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[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 40<br />

Es erscheint darnach <strong>als</strong> selbstverständlich, daß eine solche „<strong>Philosoph</strong>ie“, die die Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Masse zu ihrem Kernpunkt hat, auf die Masse wirken und auf ihre Mentalität einen Einfluß<br />

ausüben muß, <strong>der</strong> durch irgendein schwieriges „bürgerliches“ System nie erzielt werden<br />

könnte. Denn diese sind ja schon durch ihre Problemstellung, noch mehr aber durch ihre Darstellung<br />

nur einem kleinen Kreis von theoretisch-philosophisch gebildeten Menschen zugänglich.<br />

Sie stehen in kaum einer Beziehung zum unmittelbaren praktischen Leben, ihre<br />

Wesenheit ist, durchaus individualistisch, wie ihr Bildungsziel und Bildungsideal durchaus auf<br />

die Formung des individuellen Geistes ausgeht. Das Bildungsideal <strong>Lenin</strong>s dagegen ist<br />

durchaus demokratisch, ist es doch wesentlich politisch und an den politischen For<strong>der</strong>ungen<br />

des Tages orientiert. Die Wissenschaft und die <strong>Philosoph</strong>ie darf nicht länger nur einer kleinen<br />

Gruppe von Menschen vorbehalten sein. Es gilt das zu verwirklichen, was schon Feuerbach,<br />

<strong>der</strong> auf den Marxismus einen größeren Einfluß ausgeübt hat, <strong>als</strong> man gewöhnlich annimmt,<br />

immer wie<strong>der</strong> for<strong>der</strong>te. „Die <strong>Philosoph</strong>ie muß nach Feuerbach Eigentum <strong>der</strong> Menge, <strong>der</strong><br />

Masse werden: Theorie ist, was in einem Kopfe, Praxis, was in vielen Köpfen ist. ‚Was viele<br />

Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit Platz in <strong>der</strong> Welt‘“ (G. Th. Masaryk, Die<br />

philosophischen und soziologischen Grundlagen des Marxismus, S. 31). Eine solche <strong>Philosoph</strong>ie<br />

muß natürlich auch den Bedürfnissen <strong>der</strong> Massen angepaßt sein, und das ist bei <strong>Lenin</strong>,<br />

wie wir sahen, durchaus <strong>der</strong> Fall. Denn <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong> ist ja nicht frei in <strong>der</strong> Auswahl seines<br />

[46] Stoffes, seiner Probleme usw. Er muß dem „Zeitgeist“ folgen. „Es steht dem <strong>Philosoph</strong>en<br />

nicht frei, seine Stoffe zu wählen, so wenig die <strong>Philosoph</strong>ie immer und überall dieselben Stoffe<br />

hat. Es gibt keine ewigen Fragen; es gibt nur Fragen, die aus einem bestimmten Dasein heraus<br />

gefühlt und gestellt werden. ‚Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis‘ das gilt auch von je<strong>der</strong><br />

echten <strong>Philosoph</strong>ie <strong>als</strong> dem geistigen Ausdruck dieses Daseins, <strong>als</strong> <strong>der</strong> Verwirklichung seelischer<br />

Möglichkeiten in einer Formenwelt von Begriffen, Urteilen und Gedankenbauten, zusammengefaßt<br />

in <strong>der</strong> lebendigen Erscheinung ihres Urhebers. Eine jede ist vom ersten bis zum<br />

letzten Wort, vom abstraktesten Thema bis zum persönlichsten Charakterzug ein Gewordenes,<br />

aus <strong>der</strong> Seele in die Welt, aus dem Reiche <strong>der</strong> Freiheit in das <strong>der</strong> Notwendigkeit, aus dem<br />

unmittelbar Lebendigen ins Räumlich-Logische hinübergespiegelt und mithin vergänglich,<br />

von bestimmten Tempo, von bestimmter Lebensdauer. Deshalb liegt eine strenge Notwendigkeit<br />

in <strong>der</strong> Wahl des Themas. Jede Epoche hat ihr eigenes, das für sie und keine an<strong>der</strong>e<br />

bedeutend ist. Hier sich nicht zu vergreifen, kennzeichnet den geborenen <strong>Philosoph</strong>en. Der<br />

Rest <strong>der</strong> philosophischen Produktion ist belanglos, bloße Fachwissenschaft, langweilige<br />

Häufung systematischer und begrifflicher Subtilitäten“ (Oswald Spengler, Der Untergang des<br />

Abendlandes, I., S. 468) 99 . Dieser relativistischen Auffassung ist auch <strong>Lenin</strong>, nur daß er nicht<br />

bei <strong>der</strong> Bewußtseinslage, beim „Zeitgeist“, <strong>als</strong> dem letzten Prinzip stehen bleibt, son<strong>der</strong>n ihn<br />

bedingt erklärt durch die herrschenden Produktionsverhältnisse, die es in erster Linie zu erforschen<br />

und zu verän<strong>der</strong>n gilt. Aber: „... In solchen Ausdrücken, wie ‚Zeitgeist‘, o<strong>der</strong><br />

99 Das Zitat lautet korrekt: „Es steht dem <strong>Philosoph</strong>en nicht frei, seine Stoffe zu wählen, so wenig die <strong>Philosoph</strong>ie<br />

immer und überall dieselben Stoffe hat. Es gibt keine ewigen Fragen, es gibt nur Fragen, die aus dem Dasein eines<br />

historisch-individuellen Menschentums, einer einzelnen Kultur heraus gefühlt und gestellt werden. „Alles Vergängliche<br />

ist nur ein Gleichnis“ – das gilt auch von je<strong>der</strong> echten <strong>Philosoph</strong>ie <strong>als</strong> dem geistigen Ausdruck dieses<br />

Daseins, <strong>als</strong> <strong>der</strong> Verwirklichung seelischer Möglichkeiten in einer Formenwelt von Begriffen, Gedanken, Intuitionen,<br />

zusammengefaßt in <strong>der</strong> lebendigen Erscheinung ihres Urhebers. Eine jede ist vom ersten bis zum letzten<br />

Wort, vom abstraktesten Thema bis zum persönlichsten Charakterzuge ein Gewordnes. aus <strong>der</strong> Seele in die Welt,<br />

aus dem Reiche <strong>der</strong> Freiheit in das <strong>der</strong> Notwendigkeit, aus dem unmittelbar Lebendigen ins Räumlich-Logische<br />

projiziert, reines Symbol einer historisch begrenzten Art des Menschlichen und mithin vergänglich, von bestimmtem<br />

Tempo, von bestimmter Lebensdauer. Deshalb liegt eine strenge Notwendigkeit in <strong>der</strong> Wahl des<br />

Themas. Jede Epoche hat ihr eignes, das für sie und keine andre bedeutend ist. Hier sich nicht zu vergreifen,<br />

kennzeichnet den gebornen <strong>Philosoph</strong>en. Der Rest <strong>der</strong> philosophischen Produktion ist belanglos, bloße Fachwissenschaft,<br />

langweilige Häufung systematischer und stofflicher Subtilitäten.“ Deutscher Taschenbuch Verlag<br />

München 1988, 9. Auflage, S. 471/472.

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