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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013 schicklichkeit als Jäger, und dem Mann war es unangenehm, sie bei der Frau zu sehen, die sich niemals mit Jagd beschäftigte. Die metallenen Schmuckstücke hingegen bezeugten nicht die Geschicklichkeit, sondern die Wohlhabenheit, und der reiche Besitzer mußte schon vermöge seiner Eitelkeit danach streben, der Frau möglichst viele solcher Schmuckstücke anzulegen, weil die Frau, wenigstens an manchen Orten, mehr und mehr selbst sein Eigentum wurde. „Ich glaube“, sagt Stanley, „daß Tschumbiri“ (irgendein kleiner afrikanischer Herrscher), „sobald er sich irgendeine Menge Messing verschafft hatte, dasselbe zusammenschmelzen und daraus Halsringe für seine Weiber schmieden ließ... Ich machte eine ungefähre Berechnung und schätzte das Messing, das seine Weiber bis an ihren Tod um den Hals trugen, wenigstens auf 800 Pfund; seine Töchter, deren er sechs hatte, trugen 120, seine Favoritsklavinnen ungefähr 200 Pfund. Rechnet man nun noch 6 Pfund Messingdraht auf jede Frau und Tochter für Armund Beinschmuck, so gelangt man zu dem erstaun-[140]lichen Resultat, daß Tschumbiri als ein im eigentlichsten Sinn bewegliches Gut einen Messingvorrat von 1396 Pfund besitzt.“ 1 So entwickelte und veränderte sich die weibliche Ornamentik unter dem Einfluß einiger „Faktoren“, aber beachten Sie, daß sie alle zum Teil selbst nur auftraten als Ergebnis des jeweiligen Zustandes der Produktivkräfte der Urgesellschaft (ein solcher „Faktor“ war zum Beispiel die Versklavung der Frau durch den Mann), und daß sie zum Teil, indem sie einen festen Bestandteil der menschlichen Natur bildeten, auf diese Weise wirkten, und nicht auf eine beliebige andere Weise, dank dem direkten Einfluß der Ökonomik: derart war zum Beispiel die Eitelkeit, die die Männer antrieb, sich mit dem reichen Schmuck der Frauen zu brüsten; derart waren auch andere, dieser ähnliche, seelische Eigenschaften der Menschen. Daß die Liebe zu metallenen Schmuckstücken erst dann entstehen konnte, als die Menschen angefangen hatten, Metalle zu bearbeiten, bedarf keines Beweises. Ebenfalls ganz klar ist es, daß das Bestreben, sich und seinen Frauen und Sklavinnen metallene Schmuckstücke umzuhängen, durch den Wunsch hervorgerufen wurde, mit seinem Reichtum großzutun; das könnte nötigenfalls durch zahlreiche Beispiele bewiesen werden. Aber denken Sie nicht, man könne keine anderen Motive aufspüren, die die Menschen veranlaßten, solche Schmuckstücke zu tragen! Im Gegenteil, es ist sehr wahrscheinlich, daß man sie ursprünglich – zum Beispiel die metallenen Ringe an den Armen und Beinen – um mancher praktischen Bequemlichkeiten willen trug; dann fing man an, sie nicht nur der praktischen Bequemlichkeiten wegen zu tragen, sondern auch, um mit seinem Reichtum zu prahlen, und parallel dazu bildeten sich allmählich [141] die Geschmacksempfindungen der Menschen heraus, und Gliedmaßen, die mit Metallringen geschmückt waren, erschienen schön. andere neige, als ob man die Beine nur mit Mühe aufhebe“ (Elisée Reclus, „Nouvelle Geographie Universelle“, t. XIII, p. 664). 1 „A travers le continent mystérieux“, Paris 1879, t. II, p. 321. [Henry M. Stanley, „Durch den dunklen Weltteil...“‚ Leipzig 1878, Zweiter Band, S. 355.] Die Versklavung der Frau bleibt nicht [ohne Einfluß] auf die Zunahme der Bevölkerung. Bei den Makololo „... les vieillards opulents, dont le bétail est nombreux, épousent toutes les helles filles... Les jeunes gens dépourvus de bétail, c’est-à-dire sans fortune, sont obligés de se passer d’épouse, ou de se contenter de laiderons qui ne trouveraient pas d’homme riche. Cet état de choses est probablement la source d’une grande immmoralité et les enfants sont [en] petit nombre“ [„... die reichen Greise, die viel Vieh besitzen, heiraten alle schönen Mädchen... Die jungen Leute, die kein Vieh, das heißt kein Vermögen ihr eigen nennen, müssen auf eine Frau verzichten oder sich mit den häßlichen Mädchen begnügen, die keinen reichen Mann finden würden. Diese Zustände sind wahrscheinlich die Quelle der herrschenden großen Sittenlosigkeit; die Kinderzahl ist gering.“] (David et Charles Livingstone, 1. c., pp. 262/263). Der deutsche Autor [K. Marx] hatte recht, als er sagte, abstrakte Gesetze der Vermehrung existieren nur für die Tiere und Pflanzen. [Siehe „Das Kapital“, I. Band, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 666.] Es ist aber anzunehmen, daß auch diese seine richtige Ansicht, ähnlich wie viele andere, von den Herrschaften, die sich die löbliche Aufgabe gestellt haben, seine Lehre zu „revidieren“, über Bord geworfen wird. Die „Revision“ besteht darin, daß diese Lehren nacheinander aufgegeben und durch die Lehren der bürgerlichen Ökonomisten ersetzt werden. Die Herrschaften, die sich mit der „Revision“ beschäftigen, „progressieren“, indem sie rückwärts gehen. 70

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013 Die Beziehung zu den Gegenständen vom Standpunkte des Nutzens ging auch hier der Beziehung zu ihnen vom Standpunkte des ästhetischen Genusses voran. Sie werden vielleicht fragen, worin die praktischen Bequemlichkeiten des Tragens metallener Ringe bestanden haben. Ich will sie nicht alle aufzählen, werde aber auf einige von ihnen hinweisen. Erstens wissen wir bereits, welche große Rolle der Rhythmus in den Tänzen der Naturvölker spielt. Die rhythmischen Schläge mit den Füßen auf den Boden und das gleichmäßige Händeklatschen dienen in diesen Fällen zum Schlagen des Taktes. Aber das genügt den Tänzern der Naturvölker nicht. Sehr häufig behängen sie sich zu diesem Zweck mit ganzen Girlanden verschiedener Klappern. Manchmal – zum Beispiel bei den Kaffern vom Stamme der Basuto – sind solche Klappern nichts weiter als Säckchen, die aus trockener Haut zusammengenäht und mit Steinchen gefüllt sind. 1 Es versteht sich, daß sie mit großem Nutzen durch metallene Klappern ersetzt werden können. Die eisernen Ringe, die an Arme und Beine gelegt werden, können bequem die Rolle metallener Klappern spielen. Und wir sehen in der Tat, daß sich dieselben Basuto-Kaffern beim Tanze gern solche Ringe anlegen. 2 Indes, die metallenen Ringe geben, wenn sie gegeneinander schlagen, nicht nur während des Tanzes klangvolle Töne von sich, sondern auch beim Gehen. Die Frauen des Stammes Niamniam tragen an den Beinen so viele Ringe, daß ihr Gang immer von einem weithin hörbaren Klang begleitet ist. 3 Ein solcher Klang erleichtert, indem er den Takt schlägt, das Gehen, und deshalb konnte er eines der treibenden Motive für die Verwendung von Ringen bilden: bekanntlich hängen in Afrika die schwarzen Gepäckträger manchmal Glöckchen an ihre Last, deren ständiges rhythmisches Klingen sie anspornt. 4 Der gleichmäßige Klang der metallenen Ringe mußte ohne Zweifel auch viele weibliche Arbeiten erleichtern, zum Beispiel das Mahlen der Körner in [142] den Handmühlen. 5 Das war wahrscheinlich auch einer der ursprünglichen Gründe dafür, daß man sie trug. Zweitens, die Sitte, an den Armen und Beinen Ringe zu tragen, ging dem Gebrauch metallener Schmuckstücke voraus. Bei den Hottentotten wurden solche Ringe aus Elfenbein gemacht. 6 Bei anderen Naturvölkern werden sie manchmal aus der Haut des Flußpferdes hergestellt. Eine solche Sitte hat sich beim Stamm der Dinka noch bis heute erhalten, obwohl, wie wir aus dem ersten Briefe wissen, dieser Stamm jetzt, nach einem Ausspruch Schweinfurths, das Eisenzeitalter durchmacht. Ursprünglich konnten solche Ringe zu dem praktischen Zweck verwendet werden, die nackten Arme und Beine vor stechenden Pflanzen zu schützen. 7 Als die Bearbeitung der Metalle begann und zur festen Gewohnheit wurde, ersetzte man die Ringe aus Häuten und Knochen allmählich durch metallene. Da diese zu einem Kennzeichen 1 „Les Bassoutos“ par E. Casalis, Paris 1859, p. 158. Bei den Indianern von Guiana rüsten sich die Koryphäen manchmal mit hohlen Bambusstäben aus, die mit Steinchen vollgeschüttet sind. Sie schlagen mit diesen Stäben auf die Erde, und die durch diese Schläge hervorgerufenen Laute regulieren die Bewegungen der Tanzenden. R. H. Schomburgk, „Reisen in Guiana und am Orinoko“, Leipzig 1841, S. 108. 2 Casalis, ibid., p. 158. Der Glanz dieser Ringe hat hier wahrscheinlich auch eine Bedeutung, indem er alle Bewegungen der Tanzenden nuanciert. 3 „L’Afrique Centrale, Expeditions ... par le colonel C. Chaille-Long“, Paris 1882, p. 282. 4 Burton [„Voyage etc.“, S. 620]. 5 Casalis, 1. c., p. 150. Im ersten Briefe habe ich schon darauf hingewiesen, wenn auch aus einem anderen Anlaß. 6 Ratzel, „Völkerkunde“, [1. Auflage,] t. I, S. 91. 7 Beachten Sie, daß es sich hier nicht um Ringe handelt, die an die Finger gesteckt werden, sondern um Brasseletts an Armen und Beinen. Ich weiß, daß „Beinarmreif“ ein wahrhaft barbarischer Ausdruck ist, aber ich kann im Augenblick keinen anderen finden. 71

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schicklichkeit als Jäger, und dem Mann war es unangenehm, sie bei der Frau zu sehen, die sich<br />

niemals mit Jagd beschäftigte. Die metallenen Schmuckstücke hingegen bezeugten nicht die<br />

Geschicklichkeit, sondern die Wohlhabenheit, und der reiche Besitzer mußte schon vermöge<br />

seiner Eitelkeit danach streben, der Frau möglichst viele solcher Schmuckstücke anzulegen,<br />

weil die Frau, wenigstens an manchen Orten, mehr und mehr selbst sein Eigentum wurde. „Ich<br />

glaube“, sagt Stanley, „daß Tschumbiri“ (irgendein kleiner afrikanischer Herrscher), „sobald er<br />

sich irgendeine Menge Messing verschafft hatte, dasselbe zusammenschmelzen und daraus<br />

Halsringe für seine Weiber schmieden ließ... Ich machte eine ungefähre Berechnung und<br />

schätzte das Messing, das seine Weiber bis an ihren Tod um den Hals trugen, wenigstens auf<br />

800 Pfund; seine Töchter, deren er sechs hatte, trugen 120, seine Favoritsklavinnen ungefähr<br />

200 Pfund. Rechnet man nun noch 6 Pfund Messingdraht auf jede Frau und Tochter für Armund<br />

Beinschmuck, so gelangt man zu dem erstaun-[140]lichen Resultat, daß Tschumbiri als ein<br />

im eigentlichsten Sinn bewegliches Gut einen Messingvorrat von 1396 Pfund besitzt.“ 1<br />

So entwickelte und veränderte sich die weibliche Ornamentik unter dem Einfluß einiger<br />

„Faktoren“, aber beachten Sie, daß sie alle zum Teil selbst nur auftraten als Ergebnis des jeweiligen<br />

Zustandes der Produktivkräfte der Urgesellschaft (ein solcher „Faktor“ war zum<br />

Beispiel die Versklavung der Frau durch den Mann), und daß sie zum Teil, indem sie einen<br />

festen Bestandteil der menschlichen Natur bildeten, auf diese Weise wirkten, und nicht auf<br />

eine beliebige andere Weise, dank dem direkten Einfluß der Ökonomik: derart war zum Beispiel<br />

die Eitelkeit, die die Männer antrieb, sich mit dem reichen Schmuck der Frauen zu brüsten;<br />

derart waren auch andere, dieser ähnliche, seelische Eigenschaften der Menschen.<br />

Daß die Liebe zu metallenen Schmuckstücken erst dann entstehen konnte, als die Menschen<br />

angefangen hatten, Metalle zu bearbeiten, bedarf keines Beweises. Ebenfalls ganz klar ist es,<br />

daß das Bestreben, sich und seinen Frauen und Sklavinnen metallene Schmuckstücke umzuhängen,<br />

durch den Wunsch hervorgerufen wurde, mit seinem Reichtum großzutun; das könnte<br />

nötigenfalls durch zahlreiche Beispiele bewiesen werden. Aber denken Sie nicht, man könne<br />

keine anderen Motive aufspüren, die die Menschen veranlaßten, solche Schmuckstücke zu<br />

tragen! Im Gegenteil, es ist sehr wahrscheinlich, daß man sie ursprünglich – zum Beispiel die<br />

metallenen Ringe an den Armen und Beinen – um mancher praktischen Bequemlichkeiten<br />

willen trug; dann fing man an, sie nicht nur der praktischen Bequemlichkeiten wegen zu tragen,<br />

sondern auch, um mit seinem Reichtum zu prahlen, und parallel dazu bildeten sich allmählich<br />

[141] die Geschmacksempfindungen der Menschen heraus, und Gliedmaßen, die mit<br />

Metallringen geschmückt waren, <strong>erschien</strong>en schön.<br />

andere neige, als ob man die Beine nur mit Mühe aufhebe“ (Elisée Reclus, „Nouvelle Geographie Universelle“,<br />

t. XIII, p. 664).<br />

1 „A travers le continent mystérieux“, Paris 1879, t. II, p. 321. [Henry M. Stanley, „Durch den dunklen Weltteil...“‚<br />

Leipzig 1878, Zweiter Band, S. 355.] Die Versklavung der Frau bleibt nicht [ohne Einfluß] auf die Zunahme<br />

der Bevölkerung. Bei den Makololo „... les vieillards opulents, dont le bétail est nombreux, épousent<br />

toutes les helles filles... Les jeunes gens dépourvus de bétail, c’est-à-dire sans fortune, sont obligés de se passer<br />

d’épouse, ou de se contenter de laiderons qui ne trouveraient pas d’homme riche. Cet état de choses est probablement<br />

la source d’une grande immmoralité et les enfants sont [en] petit nombre“ [„... die reichen Greise, die<br />

viel Vieh besitzen, heiraten alle schönen Mädchen... Die jungen Leute, die kein Vieh, das heißt kein Vermögen<br />

ihr eigen <strong>nennen</strong>, müssen auf eine Frau verzichten oder sich mit den häßlichen Mädchen begnügen, die keinen<br />

reichen Mann finden würden. Diese Zustände sind wahrscheinlich die Quelle der herrschenden großen Sittenlosigkeit;<br />

die Kinderzahl ist gering.“] (David et Charles Livingstone, 1. c., pp. 262/263). Der deutsche Autor [K.<br />

Marx] hatte recht, als er sagte, abstrakte Gesetze der Vermehrung existieren nur für die Tiere und Pflanzen.<br />

[Siehe „Das Kapital“, I. Band, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 666.] Es ist aber anzunehmen, daß auch diese seine<br />

richtige Ansicht, ähnlich wie viele andere, von den Herrschaften, die sich die löbliche Aufgabe gestellt haben,<br />

seine Lehre zu „revidieren“, über Bord geworfen wird. Die „Revision“ besteht darin, daß diese Lehren nacheinander<br />

aufgegeben und durch die Lehren der bürgerlichen Ökonomisten ersetzt werden. Die Herrschaften, die<br />

sich mit der „Revision“ beschäftigen, „progressieren“, indem sie rückwärts gehen.<br />

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