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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

heutigen Tag von primitiven Menschen als Gefäße verwendet. Um sie bequemer tragen zu<br />

können, wickelte man um solche Gefäße Lederriemen oder fasrige Pflanzen. 1<br />

Als die Menschen gelernt hatten, Metalle zu bearbeiten, <strong>erschien</strong>en auf den Tongefäßen neben<br />

den geraden Linien manchmal sehr verwickelte krumme Linien. Mit einem Wort, hier<br />

stand die Entwicklung der Ornamentik in engstem und klarstem Zusammenhang mit der<br />

Entwicklung der urgesellschaftlichen Technik oder, anders ausgedrückt, mit der Entwicklung<br />

der Produktivkräfte.<br />

Selbstverständlich beschränkt sich die Anwendung der geometrischen oder der textilen Ornamente<br />

nicht unbedingt auf das Tongeschirr: man wendet sie auch bei Erzeugnissen aus<br />

Holz und selbst aus Leder an. 2 Überhaupt finden sie, nachdem sie einmal in Gebrauch gekommen<br />

waren, sehr bald weite Verbreitung. 3<br />

In seinem Bericht an die Berliner anthropologische Gesellschaft über die zweite Expedition<br />

an den Fluß Xingu sagt Ehrenreich, daß in der Ornamentik der Eingeborenen „alle als geometrische<br />

Figuren erscheinenden Zeichnungen in Wirklichkeit abgekürzte, zum Teil geradezu<br />

stilisierte Abbildungen bestimmter, ganz konkreter Gegenstände, meistens von Tieren, sind“ 4 .<br />

So stellt eine wellenförmige, auf beiden Seiten punktierte Linie eine Schlange dar, eine rautenförmige<br />

Figur mit schwarz markierten Winkeln einen Fisch, und ein rechtwinkliges Dreieck<br />

ist die Abbildung sozusagen der Nationaltracht der brasilianischen Indianerinnen, die<br />

bekanntlich aus nichts weiter als einer gewissen Abart des berühmten [153] „Feigenblattes“<br />

besteht. 5 Dasselbe auch in Nordamerika. Holmes hat gezeigt, daß die geometrischen Figuren,<br />

welche die Töpfe der dortigen Indianer bedecken, Abbildungen von Tierhäuten sind. Ein in<br />

der Pariser Maison des Missions aufbewahrtes Tongefäß aus Senegambien ist mit der Abbildung<br />

einer Schlange verziert, und an dieser Abbildung kann man sehr leicht erkennen, wie<br />

sich Zeichnungen, die Tierhäute darstellen, in geometrische Figuren verwandeln können. 6<br />

Schließlich, wenn Sie einmal das Werk von Hjalmar Stolpe, „Entwicklungserscheinungen in<br />

der Ornamentik der Naturvölker“ (Wien 1892), in Händen haben sollten, so betrachten Sie<br />

genau die Seiten 37-44, und Sie werden ein überraschendes Beispiel der allmählichen Entwicklung<br />

einer rein geometrischen Figur aus einer Figur sehen, die einen Menschen dar-<br />

1 [Siehe unten: „Variante zu S. 1-5 des Manuskripts“, S. 160/161 des vorl. Bandes]<br />

2 Siehe die Abbildung einer algerischen Flasche aus Kamelhaut auf Seite XVIII des Vorworts von R. Allier zum<br />

Buche von Christol, „Au sud de l’Afrique“.<br />

3 Weiter sind die folgenden Zeilen ausgestrichen: „Ich will indes, verehrter Herr, schnell noch bemerken, daß<br />

bei weitem nicht alle ‚geometrischen‘ Verzierungen auf die von mir angegebene Quelle zurückgeführt werden<br />

können. Die Beobachtungen von Ehrenreich und von den Steinen an der Kunst der brasilianischen Indianer<br />

zeigen, daß hier noch ein anderer ‚Faktor‘, nämlich die Natur, eine nicht weniger wichtige, wenn nicht gar größere<br />

Rolle gespielt hat.“ Red. L. N.<br />

4 „Zeitschrift für Ethnologie“, Bd. XXII, S. 89 [Hervorhebung von Plechanow].<br />

5 Diese Abart des Feigenblattes heißt Uluri. Als von den Steinen vor den Indianern des Stammes Bakairi ein<br />

gleichschenkliges Dreieck zeichnete, lachten sie und riefen: „Uluri!“ Von den Steinen bemerkt nicht ohne Humor:<br />

„Der Lehrer der Geometrie braucht heute gewiß nicht mehr an einem Uluri besonderes Vergnügen<br />

zu haben, damit er ein Dreieck konzipieren könne. Das Uluri ist so eine Art Archaeopteryx der Mathematik.“<br />

„Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens“, S. 270.<br />

6 Siehe S. XXI des von mir bereits zitierten Vorworts von R. Allier. Nachdem Mortillet darauf hingewiesen hat,<br />

daß die einfachste Ornamentik der letzten Periode der Quartärzeit aus „geraden Linien“ besteht, die verschiedene<br />

Kombinationen bilden, bemerkt er, daß „nach diesen äußerst einfachen Verzierungen Serien von Wellenlinien<br />

und anderen Phantasieprodukten kommen“ („Le Préhistorique“, p. 415). Nach dem, was oben gesagt wurde,<br />

ist es sehr wohl angebracht, zu bezweifeln, daß wir es hier mit Phantasieprodukten zu tun haben. Die Wellenlinien<br />

der Quartärzeit bedeuteten wahrscheinlich ungefähr das gleiche, was sie jetzt bei den brasilianischen<br />

Indianern bedeuten.<br />

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