durch seine Macht niederdrückt, zu guter Letzt die Erscheinungen,<br />

die sie bis dahin für zufällig hielten, zu erklären, und decken dann auch die natürlichen<br />

Ursachen dieser Erscheinungen auf. Und gerade das beobachten wir am Anfang des<br />

19. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Geschichtswissenschaft.<br />

Saint-Simon, einer der am meisten enzyklopädischen und am wenigsten methodischen Geister<br />

der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, versuchte [18] die Grundlagen einer Gesellschaftswissenschaft<br />

zu schaffen. Die Gesellschaftswissenschaft, die Wissenschaft von der<br />

menschlichen Gesellschaft, die soziale Physik, wie er sie manchmal nennt, kann und muß,<br />

seiner Meinung nach, zu einer ebenso exakten Wissenschaft werden wie die Naturwissenschaft.<br />

Wir müssen die Tatsachen studieren, die sich auf das vergangene Leben der Menschheit<br />

beziehen, um die Gesetze seines Fortschritts aufzudecken. Nur dann können wir die Zukunft<br />

voraussehen, wenn wir die Vergangenheit verstehen.<br />

Und um die Vergangenheit zu verstehen, um sie zu erklären, studiert Saint-Simon in der<br />

Hauptsache die Geschichte Westeuropas von der Zeit des Verfalls des Römischen Reiches<br />

an.<br />

Er sieht in dieser Geschichte den Kampf von Industriellen (oder des dritten Standes, wie man<br />

im vorangegangenen Jahrhundert sagte) gegen die Aristokratie. Die Industriellen schlossen<br />

mit der Königsmacht ein Bündnis und gaben durch ihre Unterstützung den Königen die Möglichkeit,<br />

die politische Macht an sich zu reißen, die sich früher in den Händen der Feudalherren<br />

befunden hatte. Für diese Dienste wurden sie von der königlichen Macht unterstützt, wo-<br />

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