18.09.2015 Views

[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 29<br />

wesentlich an<strong>der</strong>sgearteten Charakters z. B. <strong>der</strong> chinesischen o<strong>der</strong> indischen und <strong>der</strong> abendländischen<br />

<strong>Philosoph</strong>ie, diese einmal <strong>als</strong> Einheit genommen, dürfte doch nicht damit seine<br />

endgültige Erklärung finden, daß man sagt. wir wären eben „fortschrittlicher“. Dies wäre<br />

plattester und naivster Fortschrittsglaube. Die An<strong>der</strong>sgeartetheit jener orientalischen <strong>Philosoph</strong>ien<br />

dürfte vielmehr in einer ganz an<strong>der</strong>en „Werthaltung“, in einem ganz an<strong>der</strong>en<br />

„Grun<strong>der</strong>lebnis“ (religiöser Natur) zu suchen sein, aus dem heraus dann die philosophischen<br />

Systeme erwuchsen 60 .<br />

Man kann für das Verhältnis <strong>der</strong> wissenschaftlichen Ideologie zur objektiven Wirklichkeit ein<br />

gutes Beispiel bringen, wenn man unter Abbild Spiegelbild o<strong>der</strong> etwa (wie es <strong>Lenin</strong> durchaus<br />

tut) Photographie versteht. Das Bild, welches uns <strong>der</strong> photographische Apparat o<strong>der</strong> aber ein<br />

Spiegel von irgendeinem Objekt liefert, wird umso besser, deutlicher und <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

umso angenäherter sein, je vollkommener die Konstruktion <strong>der</strong> Photoapparatur o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Schliff <strong>der</strong> Spiegelscheibe ist. Beides aber ist abhängig vom technischen Fortschritt und damit<br />

von <strong>der</strong> Entwicklung des menschlichen Denkens. Eine Daguerreotypie. das Produkt eines noch<br />

nicht sehr fortgeschrittenen technischen Denkens, vermag ein Objekt bei weitem nicht so<br />

„richtig“ wie<strong>der</strong>zugeben wie eine mo<strong>der</strong>ne Reproduktion vermittels eines technisch einwandfreieren<br />

Apparates; und auch bei diesem sind je nach <strong>der</strong> Qualität große Unterschiede<br />

vorhanden, ganz abgesehen davon, daß man auch von <strong>der</strong> heutigen Phototechnik noch eine<br />

Weiterentwicklung annehmen darf. Genauso verhält es sich mit unserem Erkenntnisvermögen.<br />

Auch dieses ist in einer steten Höherentwicklung begriffen, [35] und die relative Richtigkeit<br />

des Abbildes, <strong>der</strong> „Kopie“ von <strong>der</strong> objektiven Wirklichkeit ist aus dem Stande dieser Entwicklung<br />

zu verstehen. „Wahrheit, das heißt ... Entsprechung von Subjekt und Objekt:<br />

‚adaequatio intellectus et rei‘ [Übereinstimmung <strong>der</strong> Sache mit dem Verstand]. Ob ich diese<br />

Entsprechung naiv glaube o<strong>der</strong> durch Identität begründe, ob ich das Objekt <strong>als</strong> Sein im Bilde<br />

habe o<strong>der</strong> im Bewußtsein <strong>als</strong> Gebilde schaffe, entscheidend ist das Verhalten des Innen- o<strong>der</strong><br />

Außenstehens. Im Bewußtsein bleiben heißt den Geist <strong>als</strong> Prinzip und Ursache annehmen,<br />

wobei doch, wie zwischen Gott und Mensch, so zwischen Idee und Wirklichkeit wenigstens im<br />

Ursprung eine Beziehung bestehen muß; des Seins bewußt werden heißt Geist <strong>als</strong> Reflex und<br />

Antwort verstehen, indem <strong>der</strong> Mensch in seiner Geschichte die Beziehung herstellt. Wenn<br />

diese Beziehung Entsprechung ist, haben wir die Wahrheit. Da wir uns aber von bestimmten<br />

Stellungen aus beziehen, kann die Wahrheit nicht erscheinen, son<strong>der</strong>n nur durchscheinen durch<br />

die geschichtlichen Verhüllungen und die menschlichen Täuschungen“ (Salomon, Historischer<br />

Materialismus und Ideologienlehre, S. 421).<br />

Viertes Kapitel<br />

Die Dialektik bei <strong>Lenin</strong>.<br />

Daran, daß diese <strong>Philosoph</strong>ie den konsequentesten Materialismus darstellt, den man sich<br />

denken kann, ist nicht zu zweifeln. Es fragt sich nur, ob damit schon genug gesagt ist. <strong>Lenin</strong><br />

selbst und je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e orthodoxe Marxist würde darauf antworten, daß dies durchaus nicht <strong>der</strong><br />

Fall sei. Denn immer und immer wie<strong>der</strong> wird in seinen Schriften von <strong>der</strong> Art von Materialismus<br />

Abstand genommen, wie er eine Zeit lang im XIX. Jahrhun<strong>der</strong>t herrschend war. Der<br />

60 Auf die materielle Grundlage und Ursache dieser Werthaltung kann nicht näher eingegangen werden. obwohl<br />

gerade die Deutung und Analyse dieser Sphäre für den Marxismus sehr wichtig ist. Es sei nur angedeutet, daß<br />

nach dieser Auffassung <strong>der</strong> Unterschied zwischen unserer und <strong>der</strong> chinesischen Werthaltung schon dadurch mit<br />

erklärt ist, daß die alte Religion in China „naturgemäß eine Religion von Ackerbauern ist, wo die Naturkräfte, die<br />

am wichtigsten sind für den Ackerbauer, wie <strong>der</strong> Regen, <strong>der</strong> Himmel. die Gestirne usw. ... eine ausschlaggebende<br />

Rolle in <strong>der</strong> religiösen Vorstellung spielen“ (A. Thalheimer, Einführung in den dialektischen Materialismus, S.<br />

18).

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!