[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...
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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 27<br />
nistheoretiker von „metaphysischen“ Materialisten wie Büchner, Vogt und Moleschott und den<br />
älteren Franzosen scheidet. Es gibt nach <strong>Lenin</strong> keinen abstrakten Wahrheitsbegriff (man muß,<br />
so sagt er, „das abgeschmackte Spiel mit dem Wort ‚ewige Wahrheit‘ lassen“ 54 ), son<strong>der</strong>n es<br />
gibt zwei Wahrheitsbegriffe: eine absolute und eine relative Wahrheit. Das Verhältnis bei<strong>der</strong><br />
zueinan<strong>der</strong> muß dialektisch gelöst werden. Es besteht darin, daß sich die absolute Wahrheit aus<br />
den relativen Wahrheiten zusammensetzt. Denn: „[D]ie Souveränität des Denkens verwirklicht<br />
sich in einer Reihe höchst unsouverän denken<strong>der</strong> Menschen; die Erkenntnis, welche unbedingten<br />
Anspruch auf Wahrheit hat, in einer Reihe von relativen Irrtümern; we<strong>der</strong> die eine<br />
noch die an<strong>der</strong>e kann an<strong>der</strong>s <strong>als</strong> durch eine unendliche Lebensdauer <strong>der</strong> Menschheit vollständig<br />
verwirklicht werden.<br />
Wir haben hier wie<strong>der</strong> denselben Wi<strong>der</strong>spruch wie schon oben, zwischen dem absolut vorgestellten<br />
Charakter des menschlichen Denkens, und seiner Realität in lauter beschränkt denkenden<br />
Einzelmenschen, ein Wi<strong>der</strong>spruch, <strong>der</strong> sich nur im unendlichen Progreß, in <strong>der</strong> uns<br />
wenigstens praktisch endlosen Aufeinan<strong>der</strong>folge <strong>der</strong> Menschengeschlechter lösen kann. In<br />
diesem Sinn ist das menschliche Denken ebensosehr souverän wie nicht souverän und seine<br />
Erkenntnisfähigkeit ebensosehr unbeschränkt wie beschränkt. Souverän und unbeschränkt <strong>der</strong><br />
Anlage, dem Beruf, <strong>der</strong> Möglichkeit, dem geschichtlichen Endziel nach; nicht souverän und<br />
beschränkt <strong>der</strong> Einzelausführung und <strong>der</strong> jedesmaligen Wirklichkeit nach“ (Friedrich Engels,<br />
Herrn Engen Dührings Umwälzung <strong>der</strong> Wissenschaft, S. 80 f.) 55 .<br />
Wenn man sich über diese etwas schwierigen Gedankengänge klar werden will, muß man<br />
versuchen, den in ihnen enthaltenen Wahrheitsbegriff aufzusuchen. Wahr ist für den dialektischen<br />
Materialisten alles, was wirklich ist. Wahrheit und Wirklichkeit sind identisch; und zwar<br />
ist diese hier mit <strong>der</strong> Wirklichkeit gleichgesetzte Wahrheit mit dem Attribut „objektiv“ ausgestattet.<br />
Die verschiedenen wissenschaftlichen Theorien sind [33] Abbil<strong>der</strong> dieser (objektiven)<br />
Wahrheit o<strong>der</strong> Wirklichkeit. Diese wissenschaftlichen Theorien in ihrer Gesamtheit samt<br />
allen in aller Zukunft überhaupt noch möglichen fallen unter den Begriff <strong>der</strong> „absoluten“<br />
Wahrheit. Aber diese absolute Wahrheit <strong>als</strong> vollkommene Identität von Denken und Sein, <strong>als</strong><br />
Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein, ist nur <strong>als</strong> Möglichkeit und <strong>als</strong> letztes, unerreichbares<br />
Endziel denkbar. In Wirklichkeit gibt es nur relative Wahrheiten. Die verschiedenen<br />
wissenschaftlichen Theorien können von <strong>der</strong> objektiven Wahrheit o<strong>der</strong> Wirklichkeit nur ein<br />
re1ativ richtiges Bild geben, weil unsere Erkenntnis selbst noch in Entwicklung begriffen ist<br />
und weil wir von <strong>der</strong> Wirklichkeit fortwährend neue Seiten entdecken. Jede wissenschaftliche<br />
Theorie ist <strong>als</strong>o nur eine Annäherung an die absolute Wahrheit, weil die Übereinstimmung<br />
unseres Denkens mit <strong>der</strong> Wirklichkeit nicht vollkommen ist, son<strong>der</strong>n weil sie durch unser<br />
Denken nur angenähert, <strong>als</strong>o relativ richtig wie<strong>der</strong>gegeben werden kann. <strong>Lenin</strong> sagt: „... Das<br />
menschliche Denken ist seiner Anlage nach fähig, uns die absolute Wahrheit, die eine Summe<br />
von relativen Wahrheiten ist 56* , zu geben, und gibt sie uns auch. Jede Stufe in <strong>der</strong> Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Wissenschaft fügt dieser Summe <strong>der</strong> absoluten Wahrheit neue Körnchen hinzu; die<br />
Schranken <strong>der</strong> Wahrheit jedes wissenschaftlichen Satzes aber sind relativ und werden durch<br />
die weitere Zunahme des Wissens entwe<strong>der</strong> enger o<strong>der</strong> weiter gezogen“ (<strong>Lenin</strong>, M. u. E., S.<br />
123) 57 . Mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Wissenschaften, <strong>als</strong>o mit <strong>der</strong> Höherentwicklung unseres<br />
54 Das Zitat lautet korrekt: „das abgeschmackte Spiel mit dem Wort: ewige Wahrheit aufgeben“. Ebenda.<br />
55 Marx/Engels: Werke, Band 20, S. 80/81.<br />
56* Der Denkprozeß <strong>als</strong> solcher ist „absolut“ und gehört <strong>als</strong>o <strong>der</strong> „absoluten Wahrheit“ an. Nur seine Nie<strong>der</strong>schläge<br />
<strong>als</strong> wissenschaftliche Gesetze usw. sind relativ.<br />
57 Das Zitat lautet korrekt: „Das menschliche Denken ist <strong>als</strong>o seiner Natur nach fähig, uns die absolute Wahrheit,<br />
die sich aus <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> relativen Wahrheiten zusammensetzt, zu vermitteln, und es tut dies auch. Jede Stufe in<br />
<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Wissenschaft fügt dieser Summe <strong>der</strong> absoluten Wahrheit neue Körnchen hinzu; aber die<br />
Grenzen <strong>der</strong> Wahrheit jedes wissenschaftlichen Satzes sind relativ und können durch die weitere Entwicklung des<br />
Wissens entwe<strong>der</strong> weiter o<strong>der</strong> enger gezogen werden.“ <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 14, S. 129.