18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Frage kann man nur durch den Hinweis auf den Unterschied im Charakter der produktiven<br />

Tätigkeit der Jägervölker einerseits und der Ackerbau treibenden Völker anderseits in befriedigender<br />

Weise beantworten. Wir haben schon gesehen, welch große Bedeutung die Bilderzeichnungen<br />

im Leben der primitiven Jäger haben. Diese Schriftzeichen waren die Voraussetzung<br />

eines Erfolges im Kampf ums Dasein. Nachdem sie aber einmal <strong>erschien</strong>en waren,<br />

mußten sie jenen Drang zur Nachahmung, der in den Eigenschaften der menschlichen Natur<br />

wurzelt, der sich aber je nach dem Milieu um den Menschen so oder so entwickelt, notwendigerweise<br />

in eine bestimmte Richtung lenken. Solange der primitive Mensch Jäger bleibt,<br />

macht sein Drang zur Nachahmung aus ihm unter anderem einen Maler und Bildhauer. Der<br />

Grund ist leicht verständlich. Was braucht er als Maler? Er braucht Beobachtungsgabe und<br />

Handfertigkeit. Und gerade diese Eigenschaften braucht er auch als Jäger. Sein künstlerisches<br />

Schaffen ist folglich eine Erscheinung derselben Eigenschaften, die der Kampf ums<br />

Dasein in ihm hervorbringt. Wenn sich die Bedingun-[160]gen des Kampfes ums Dasein mit<br />

dem Übergang zur Viehzucht und zum Ackerbau ändern, verliert der primitive Mensch in<br />

bedeutendem Grade jene Neigung und Fähigkeit zur Malerei, die ihn in der Periode des Jägerdaseins<br />

auszeichnet. „So hoch die Ackerbauer und Viehzüchter in der Kultur über den<br />

Jägern stehen“, sagt Grosse, „so tief stehen sie in der bildenden Kunst unter ihnen; – beiläufig<br />

bemerkt, ein Beweis, daß das Verhältnis zwischen Kultur und Kunst nicht immer so einfach<br />

ist, wie einige Kunstphilosophen glauben.“ Und derselbe Grosse erklärt sehr schön die Ursache<br />

dieser – auf den ersten Blick seltsamen – künstlerischen Rückständigkeit der Hirtenvölker<br />

und der Ackerbau treibenden Völker. „Weder die Ackerbauer noch die Viehzüchter bedürfen<br />

zu ihrer Erhaltung einer so hohen Ausbildung der Beobachtungsgabe und der Handfertigkeit;<br />

infolgedessen treten diese Fähigkeiten bei ihnen zurück und mit ihnen das Talent für<br />

naturwahre Bildnerei.“ 1 Das ist ganz und gar richtig. Man muß nur daran denken, daß der<br />

Übergang zur Viehzucht und zum Ackerbau... 2<br />

Varianten zum sechsten Brief<br />

Variante zu S. 1-5 des Manuskripts<br />

(Fortsetzung)<br />

Um sich den genetischen Zusammenhang des Nützlichen mit dem ästhetisch Angenehmen in den Verzierungen,<br />

mit denen der primitive Mensch seine Waffe und seinen Hausrat bedeckt, einigermaßen klarzumachen, genügt<br />

es, wenn man zum Beispiel die von den Indianern Zentralbrasiliens oder den Papuas von Neuguinea gebrauchten<br />

Kämme mit denen vergleicht, die die Monbuttu-Neger oder die Barotse-Kaffern benutzen. Die ersten bestehen<br />

aus einigen untereinander verbundenen Stäbchen; die zweiten werden wie die hölzernen Kämme unserer<br />

Bauern aus länglichen Holztäfelchen gemacht, in die Zähne eingeschnitten sind. Das Täfelchen wird gewöhnlich<br />

mit sich kreuzenden Reihen von Linien verziert, die offenbar Bänder darstellen sollen, die die Zähne verbinden.<br />

Es unterliegt keinem Zweifel, die Kämme, die aus untereinander verbundenen Stäbchen bestehen, sind älter als<br />

die aus Holztäfelchen gefertigten Kämme. Woher stammte nun die Verzierung, die dieser zweiten Art von<br />

Kämmen eigen ist? Sie entstand als Nachahmung der Bänder, die einen notwendigen Bestandteil der älteren<br />

Kämme bildeten. Also reproduzierte der „Wilde“, als Verzierung, die Form dessen, was er früher zu einem utilitaristischen<br />

Zweck verwendet hat. Die Beziehung zum Gegenstande vom Standpunkt des Nutzens ging der<br />

Beziehung dazu vom Standpunkt des ästhetischen Genusses voraus.<br />

Das gleiche ist von allen sogenannten faserigen („Textil“-)Verzierungen zu sagen. Verzierungen dieser Art<br />

kommen überaus häufig an den Tongefäßen der Naturvölker vor. Woher hat man die Muster dazu genommen?<br />

Aus der primitiven Technik. Die Sache ist die: das Flechten ging der Kunst, Tongefäße herzustellen, voraus. Die<br />

Australier verstehen bis heute noch nicht, solche Gefäße herzustellen. Mit dem [161] Erscheinen der Tongefäße<br />

gab man ihnen Form und Aussehen der geflochtenen Gefäße, indem man an ihrer äußeren Oberfläche sich kreu-<br />

1 [Grosse,] „[Die] Anfänge der Kunst“, S. 190.<br />

2 Hier bricht das Manuskript ab. Red. L. N.<br />

84

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!