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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Zur Mitteilung und zum Austausch ihrer Gedanken bedienen sich die nordamerikanischen<br />

Indianer sehr oft und gern der Bilderzeichnungen oder, wie sich Schoolcraft ausdrückt, picture-writing.<br />

Die auf diese Weise ausgedrückten Gedanken beziehen sich gewöhnlich auf die<br />

Jagd, den Krieg und verschiedene andere Verhältnisse im Leben. Die Bilderzeichnungen dienen<br />

bei ihnen also vor allem rein praktischen, utilitaristischen Zielen. Den gleichen Zielen<br />

dienen derartige Zeichnungen auch in Australien. „Austin fand im Innern des australischen<br />

Festlandes, an einem Fluß, auf Felsen Abbildungen von Känguruhbeinen und Menschenhänden,<br />

die offenbar gemacht worden waren, um zu zeigen, daß Menschen und Tiere kamen, um<br />

aus dieser Quelle zu trinken.“ 1 Die oben erwähnten Figuren, die Grey an der Nordwestküste<br />

Australiens gesehen hat und die einzelne Teile des menschlichen Körpers darstellten (Arme,<br />

Beine usw.), wurden [157] wahrscheinlich ebenfalls zu dem rein utilitaristischen Zwecke der<br />

Mitteilung irgendwelcher Nachrichten an Gefährten gezeichnet, die abwesend waren. Von<br />

den Steinen erzählt, er habe einmal auf dem Ufersand eines der brasilianischen Flüsse ein von<br />

den Eingeborenen gezeichnetes Bild eines Fisches gesehen, der zu einer der lokalen Arten<br />

gehörte. Er befahl den ihn begleitenden Indianern, ein Netz auszuwerfen, und diese zogen<br />

mehrere Fische derselben Art heraus, die im Sande abgebildet war. 2 Es ist klar, der Eingeborene,<br />

der dieses Bild zeichnete, wollte seinen Genossen zur Kenntnis bringen, daß an dieser<br />

Stelle ein bestimmter Fisch vorkommt. Aber der Bedarf der Eingeborenen an solchen Bilderzeichnungen<br />

beschränkte sich natürlich nicht auf diesen Fall. Er machte sich bei ihnen sehr<br />

häufig geltend; sie mußten ständig zu „Bilderzeichnungen“ Zuflucht nehmen, und deshalb<br />

mußten diese Zeichnungen eines der frühen Produkte ihrer Lebensweise als Jäger sein. „Mir<br />

scheint“, sagt W. I. Jochelson richtig, „daß die Anfänge des schriftlichen und lautlichen Ausdrucks<br />

der Gedanken 3 [gleichzeitig entstehen konnten. Selbst in der Tierwelt sehen wir Anfänge<br />

der Schriftzeichen. Die Spur führt den Wolf zum Hirsch. Letzterer gibt ersterem davon<br />

Mitteilung, daß er vorübergekommen ist und in welcher Richtung er vorübergekommen ist.<br />

Daß die Tiere mit ihren Beinen schreiben, hatte im Leben des primitiven Jägers große Bedeutung,<br />

und die Spur konnte das Vorbild der Schrift sein. Die Bedeutung der ‚Spur‘ bei einem<br />

solchen Jägerstamm wie den Jukagiren spiegelte sich auch in der Sprache wider. In der jukagirischen<br />

Sprache hat jedes Verbum drei Konjugationen. Eine dieser Konjugationen, die von<br />

mir die augenscheinliche genannt wurde, drückt eine Handlung aus, auf deren Vollbringung<br />

nach ihren Spuren geschlossen wird, zum Beispiel, wenn einer im Walde aus den Spuren erfahren<br />

hat, daß dort der und der Mensch gewesen ist, und wenn er dann, nach Hause gekommen,<br />

seinen Hausgenossen davon Mitteilung machen will, so muß er auf russisch sagen: an<br />

den Spuren kann man sehen, daß der und der im Walde gewesen ist; aber auf jukagirisch<br />

drückt man das mit einem Worte aus, das sich von der gewöhnlichen Form des Verbums<br />

‚war‘ nur durch das Suffix jäl unterscheidet; wir sehen also, daß auch die sprachlichen Formen<br />

von der ‚Spur‘ abhängig sind. So konnte die Spur als Muster der Verwendung bewußter<br />

Zeichen im Verkehr der Menschen über eine Entfernung dienen. Aber diese Zeichen waren<br />

anfänglich eine einfache Abbildung des durch sie [158] ausgedrückten Gegenstandes oder]<br />

‹Begriffes, und. die Genauigkeit der Abbildung war eng verknüpft mit der Kunst.“ 4 So war<br />

1 Waitz-Gerland, „Anthropologie der Naturvölker“, VI, S. 760, Leipzig 1872. [Das angeführte Zitat findet sich<br />

dort nicht. Es heißt auf dieser Seite: „... ist eine Höhle, in welcher auf dem weißen Felsen mit schwarzer und<br />

roter Farbe Zeichnungen aufgetragen sind, Känguruhs, Schildkröten, eine Hand, sodann ein Känguruh, gefolgt<br />

von 32 Menschen“.] Abbildungen menschlicher Hände werden auch in den Kunstdenkmälern der Quartärzeit<br />

angetroffen (Mortillet, gen. Werk, S. 365, 473/474). Wahrscheinlich waren diese Abbildungen auch dort einfach<br />

Bilderzeichnungen.<br />

2 [Von den Steinen,] „Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens“, S. 248.<br />

3 In der Handschrift fehlen die Seiten 22 und 23, wir ergänzen sie durch das Zitat aus dem Buche von Jochelson<br />

(„Im Gebiet der Flüsse Jassatschna und Kirkidon“), das auf S. 21 beginnt und auf S. 23 bis endet. Red. L. N.<br />

4 W. I. Jochelson, 1. c., S. 33/34. Siehe auch S. 34/35, wo man sehen kann, wie wichtig für die Jukagiren eine<br />

solche Schrift bei ihren Nomadenzügen war: sie mußten schreiben können bei Gefahr des Mißlingens (der Jagd.<br />

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