[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...
[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...
[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 15<br />
die die philosophischen Richtungen scheidet, besteht nicht darin, welchen Grad von Genauigkeit<br />
unsere Beschreibungen <strong>der</strong> kausalen Zusammenhänge erreicht haben und ob diese Angaben<br />
in einer exakten mathematischen Formel ausdrückbar sind, son<strong>der</strong>n darin, ob die Quelle<br />
unserer Erkenntnis dieser Zusammenhänge eine objektive Gesetzmäßigkeit <strong>der</strong> Natur ist, o<strong>der</strong><br />
die Beschaffenheit unseres Geistes, das diesem eignende Vermögen, bestimmte apriorische<br />
Wahrheiten zu erkennen usw.“ (<strong>Lenin</strong>, M. u. E., S. 150) 24 .<br />
Das unerbittliche Denken <strong>Lenin</strong>s, das keine eklektischen Halbheiten duldet, ordnet jedes philosophische<br />
System in dieses Schema Materialismus-Idealismus ein, wodurch die gesamte<br />
vorliegende Problematik „denk-ökonomisch“ ungeheuer vereinfacht wird. Damit folgt er<br />
seinem Lehrer Engels, <strong>der</strong> diese Scheidung in seinem „Ludwig Feuerbach und <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong><br />
klassischen deutschen <strong>Philosoph</strong>ie“ streng vornahm. Über ihn hinaus geht sie aber auf Fichte<br />
zurück, dem ein ähnlich rigoroses Vorgehen eigen ist, und <strong>der</strong> mit Hegel zusammen von <strong>Lenin</strong><br />
vor allem deswegen geschätzt wird, weil sein Idealismus den Vorzug <strong>der</strong> äußersten Folgerichtigkeit<br />
besitzt. Fichte stellt in <strong>der</strong> „Wissenschaftslehre“ die Frage nach dem Grunde <strong>der</strong><br />
Erfahrung, die für ihn das System <strong>der</strong> mit dem Gefühl <strong>der</strong> Notwendigkeit auftretenden Vorstellungen<br />
ist. Diese Frage ist nur auf zweierlei Arten zu lösen, materialistisch o<strong>der</strong> idealistisch;<br />
d. h., die Erfahrung ist nur abzuleiten von den Dingen o<strong>der</strong> vom Bewußtsein. In dem<br />
einen Fall ist das Bewußtsein das Produkt <strong>der</strong> Dinge, im umgekehrten Fall sind die Dinge<br />
Erzeugnisse des Bewußtseins. Je<strong>der</strong> Eklektizismus o<strong>der</strong> wie Fichte sagt „Synkretismus“ ist<br />
inkonsequent und führt daher zu keiner befriedigenden Lösung.<br />
<strong>Lenin</strong>s ganze Polemik gegen Mach, Avenarius und <strong>der</strong>en Anhänger beruht im Grunde nur<br />
darauf, in ihnen idealistische Momente aufzuzeigen, um damit ihren Klassencharakter zu<br />
erweisen und damit ihre Schädlichkeit für das Proletariat. Handelt es sich doch bei allen idealistischen<br />
<strong>Philosoph</strong>ien um Systeme, die an den bürgerlichen Hochschulen gelehrt werden und<br />
<strong>der</strong>en Verfasser immer wie<strong>der</strong> ihre Abneigung gegen jeden Materialismus betonen. „Wer ein<br />
wenig mit <strong>der</strong> philosophischen Literatur vertraut ist, wird wissen, daß es kaum einen mo<strong>der</strong>nen<br />
Professor <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie (und auch <strong>der</strong> Theologie) geben dürfte, <strong>der</strong> sich nicht direkt o<strong>der</strong><br />
indirekt mit <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>legung des Materialismus befaßt hätte. Hun<strong>der</strong>tmal, tausendmal wurde<br />
verkündet, daß <strong>der</strong> Materialismus wi<strong>der</strong>legt sei, und bis heute fährt man fort, ihn zum hun<strong>der</strong>tun<strong>der</strong>sten<br />
o<strong>der</strong> tausendun<strong>der</strong>sten Male zu wi<strong>der</strong>legen“, so leitet <strong>Lenin</strong> sein philosophisches<br />
Werk ein (<strong>Lenin</strong>, M. u. E., S. 3) 25 .<br />
Aus <strong>der</strong> Beschränkung <strong>der</strong> <strong>Lenin</strong>schen <strong>Philosoph</strong>ie auf ein paar wenige einzelne Probleme, wie<br />
vor allem auf das des Verhältnisses von Denken und Sein, spricht deutlich die Einstellung<br />
<strong>Lenin</strong>s zu aller reinen Theorie. [21] Diese Einstellung und Werthaltung ist negativ, weil sie<br />
dem Interesse des Proletariats nicht entspricht. Für die proletarische Klasse genügt zur<br />
Kennzeichnung des Sachverhalts die Zweiteilung in Materialismus und Idealismus. Jede<br />
verwickeltere Terminologie könnte nur verwirren. Die marxistische Weltanschauung und auch<br />
die marxistische Erkenntnistheorie will aber dem Proletariat Aufklärung vermitteln, sie will<br />
24 Das Zitat lautet korrekt: „Die wirklich wichtige erkenntnistheoretische Frage, die die philosophischen Richtungen<br />
scheidet, besteht nicht darin, welchen Grad von Genauigkeit unsere Beschreibungen <strong>der</strong> kausalen Zusammenhänge<br />
erreicht haben und ob diese Angaben in einer exakten mathematischen Formel ausgedrückt werden<br />
können, son<strong>der</strong>n darin, ob die objektive Gesetzmäßigkeit <strong>der</strong> Natur o<strong>der</strong> aber die Beschaffenheit unseres Geistes,<br />
das diesem eigene Vermögen, bestimmte apriorische Wahrheiten zu erkennen usw.“. <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 14, S.<br />
155; Hervorhebung von Hans Horn.<br />
25 Das Zitat lautet korrekt: „Wer einigermaßen mit <strong>der</strong> philosophischen Literatur vertraut ist, muß wissen, daß es<br />
heutzutage kaum einen Professor <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie (wie auch <strong>der</strong> Theologie) geben dürfte, <strong>der</strong> sich nicht direkt o<strong>der</strong><br />
indirekt mit <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>legung des Materialismus befaßt. Hun<strong>der</strong>te und Tausende Male wurde verkündet, daß <strong>der</strong><br />
Materialismus wi<strong>der</strong>legt sei, und bis zum heutigen Tag fährt man fort, ihn zum hun<strong>der</strong>tun<strong>der</strong>sten o<strong>der</strong> zum tausendun<strong>der</strong>sten<br />
Male zu wi<strong>der</strong>legen.“ <strong>Lenin</strong>: Werke, Band 14, S. 12.