[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...
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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 3<br />
[7]<br />
Einleitung<br />
1. Vorbemerkung.<br />
Die Aufgabe dieser Arbeit ist die umfassende Darstellung <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie <strong>Lenin</strong>s. Es soll dabei<br />
unter Darstellung nicht nur die Neuformulierung und Neuordnung <strong>der</strong> verschiedenen <strong>Lenin</strong>schen<br />
Gedankengänge verstanden werden, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Vater dieser Ausführungen ist <strong>der</strong><br />
Wunsch, die unsystematischen, oft nur angedeuteten Meinungen unseres Autors, seine stillschweigenden<br />
Voraussetzungen, seine unausgesprochene Grundhaltung in die Betrachtung mit<br />
einzubeziehen, um zu einem einigermaßen eindringlichen und klaren Bild zu gelangen. Dem<br />
Charakter dieser <strong>Philosoph</strong>ie und ihres Schöpfers entspricht es dabei durchaus, wenn die Basis<br />
unserer Ausführungen <strong>der</strong>art erweitert wird, daß überall die Stammväter <strong>der</strong> Lehre <strong>Lenin</strong>s mit<br />
zur Untersuchung herangezogen werden. Vor allem aber ist es notwendig, immer wie<strong>der</strong><br />
aufzuzeigen, daß die <strong>Philosoph</strong>ie nur ein verschwindend kleines Gebiet war, auf dem sich<br />
dieser Mann betätigte, und daß man ihrem spezifischen Wesen nur dann einigermaßen gerecht<br />
werden kann, wenn man auch die übrige Leistung mit zur Untersuchung heranzieht o<strong>der</strong> sie<br />
wenigstens überall anklingen läßt. Dies ist umso weniger vermeidbar, <strong>als</strong> die universalistische<br />
Natur des Marxismus, dessen Vertreter <strong>Lenin</strong> in einer ganz bestimmten Epoche <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Entwicklung ist, völlig mißverstanden und <strong>als</strong> Zerrbild erscheinen würde, wollte<br />
man einzelne seiner Glie<strong>der</strong> vom Ganzen loslösen und geson<strong>der</strong>t unter die kritische Lupe<br />
nehmen.<br />
Es soll <strong>als</strong>o eine Darstellung <strong>der</strong> <strong>Lenin</strong>schen <strong>Philosoph</strong>ie unter dem Aspekt <strong>der</strong> Gesamtpersönlichkeit,<br />
<strong>der</strong> ganzen marxistischen Weltanschauung und schließlich <strong>der</strong> Zeit gegeben<br />
werden, die sie hervorgebracht hat. Auf eine Kritik soll im wesentlichen verzichtet werden,<br />
und zwar aus folgenden Gründen. Wollte man vom Standpunkt <strong>der</strong> heutigen offiziellen philosophischen<br />
Forschung kritisieren, so sähe man sich in die Lage versetzt, offene Türen einzurennen,<br />
da <strong>Lenin</strong> selbst nie und nimmer den Anspruch darauf erhebt, ein Mitarbeiter an und<br />
innerhalb jener Wissenschaft zu sein, die <strong>Philosoph</strong>ie heißt, da er von dieser Wissenschaft<br />
vielmehr einen ganz an<strong>der</strong>en <strong>als</strong> den üblichen Begriff hat. Eine solche Kritik wäre genau so<br />
absurd wie die eines christlichen Theologen, <strong>der</strong> dem Buddhisten vorwirft, er wäre ja gar nicht<br />
religiös, denn er glaube nicht an die heilige Dreieinigkeit. Die Voraussetzungen sind ja ganz<br />
an<strong>der</strong>e. Man kann diese Voraussetzungen, die zum großen Teil vielleicht sogar unbewußter<br />
Natur sind, sehr wohl befehden, kann gegen sie auf Grund einer an<strong>der</strong>en Einstellung polemisieren,<br />
man kann sie aber nicht eigentlich logisch wi<strong>der</strong>legen. Es befindet sich schließlich in<br />
je<strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie ein mehr o<strong>der</strong> weniger großer irrationaler Rest.<br />
Auf eine Kritik soll aber auch deshalb verzichtet werden, weil <strong>der</strong> dialektische Materialismus,<br />
<strong>der</strong> Marxismus, ungebrochen und von je<strong>der</strong> Kritik unberührt dasteht, obwohl er nun schon seit<br />
über siebzig Jahren heftig kritisiert, <strong>als</strong> dogmatisch, unwissenschaftlich, primitiv und <strong>der</strong>gleichen<br />
mehr bezeichnet wird. Die Tatsache seiner bedeutsamen Existenz [8] trotz <strong>der</strong> heftigsten<br />
Polemik und <strong>der</strong> scharfsinnigsten Kritik sollte doch nachdenklich stimmen und die<br />
Erkenntnis vermitteln, daß die Kritik deshalb unfruchtbar war, weil sie leerlief, weil sie, von<br />
ganz an<strong>der</strong>en Voraussetzungen ausgehend, an diesem System nie einen Ansatzpunkt fand, von<br />
dem aus man es wirklich und entscheidend hätte aus dem Sattel heben können. Wollte ich die<br />
philosophischen Anschauungen <strong>Lenin</strong>s von irgendeinem an<strong>der</strong>sgearteten Standpunkt aus, den<br />
ich den meinigen nenne, beurteilen, er möge nun phänomenologisch o<strong>der</strong> auf dem Boden des<br />
Neukanti[ani]smus erwachsen sein, so würde wohl im wesentlichen nichts an<strong>der</strong>es herauskommen<br />
<strong>als</strong> eine Übersetzung <strong>der</strong> Gedankengänge des Kritisierten in eine an<strong>der</strong>e – meine –<br />
Terminologie. Dieser Versuch ist mit <strong>Lenin</strong> übrigens schon gemacht worden. Es ist aber unseres<br />
Erachtens durchaus überflüssig, wie es Paul Eppstein in seiner sonst überaus scharfsin-