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Dem Überlebenskampf im Winter<br />

folgt Liebesglück im Frühling<br />

Wenn in unseren Wohnzimmern das Buchenholz im Kamin knistert, die wohlige Wärme<br />

des Feuers unsere Herzen öffnet und wir durch das Fenster auf die verschneite<br />

und scheinbar schlafende Landschaft blicken, kämpft so manch einer da draußen in der<br />

Kälte um das Überleben.<br />

Einer davon, der mir in den vergangenen Monaten besonders<br />

an mein Herz gewachsen ist, sitzt wahrscheinlich gerade auf<br />

einer alten Rotbuche im südweststeirischen Waldgürtel an der<br />

slowenischen Grenze. Der junge Habichtskauz ist erst in diesem<br />

Jahr auf die Welt gekommen und unerfahren. Der erste<br />

Winter seines Lebens stellt ihn auf eine harte Probe. Möglicherweise<br />

muss er wochenlange Hungerperioden bei eiskalten<br />

Temperaturen überstehen. Zum Glück besitzt er ein ausgezeichnetes<br />

Gehör und besonders lichtempfindliche Augen, die<br />

er während seiner nachtaktiven Jagd bestens einzusetzen vermag.<br />

Schon die geringsten Geräusche werden von seinem<br />

markanten Gesichtsschleier, der einer "Satellitenschüssel"<br />

gleicht, zur Gehöröffnung geleitet. Im Extremfall kann er so<br />

die heißgeliebten Wald- und Wühlmäuse, die er zum Fressen<br />

gern hat, unter einer 20 cm dicken Schneedecke lokalisieren<br />

und anschließend mit den Fängen durch den Schnee hindurch<br />

ergreifen.<br />

Mit Unterstützung von<br />

Fotos: Andrea Bund<br />

Vom Ort seiner Geburt ist er weit weg, möglicherweise bis zu<br />

150 km. Nach langem Suchen hat er hier endlich sein Revier<br />

gefunden, in dem er sein Leben lang bleiben wird. Der Wald<br />

gefällt ihm: Ein Laubmischwald, reich strukturiert, mit mächtigen<br />

Buchen, dazwischen ragt der eine oder andere Nadelbaum<br />

in den Himmel. Gerne sitzt er auch auf der alten Eiche direkt<br />

neben der Wildfütterung. Ansonsten fliegt er entlang der<br />

Forststraße zur Kirrung, die der Jäger angelegt hat, um das<br />

Schwarzwild anzulocken. Der junge Habichtskauz hat nämlich<br />

eines schon gelernt: Rund um diese Plätze gibt es ausreichend<br />

Mäuse, auch im Winter. Wenn dann auch noch die brechende<br />

Rotte sämtliche Mäuse aufscheucht und diese flüchten, hat er<br />

leichtes Spiel und ausreichend Beute.<br />

Heutzutage kann er sich dort gefahrlos aufhalten. Feinde kennt<br />

er nicht und so verhält sich unser junger Kauz sehr vertraut<br />

gegenüber dem Menschen.<br />

Geringe Fluchtdistanzen von weniger als 20 m sind keine<br />

Seltenheit – er hat ja nichts zu befürchten. Das war leider<br />

nicht immer so, denn schon vor Jahrtausenden wurden seine<br />

Artgenossen widerrechtlich abgeschossen. Heute werden<br />

solche Verstöße von zukunftsorientierten Jägern, die das<br />

Waidwerk verstehen, verurteilt und nach dem Jagd- und<br />

Naturschutzgesetz geahndet. Gerüchten zufolge soll es<br />

auch heute noch illegale Abschüsse dieser seltenen Eule<br />

geben, doch glaube ich an die Vernunft unserer süd- und<br />

weststeirischen Jäger und schenke diesen Gerüchten keinen<br />

Glauben. Für einen Jäger wäre es ohnehin ein Ding der<br />

Unmöglichkeit, sich mit der Trophäe eines verbotenerweise<br />

erlegten Habichtskauzes zu schmücken. Den Habichtskauz<br />

für den Rückgang der Fasane verantwortlich zu machen und<br />

ihn möglicherweise deshalb zu schießen, würde aufgrund<br />

von Unwissenheit passieren und wäre somit vermeidbar.<br />

Denn während sich der Fasan bevorzugt in der halboffenen<br />

Kulturlandschaft mit ausreichender Deckung aufhält, lebt der<br />

Habichtskauz in geschlossenen Waldgebieten und meidet das<br />

Offenland. Bei einem möglichen Wechsel des Fasans in seinen<br />

Winter-Lebensraum könnte es zu einer Überschneidung der<br />

Lebensräume kommen. Da der Habichtskauz aber äußerst<br />

selten ist und Kleinvögel nur im äußersten Notfall erbeutet,<br />

ist der Rückgang der Fasanpopulation wohl eher auf die<br />

ausgeräumte Kulturlandschaft zurückzuführen als auf den<br />

Habichtskauz. Viel lieber sollten wir uns des Anblicks dieses<br />

eleganten Vogels erfreuen und stolz darauf sein, dass ihm<br />

unsere Wälder behagen und er sich hier wohl fühlt.<br />

Unser junger Habichtskauz ist ein äußerst geschickter Jäger<br />

und hinterließ mit seinem "Brautgeschenk" – einer ziemlich<br />

beleibten Rötelmaus - einen bleibenden Eindruck bei einem<br />

Weibchen. Damit hat er ihr Herz erobert und wird nun bis an<br />

sein Lebensende mit ihr zusammen bleiben. Das Weibchen<br />

hat auch schon eine Bruthöhle für sich und ihren Partner<br />

gefunden. Einen vermutlich seltsam erscheinenden aber<br />

funktionstüchtigen Nistkasten, den sie auf einer Buche in<br />

10 m Höhe entdeckt hat. Möglicherweise gewinnen die beiden<br />

Käuze keinen Preis für landschaftsgerechtes Bauen, aber was<br />

soll man machen, wenn man auf natürlich vorkommende<br />

Bruthöhlen angewiesen ist, diese aber kaum noch findet?<br />

Man zieht in eine Restmülltonne, die naturliebende und<br />

freundliche Menschen umgebaut und am Baum montiert<br />

haben. In diese "Höhle" wird das Weibchen Jahr für Jahr<br />

die Eier legen und ca. 28 Tage lang bebrüten, während das<br />

Männchen auf Futtersuche fliegt. Wenn die kleinen Käuze<br />

geschlüpft sind, aus Neugier aus dem Nest flüchten und im<br />

Frühsommer dann am Boden sitzen, ist die Beobachtung<br />

möglicherweise ein äußerst gefährliches Unterfangen. Wie<br />

alle Mütter wird auch unsere Habichtskäuzin zur Furie und<br />

extrem aggressiv, wenn sie ihre Kinder in Gefahr glaubt.<br />

Wir sollten ihr daher besser aus dem Weg gehen. Im Herbst<br />

ziehen die Jungvögel los und suchen ihr eigenes Revier. Dann<br />

heißt es für diese Generation, den ersten Winter ihres Lebens<br />

zu überstehen und vor allem zu überleben. Ich wünsche es<br />

ihnen von ganzem Herzen.<br />

Mag. Andrea Bund<br />

Natura-2000 Gebietsbetreuerin<br />

Nistkasten-Montage<br />

für den Habichtskauz

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