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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Wenn der Stand der Produktivkräfte, über die die Naturvölker verfügen, die diesen Völkern<br />

eigene Ornamentik bestimmt, so muß der [144] Charakter der Schmuckstücke, die ein gegebener<br />

Stamm verwendet, seinerseits auf den Zustand seiner Produktivkräfte hinweisen.<br />

So ist es in der Tat. Hierfür ein Beispiel.<br />

Die Neger vom Stamme Niamniam lieben meist Schmuckstücke aus den Zähnen von Menschen<br />

oder Tieren. Die Zähne des Löwen werden von ihnen außerordentlich hoch bewertet,<br />

aber offenbar übersteigt die Nachfrage nach diesen Zähnen ihr Angebot, und so verwenden<br />

die Niamniam nachgemachte Löwenzähne aus Elfenbein. Schweinfurth sagt, daß sich die<br />

daraus hergestellten Schmuckstücke sehr effektvoll von der schwarzen Haut abheben. Aber<br />

Sie verstehen, geehrter Herr, daß die Hauptsache hier nicht im Kontrast der Farben liegt, sondern<br />

darin, daß die Elfenbeinstückchen, die sich so schön von der schwarzen Haut abheben,<br />

eben Löwenzähne darstellen. Und mit Gewißheit können Sie dem, der Sie nach der Lebensweise<br />

der Niamniam-Neger fragt, antworten. Sie können, ohne Schwierigkeit und ohne auch<br />

nur eine Minute zu zögern, sagen, daß sie von der Jagd leben. Und Sie werden recht haben.<br />

Die Männer dieses Stammes sind vor allem Jäger, die sich das Vergnügen nicht versagen,<br />

auch Menschenfleisch zu essen. Auch der Ackerbau ist ihnen nicht unbekannt, aber sie haben<br />

die Beschäftigung damit den Frauen überlassen. 1<br />

Aber eben diese Niamniam tragen, wie wir wissen, auch Schmuckstücke aus Metall. Das ist<br />

schon ein bedeutender Schritt vorwärts im Vergleich zu solchen Jägern wie den Australiern<br />

oder den brasilianischen Bakaïri, die keine metallenen Schmuckstücke haben. Aber was setzt<br />

dieser von der Ornamentik nach vorwärts getane Schritt voraus? Er setzt einen zeitlich vorhergegangenen<br />

Fortschritt der Produktivkräfte voraus.<br />

Ein anderes Beispiel. Ein Modenarr vom Stamme der Fans schmückt seine Haare mit Federn<br />

der buntesten Farben, färbt sich die Zähne schwarz (Prinzip der Antithese: man stellt sich den<br />

Tieren gegenüber, die immer weiße Zähne haben), wirft ein Leopardenfell oder das Fell irgendeines<br />

anderen Raubtieres um die Schultern und hängt ein großes Messer an den Gürtel.<br />

Eine Modenärrin desselben Stammes geht nackt, dafür sind ihre Arme mit kupfernen Reifen<br />

und die Haare mit einer Menge weißer Perlen geschmückt. 2<br />

Gibt es irgendeinen Grund für den Zusammenhang zwischen derartigen Schmuckstücken und<br />

den Produktivkräften, die dem Stamme der Fans zur Verfügung stehen? Es gibt ihn nicht nur,<br />

sondern er springt direkt in die Augen. Der männliche Schmuck dieses Stammes ist der typische<br />

Schmuck des Jägers. Die weiblichen Schmuckstücke – Perlen und Arm-[145]reifen –<br />

stehen nicht in direkter Beziehung zur Jagd, aber man erhält sie im Tausch gegen eines der<br />

wertvollsten Produkte der Jagd, nämlich gegen Elfenbein. Der Mann erlaubt der Frau nicht,<br />

sich mit Jagdtrophäen zu schmücken, aber im Tausch gegen die Produkte seiner Jagd verschafft<br />

er ihr Schmuckstücke, die von Stämmen (oder Völkern) hergestellt werden, die auf<br />

einer höheren Entwicklungsstufe der Produktivkräfte stehen. Durch diese höhere Entwicklungsstufe<br />

der Produktivkräfte werden also auch die ästhetischen Empfindungen seiner besseren<br />

Hälfte bestimmt. 3<br />

Ein drittes Beispiel. Die Bewohner des nördlichen Teiles der Insel Ubwari im Tanganjika-<br />

See (in Afrika) tragen eine Art Mantel aus Baumrinde, den sie bestrebt sind, so herzurichten,<br />

daß er dem Leopardenfell ähnelt. Metallene Armreifen, die alle benachbarten Stämme ver-<br />

1 Vgl. Schweinfurth, gen. Werk, II, S. 5, 7, 9, 15, 16. [„Im Herzen von Afrika“, Zweiter Teil, Leipzig 1874, S. 9<br />

ff.]<br />

2 Vgl. Du Chaillu, „Voyages et aventures dans l’Afrique équatoriale“, p. 163.<br />

3 Da in der Urgesellschaft der Mann Jagd- und Kriegstrophäen sehr schätzt, erweist er sich in seinem Schmuck<br />

oft als viel konservativer als die Frau, die „nichts zu verlieren“ hat.<br />

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