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[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 36<br />

Materialismus, dessen Hauptübel in <strong>der</strong> Unfähigkeit besteht, die Dialektik auf die Bil<strong>der</strong>theorie.<br />

auf den Prozeß und auf die Entwicklung <strong>der</strong> Erkenntnis anzuwenden“ (<strong>Lenin</strong>, M. u. E., Zur<br />

Frage <strong>der</strong> Dialektik, S. 379) 87 . A. Meusel hat treffend gesagt (Das Erkenntnisobjekt bei Marx,<br />

S. 4) worin <strong>der</strong> Unterschied in <strong>der</strong> Erkenntnisfrage zwischen den Marxisten und Kant (sowie<br />

allen an ihn anschließenden und ihm verwandten <strong>Philosoph</strong>en) besteht – darin nämlich, daß<br />

„sie (d. s. die Marxisten. Der Verf.) die Theorie <strong>der</strong> Erkenntnis in die Geschichte <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

auflösen; die apriorischen Formen unserer Erkenntnis gelten nach kantischer Auffassung<br />

unabhängig vom Zeitalter, von <strong>der</strong> nationalen und sozialen Zugehörigkeit und bilden<br />

demnach ‚ewige‘ Kategorien. Für Marx und Engels sind die Formen <strong>der</strong> Erkenntnis etwas, was<br />

sich mit den Inhalten <strong>der</strong> Erkenntnis wandelt.“ Die Erkenntnistheorie darf deshalb auch nicht<br />

von den übrigen Wissenschaften abgetrennt, son<strong>der</strong>n muß immer unter dem Gesamtaspekt <strong>der</strong><br />

kulturellen Entwicklung, des „Lebens“ überhaupt, betrachtet werden. Der Wahrheitsgehalt<br />

je<strong>der</strong> Erkenntnistheorie und <strong>Philosoph</strong>ie überhaupt ist historisch bedingt und deshalb nur relativ,<br />

während <strong>der</strong> Prozeß des menschlichen Denkens <strong>als</strong> solcher ewig und absolut ist. Wenn<br />

man dialektische <strong>Philosoph</strong>ie treibt. so muß man sich dieser Tatsache bewußt sein und man<br />

muß die Bedingtheiten <strong>der</strong> verschiedenen <strong>Philosoph</strong>ien studieren und analysieren, muß feststellen,<br />

wie diese und jene Auffassung zustande kam – genetisch und historisch – man muß die<br />

Erkenntnis <strong>als</strong> einen absoluten Prozeß betrachten, <strong>der</strong> sich in all den vielen Systemen von<br />

relativem Wahrheitsgehalt manifestiert. Die überragende Stellung des dialektischen Prinzips<br />

ist es, die dem Marxismus <strong>als</strong> Theorie vor allem den Stempel einer Kulturphilosophie aufdrückt,<br />

wenn man unter Kulturphilosophie die Wissenschaft von <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Gesamtheit<br />

menschlichen Denkens und menschlicher Betätigung versteht. Es ist kein Zufall, daß<br />

die Dialektik auch bei Hegel gerade in <strong>der</strong> Geschichtsphilosophie die größten Triumphe feiert.<br />

Für beide. für Hegel wie für die Marxisten, ist, nach einem Worte des ersteren, eine <strong>Philosoph</strong>ie<br />

weiter nichts <strong>als</strong> eine Zeit in Gedanken gefaßt. Und wenn dies bei den Marxisten auch<br />

materialistisch gewendet ist, so daß sie <strong>als</strong> <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>schein einer ganz bestimmten gesellschaftlichen<br />

Situation gelten muß, da [42] die ideologischen Verhältnisse lediglich einen<br />

Überbau über die materiellen bilden, „die sich unabhängig vom Willen und Bewußtsein des<br />

Menschen gestalten und die Form (das Ergebnis) menschlicher, auf den Lebensunterhalt gerichteter<br />

Tätigkeit darstellen“ (<strong>Lenin</strong>) 88 , – so geht doch aus dieser Auffassung ebenso deutlich<br />

hervor, daß bei ihr das geschichtliche Moment ausschlaggebend ist. Auf Grund dieser Einsicht<br />

verstehen wir nun auch – und nur auf Grund von ihr können wir es – warum <strong>Lenin</strong>s Erkenntnistheorie<br />

nicht systematisch ist, und warum die von ihm kritisierten Systeme <strong>der</strong> Mach,<br />

Avenarius usw. nicht systematisch bewertet werden. Für ihn sind diese Systeme eben lediglich<br />

typische Erscheinungsformen des bürgerlichen Geistes, Reflexe einer Geistesverfassung, die<br />

nur auf Grund einer ganz bestimmten Klassenlage und gesellschaftlichen Entwicklung möglich<br />

sind. So bedeuten auch Worte wie „kleinbürgerlich“ und „philiströs“, mit denen die genannten<br />

<strong>Philosoph</strong>en bezeichnet werden, weniger Beschimpfungen, <strong>als</strong> vielmehr Feststellungen<br />

vermittels <strong>der</strong> marxistischen Methode, daß das (in diesem Falle) gesellschaftliche Sein das<br />

Denken bestimme. Genau so wie <strong>der</strong> Kleinbürger kein klares Bewußtsein seiner Lage besitzt,<br />

wie er zwischen Bourgeoisie und Proletariat hin-und herschwankt (vergl. das Thalheimer-Zitat<br />

87 Das Zitat lautet korrekt: „Die Dialektik <strong>als</strong> eine lebendige, vielseitige (wobei die Anzahl <strong>der</strong> Seiten ewig<br />

zunimmt) Erkenntnis mit einer Unzahl von Schattierungen jedes Herangehens, je<strong>der</strong> Annäherung an die Wirklichkeit<br />

(mit einem philosophischen System, das sich aus je<strong>der</strong> Schattierung zu einem Ganzen auswächst) – das ist<br />

<strong>der</strong> Inhalt, unermeßlich reiche im Vergleich zum ‚metaphysischen‘ Materialismus, dessen Hauptübel in <strong>der</strong><br />

Unfähigkeit besteht, die Dialektik auf die Bil<strong>der</strong>theorie, auf den Prozeß und die Entwicklung <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

anzuwenden.“ <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 38, S. 343/344.<br />

88 Das Zitat lautet korrekt: „die sich unabhängig vom Willen und Bewußtsein des Menschen gestalten, <strong>als</strong> die<br />

Form (das Ergebnis) <strong>der</strong> auf den Lebensunterhalt gerichteten Tätigkeit des Menschen.“ <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 1, S.<br />

142/143.

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