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[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...

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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 17<br />

verschiedenen idealistischen Systeme an<strong>der</strong>s zu bezeichnen, etwa nur <strong>als</strong> das, was sie selbst<br />

sein wollen (Neukantianismus, Empiriokritizismus, Immanenzphilosophie, Phänomenologie<br />

usw.) wäre schon ein terminologisches Zugeständnis an den Gegner und könnte im Proletariat<br />

Verwirrung anstiften. Es ist <strong>als</strong>o wie<strong>der</strong> das politische Klasseninteresse, das <strong>Lenin</strong> zur strikten<br />

Zweiteilung <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie in Materialismus und Idealismus zwingt.<br />

Zweites Kapitel<br />

Materialistische Erkenntnistheorie und „Naiver Realismus“.<br />

Die Erkenntnistheorie, welche <strong>Lenin</strong> in seinem Werke „Materialismus und Empiriokritizismus“<br />

in Kritik und Polemik gegen Mach, Avenarius und verwandte Denker entwickelt, ist<br />

ihrem Wesen nach naiv-realistisch, d. h. sie geht über die Auffassung des alltäglichen, im<br />

praktischen Leben stehenden und praktisch handelnden Menschen nicht hinaus. <strong>Lenin</strong> setzt<br />

ohne jedes kritische Bedenken die Existenz <strong>der</strong> Außenwelt außerhalb unseres Bewußtseins und<br />

unabhängig von unserem Bewußtsein voraus, womit er das ausspricht, was je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong><br />

noch nicht begonnen hat, über die Erkenntnis zu reflektieren. unbewußt annimmt. Dabei ist zu<br />

betonen, daß hier unter ‚.naivem“ Realismus nicht jener Realismus verstanden werden darf, <strong>der</strong><br />

künstlich hergestellt, rekonstruiert ist. <strong>der</strong> vielleicht gar selbst erst <strong>als</strong> ein Postulat des denkenden-reflektierenden<br />

Menschengeistes gelten muß, des Menschengeistes <strong>als</strong>o, <strong>der</strong> die Periode<br />

<strong>der</strong> „Naivität“ bereits hinter sich hat. Wundt weist einmal darauf hin (Kleine Schriften,<br />

Über naiven und kritischen Realismus, S. 265). daß die For<strong>der</strong>ung gewisser mo<strong>der</strong>ner Denker.<br />

auf die Stufe des ursprünglichen Erkennens zurückzugehen, welche durch keinerlei Reflexion<br />

getrübt ist, doch nur einen naiven Realismus zur Folge haben kann. <strong>der</strong> vom denkenden Bewußtsein<br />

absichtlich wie<strong>der</strong>hergestellt wird und deshalb eben nicht mehr „naiv“ ist, und <strong>der</strong><br />

mithin auch nicht mehr die Voraussetzungslosigkeit enthält, zwecks <strong>der</strong>er er überhaupt erst<br />

angestrebt wurde. Am deutlichsten zeigt sich dies bei einem Denker wie Wilhelm Schuppe, <strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie von Richard Avenarius eine Bestätigung des naiven Realismus erblickt und<br />

dabei übersieht, daß die schwierigen abstrakten Manipulationen dieses <strong>Philosoph</strong>en zum<br />

Zwecke <strong>der</strong> Bestätigung des „naiven“ Realismus alles an<strong>der</strong>e [23] <strong>als</strong> naiv sind. „Die <strong>Philosoph</strong>en,<br />

die ihren eigenen Standpunkt ganz und gar <strong>als</strong> den des naiven Realismus bezeichnen,<br />

operieren nicht am wenigsten mit logischen Abstraktionen und Reflexionen. Man hält für naiv,<br />

was am weitesten entfernt ist es zu sein. So kann es kommen, daß <strong>der</strong> angebliche naive Realismus<br />

in die reinste Begriffsdialektik umspringt, o<strong>der</strong> daß gar diese von vornherein sich für<br />

jenen ausgibt. Nichts ist ja leichter <strong>als</strong> ursprüngliche Naivität, nichts schwerer <strong>als</strong> aus dem<br />

Zustand einer von Reflexion und Kritik überladenen Kultur wie<strong>der</strong> in einen davon völlig freien<br />

Naturzustand sich hineinzudenken“ (W. Wundt, Kleine Schriften, Über naiven und kritischen<br />

Realismus, S. 265).<br />

<strong>Lenin</strong> nun ist, im Gegensatz zu den Empiriokritizisten, wirklich naiver Realist. Die Empiriokritizisten<br />

machen durchaus kantisch einen deutlichen Unterschied zwischen Erscheinung und<br />

Dine an sich, wobei das Ding an sich <strong>als</strong> völlig unerkennbar, mehr noch, <strong>als</strong> völlig nutzlos und<br />

daher einer Behandlung nicht wert völlig unter den Tisch fällt. Der letzte Erkenntnisgegenstand<br />

ist die Erscheinung, welche auf Grund ihrer Unauflösbarkeit und Letztheit „Element“<br />

genannt wird. Ohne Zweifel ist diese Setzung <strong>der</strong> Erscheinungen, die durchaus ichbezogen<br />

sind, in Koordination mit dem Ich stehen und nur in Koordination mit ihm „wirklich“ sind,<br />

alles an<strong>der</strong>e <strong>als</strong> naiv-realistisch. Dieser Standpunkt ist im Gegenteil schon sehr stark mit Reflexion<br />

gesättigt, ist das Produkt einer sehr kritischen Überlegung und wohl vor allem ohne die<br />

Erkenntnis <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie nicht denkbar. Hier erweist sich wie<strong>der</strong> einmal die<br />

Richtigkeit des Wortes, daß die Voraussetzungslosigkeit einer <strong>Philosoph</strong>ie schon deshalb<br />

fragwürdig ist, weil man sie in den historischen Werdegang <strong>der</strong> gesamten Wissenschaft ein-

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