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[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 31<br />

Marxismus <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik zu bezichtigen“ (ebenda, S. 53) 65 . Dialektik bedeutet hier<br />

nichts an<strong>der</strong>s, <strong>als</strong> alles nicht <strong>als</strong> etwas Feststehendes son<strong>der</strong>n <strong>als</strong> etwas Werdendes zu verstehen,<br />

etwas nicht <strong>als</strong> gegeben, son<strong>der</strong>n <strong>als</strong> geworden und immer noch weiter werdend anzusehen.<br />

Dialektik in diesem Sinne mit <strong>der</strong> Betonung des dynamischen gegenüber dem („metaphysischen“)<br />

statischen Prinzip ist nichts an<strong>der</strong>es <strong>als</strong> Heraklitismus in mo<strong>der</strong>ner Form und<br />

materialistisch unterbaut. Bezeichnet Plechanow die Dialektik <strong>als</strong> „Logik <strong>der</strong> Bewegung“, so<br />

ist damit das heraklitische L#IO› mªÉ anerkannt, und bezeichnet er sie außerdem noch <strong>als</strong><br />

„Logik des Wi<strong>der</strong>spruchs“, so bedeutet dies die Anerkennung des zweiten Grundsatzes des<br />

alten griechischen <strong>Philosoph</strong>en, daß LnGªHÎÑ L›OàM L#IOtI sei. Denn je<strong>der</strong> Prozeß, jede<br />

Entwicklung geht in Wi<strong>der</strong>sprüchen, in Gegensätzen vor sich. Weil „alles fließt“, muß auch<br />

unser Denken, welches ein Abbilden dieses Prozesses ist, „flüssig“ sein, es muß sich <strong>als</strong>o <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit anpassen. Nur so kann es diese Wirklichkeit in ihr adäquate Begriffe fassen. Denn<br />

für den Marxisten „erklärt sich <strong>der</strong> Gang <strong>der</strong> Ideen aus dem Gang <strong>der</strong> Dinge, die Bewegung<br />

des Denkens aus <strong>der</strong> des Lebens“ (Plechanow) 66 . Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung<br />

und schließlich Begriff sind ja nur Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> objektiven Realität. „Die Welt ist die Bewegung<br />

dieser objektiven Realität, die sich in unserem Bewußtsein wi<strong>der</strong>spiegelt. Der Bewegung<br />

<strong>der</strong> Vorstellungen, Wahrnehmungen usw. entspricht die Bewegung <strong>der</strong> Materie außer mir“<br />

(<strong>Lenin</strong>. M. u. E., S. 269) 67 .<br />

Das Prinzip, alles in steter unaufhörlicher Verän<strong>der</strong>ung zu sehen, muß notwendigerweise zu<br />

einer Ablehnung <strong>der</strong> formalen Logik führen. Ist doch „Verän<strong>der</strong>ung für die Logik im Grunde<br />

nicht faßbar“ (Hans Driesch, Wirklichkeitslehre, S. 92). Sie wird zwar nicht vollkommen<br />

ab-[37]gelehnt, aber ihr Geltungsbereich ist doch nur ein ganz beschränktes, dem das <strong>der</strong><br />

Dialektik übergeordnet ist. So hat <strong>der</strong> Satz <strong>der</strong> Identität nur eine „begrenzte Bedeutung“. „Er<br />

gilt für bestimmte‚ begrenzte Zeiträume, und er gilt auch nur in <strong>der</strong> Abstraktion, d. h. wenn ich<br />

bei einem Ding von seiner Verän<strong>der</strong>ung absehe und es für eine Zeit <strong>als</strong> gleichbleibend betrachte,<br />

wenn ich das mit dieser Einschränkung mache, daß dieses Ding für eine bestimmte Zeit<br />

gleichbleibend, unverän<strong>der</strong>lich ist, dann kann ich so operieren, ohne große Fehler zu begehen“<br />

(August Thalheimer, Einführung in den dialektischen Materialismus, S. 60). „Die formale<br />

Logik betrachtet alle Dinge <strong>als</strong> unbewegt und unverän<strong>der</strong>lich und alle voneinan<strong>der</strong> getrennt,<br />

isoliert, für sich. Die Dialektik ist eine höhere Form des Denkens, da sie die Dinge nicht nur<br />

betrachtet, wie sie in <strong>der</strong> Ruhe sind, son<strong>der</strong>n sie betrachtet sie auch in ihrer Bewegung und in<br />

ihrem Zusammenhang“ (ebenda, S. 64). „Die Verbindungen, die wir Gegenstände nennen, sind<br />

in ständiger mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> rascher Verän<strong>der</strong>ung begriffen. Sofern diese bestimmten Verbindungen<br />

diese bestimmten Verbindungen bleiben, muß unsere Aussage über sie notwendig<br />

<strong>der</strong> Formel ‚ja, ja und nein, nein‘ entsprechen. Soweit sie sich verän<strong>der</strong>n und <strong>als</strong> solche zu<br />

existieren aufhören, sind wir gezwungen, an die Logik des Wi<strong>der</strong>spruchs zu appellieren“<br />

(Plechanow, Grundprobleme des Marxismus, S. 125) 68 . Und <strong>Lenin</strong> schreibt in dem Aufsatz<br />

„Zur Frage <strong>der</strong> Dialektik“ den Satz nie<strong>der</strong>: „Entwicklung ist ‚Kampf‘ <strong>der</strong> Gegensätze“, was im<br />

Grunde nichts an<strong>der</strong>es ist <strong>als</strong> eine freie Übersetzung des heraklitischen LnGªHÎÑ L›OàM<br />

L#IOtI. Das Werden, die Entwicklung ist das einzig „Ewige“. Nur „die Einheit <strong>der</strong> Gegensätze<br />

ist bedingt, temporär, vergehend, relativ“ 69 (<strong>Lenin</strong>, M. u. E., Zur Frage <strong>der</strong> Dialektik, S.<br />

65 Das Zitat lautet korrekt: „die dem Marxismus Hegelsche Dialektik vorwirft“. Ebenda, S. 156.<br />

66 G. W. Plechanow: Grundprobleme des Marxismus, Dietz Verlag Berlin 1958, S. 127.<br />

67 Das Zitat lautet korrekt: „Die Welt ist Bewegung dieser von unserem Bewußtsein wi<strong>der</strong>gespiegelten objektiven<br />

Realität. Der Bewegung <strong>der</strong> Vorstellungen, Wahrnehmungen usw. entspricht die Bewegung <strong>der</strong> Materie außer<br />

mir.“ <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 14, S. 267.<br />

68 G. W. Plechanow, a. a. O., S. 124.<br />

69 Das Zitat lautet korrekt: „Die Einheit (Kongruenz, Identität, Wirkungsgleichheit) <strong>der</strong> Gegensätze ist bedingt,<br />

zeitweilig, vergänglich, relativ.“ <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 38, S. 339.

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