[1] Lenin als Philosoph Inaugural-Dissertation Genehmigt Von der ...
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OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 11<br />
den philosophischen Argumenten, mit denen <strong>Lenin</strong> dort die verschiedenen idealistischen<br />
Tendenzen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen bürgerlichen <strong>Philosoph</strong>ie, die <strong>als</strong> Kantianismus auf die revisionistische,<br />
<strong>als</strong> machistischer ‚Empiriokritizismus‘ auf die zentristische Richtung <strong>der</strong> damaligen<br />
sozialistischen [16] Bewegung Einfluß gewonnen hatten, theoretisch bekämpft und ‚wi<strong>der</strong>legt‘<br />
hat, son<strong>der</strong>n vielmehr in <strong>der</strong> äußersten Konsequenz, mit <strong>der</strong> er diese zeitgenössischen philosophischen<br />
Tendenzen <strong>als</strong> parteimäßig f<strong>als</strong>che Ideologie praktisch bekämpft und zu zerstören<br />
versucht hat“ (Korsch, Marxismus und <strong>Philosoph</strong>ie, S. 27) 18 .<br />
2. Klassenbedingtheit <strong>der</strong> Erkenntnis.<br />
<strong>Lenin</strong> nimmt <strong>als</strong>o eine Bedingtheit des menschlichen Denkens und <strong>der</strong> Erkenntnis an, schon<br />
deshalb, weil es aus <strong>der</strong> Praxis geboren wird und ohne praktische Motive nicht möglich wäre.<br />
Diese Auffassung haben auch manche an<strong>der</strong>e, bürgerliche <strong>Philosoph</strong>en, so z. B. Wilhelm<br />
Wundt. In seiner „Einleitung in die <strong>Philosoph</strong>ie“ sagt er, es gäbe drei Grundprobleme <strong>der</strong><br />
<strong>Philosoph</strong>ie: Das Erkenntnisproblem, das metaphysische Problem und das ethische Problem.<br />
Unter ihnen nimmt seiner Auffassung nach das metaphysische Problem die zentrale Stellung<br />
ein, denn die Metaphysik setzt die beiden Seiten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n zwei Probleme. den Menschen <strong>als</strong><br />
erkennendes und <strong>als</strong> handelndes Wesen, zu einan<strong>der</strong> in Beziehung „da die allgemeine Weltanschauung,<br />
<strong>der</strong> sie zustrebt, gleichzeitig von theoretischen wie von praktischen For<strong>der</strong>ungen<br />
bestimmt wird“ (Wundt, Einleitung in die <strong>Philosoph</strong>ie, S. 257).<br />
Man könnte nun fragen, ob diese „allgemeine Weltanschauung“ nicht so sehr das Ziel, <strong>als</strong><br />
vielmehr schon <strong>der</strong> Ausgangspunkt unseres Denkens ist. Die Tatsache, daß wir nicht unverbildet,<br />
nicht <strong>als</strong> „tabula rasa“, <strong>als</strong>o nicht vollständig vorurteilslos uns zu reflektierendem<br />
Denken zu erheben vermögen, läßt diese Annahme <strong>als</strong> durchaus nicht unbegründet zu. Denn<br />
wir alle haben von den ersten Tagen <strong>der</strong> Kindheit an eine ganz bestimmte Erziehung durchgemacht,<br />
die unser Denken in eine ganz bestimmte, mit ganz bestimmten „Vor-Urteilen“ erfüllte<br />
Richtung lenkte. Diese Beeinflussung ist vielleicht umso folgenreicher, <strong>als</strong> sie unbewußt,<br />
gleichsam „selbstverständlich“ geschieht. Das bedeutet aber, daß wir, wenn auch nicht eine<br />
ganze Weltanschauung, so doch Keime zu ihr in uns tragen, bevor wir überhaupt beginnen,<br />
„von uns aus“ eine Weltanschauung aufzubauen. Wer die leichte Beeinflußbarkeit und Aufnahmefähigkeit<br />
des kindlichen und jugendlichen Gemütes kennt, wird nicht leugnen können,<br />
daß sich manche vielleicht sogar entscheidende Momente dieser „vorbewußten“ Weltanschauung<br />
in die hinüberretten mögen, welche wir <strong>als</strong> reife Menschen angeblich auf Grund<br />
vorurteilslosen Denkens aus uns selbst gestalten. Damit ist aber bereits zugegeben, daß die<br />
Voraussetzungslosigkeit unseres Denkens etwas sehr Fragwürdiges ist.<br />
Daraus, daß unser Bewußtsein, bevor es selbsttätig zu denken beginnt, durch die Art seiner<br />
Ausbildung auf Bahnen gelenkt wurde, welche es nicht von sich aus fand, son<strong>der</strong>n in welche es<br />
von an<strong>der</strong>en Mächten gelenkt wurde, ist gesagt, daß es irgendwie prädestiniert war. Auch<br />
Wundt äußert sich ähnlich. In seiner Definition <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie weist er auf <strong>der</strong>en religiöse,<br />
soziale und politische Bedingtheit hin. Weiter aber sagt er noch: „Daß trotz ... Übereinstimmung<br />
<strong>der</strong> Anschauungen über den Zweck <strong>der</strong> <strong>Philosoph</strong>ie die Ansichten über ihre Aufgabe so<br />
weit auseinan<strong>der</strong> gehen, wird man ... im allgemeinen auf zwei Ursachen zurückführen können:<br />
erstens auf die historische Bedingtheit, welche die <strong>Philosoph</strong>ie mit aller an<strong>der</strong>en Wissenschaft<br />
teilt; und zweitens auf die Allgemeinheit und die damit zusammenhängende Unbestimmtheit<br />
jenes Zweckes“ (Wundt, Einleitung in die <strong>Philosoph</strong>ie, S. 5 f.).<br />
[17] Und ebenso zählt Windelband einige das Wesen einer <strong>Philosoph</strong>ie bedingenden Faktoren<br />
auf: „Die großen Errungenschaften und die neu auftauchenden Fragen <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Wis-<br />
18 Karl Korsch: Gesamtausgabe a. a. O., S. 395, 397.