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Komplette Ausgabe

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Bauernkrippen<br />

Erzählt von Karl Baierl<br />

Krippenbauer ist man das ganze Jahr. Man<br />

geht mit offenen Augen durch die Natur und sammelt Wurzeln,<br />

Rindenstücke und Zweige, die man, wenn die Zeit gekommen<br />

ist, gut gebrauchen kann. Für mich ist das Krippenbauen ein<br />

Hobby, welches ich mit Begeisterung ausübe. Allerdings nicht<br />

das ganze Jahr über, sondern nur in der Vorweihnachtszeit. Je<br />

kürzer die Tage werden und je weiter die Temperaturen sinken,<br />

umso größer wird mein Verlangen, mich in meine Werkstatt<br />

zurückzuziehen und mit dem Bau zu beginnen. Wenn dann<br />

noch die nebelverhangenen Tage um Allerheiligen kommen<br />

und die ersten Weihnachtsmelodien im Radio gespielt werden,<br />

„überkommt`s“ mich und es geht los.<br />

Ich persönlich bin ein großer Freund der orientalischen Krippen,<br />

weil man da wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat<br />

und weil ja die Weihnachtsgeschichte auch dort ihren Ursprung<br />

hat. Aber meine Werke sind trotzdem eher alpenländische<br />

Krippen, bei denen ich mir alte Gebäude, Ställe oder Almhütten<br />

zum Vorbild nehme. Es ist schön zu sehen, wie viel Freude die<br />

Menschen damit haben, weil das Weihnachtswunder hier in<br />

Motiven dargestellt wird, die unserer Tradition entsprechen und<br />

mit Gebäuden, die für eine große Identifikation der Menschen<br />

mit unserer Kultur sorgen. Zwei bis drei Krippen baue ich in<br />

einer Saison, mehr ist schon aus zeitlichen Gründen nicht<br />

möglich, da ja weit über 100 Arbeitsstunden in einer Anlage<br />

stecken. Gemacht wird alles von Hand. Für die Dachschindeln<br />

habe ich mir ein eigenes Messer gebaut und alle anderen<br />

Schneidearbeiten mache ich mit der Laubsäge. Ziegel schnitze<br />

ich aus Holz, und Berge und Felsen werden mit Rinde gemacht.<br />

Auch für die Fassung, das ist das Bemalen der Krippen (so wie<br />

bei Kirchenfiguren), verwende ich Pulverfarben, so wie sie<br />

früher in den Häusern zum Einsatz kamen. Die Wände meiner<br />

Gebäude werden gespachtelt und verputzt und auch bei den<br />

Holzverbindungen versuche ich, möglichst original Balken mit<br />

Balken zusammenzufügen.<br />

Es ist schon etwas Besonderes, wenn ich mich hinsetze und<br />

anfange, eine Krippe zu bauen. Ich mache keine Zeichnungen<br />

oder Skizzen, aber wie bei einem guten Schnitzer weiß ich<br />

schon im Vorhinein, wie mein Werk am Ende ausschauen wird.<br />

Gebaut wird mit Verstand und Herz. Die Inspiration für meine<br />

Gebäude hole ich mir im Freilichtmuseum Stübing ebenso wie<br />

auf Almen und bei alten Hütten. Fotos und Zeichnungen von<br />

Gebäuden sind für mich ebenso Ansporn wie alte Türen,<br />

Fenster oder Werkzeuge. Ich baue nach Gefühl. Zwar gibt es in<br />

unserem Handwerk den „Krippenmeter“ als Maßeinheit, aber<br />

wenn man ein gutes Gespür für Proportionen hat, dann geht<br />

es auch so. Oftmals entsteht der emotionale Wert einer Krippe<br />

nicht nur durch das Bauwerk selbst, sondern auch durch das<br />

dafür verwendete Material. Wie zum Beispiel bei einer Krippe,<br />

die ich aus dem Schindelholz unseres Kirchendaches gefertigt<br />

habe.<br />

Besonders viel Freude bereitet mir das Ausarbeiten von Details,<br />

die einem erst beim zweiten Hinsehen auffallen. Unsere früheren<br />

Generationen wussten sehr wohl um praktische Gegebenheiten<br />

beim Bau eines Hauses Bescheid, und so versuche auch ich, diese<br />

in meine Häuser und Ställe einfließen zu lassen. Eine Abfallrinne,<br />

die von der Küche direkt ins Freie führt, habe ich in einem alten<br />

Bauernhaus gesehen. Man nutzte diese dafür, um Küchenabfälle<br />

direkt zu den Schweinen zu befördern, und natürlich darf diese<br />

auch bei meinem Gebäude nicht fehlen. Vom Apportdeckel,<br />

den man abheben kann, bis zur Haustürverzierung und vom<br />

Fensterkreuz bis zum angebrochenen Giebelbalken versuche<br />

ich, alles originalgetreu zu bauen.<br />

Auch der Hausrat und das Werkzeug dürfen nicht fehlen. Ein<br />

Reisbesen muss vor der Tür stehen, ein Korb mit Eiern wartet<br />

auf der Hausbank auf seine Abholung, die Futterkraxe steht<br />

gefüllt mit Heu bereit und auch die Mehlsäcke warten am<br />

Holzbalkon auf ihre Lagerung. Mir ist es wichtig, dass meine<br />

Höfe so dastehen, als ob die Bauersleut, Knechte und Mägde<br />

gerade einmal kurz ins Haus gegangen wären und jeden Moment<br />

wiederkommen. Das müssen sie ja auch, denn das Brot muss<br />

noch aus dem Backofen geholt werden und der Mistkarren<br />

steht ebenfalls mitten im Hof. Überall liegt oder lehnt etwas<br />

herum, vom Blecheimer bis zu den Harpfenstangen, und so versuche<br />

ich, meinen Krippen Leben einzuhauchen, noch bevor<br />

diese mit den eigentlichen Figuren bestückt werden.<br />

Die Krippenfiguren mache ich nicht selber, sondern bestelle<br />

diese bei einem Fachhändler. Sie sind dann die Krönung meiner<br />

Arbeit und ich habe oft durchaus das Gefühl, dass sie sich<br />

in meinen Gebäuden wirklich wohlfühlen. Es ist eine schöne<br />

Arbeit, die ich hier machen kann. Eine Arbeit, die nicht nur<br />

mir, sondern auch vielen anderen Menschen Freude bereitet.<br />

Wenn ich eine Krippe abgebe, so schwingt schon ein Hauch<br />

von Wehmut mit, steckt doch nicht nur viel Arbeit, sondern vor<br />

allem sehr viel Herz von mir drinnen.<br />

Wir danken Karl Baierl für diesen kleinen Einblick in seine große<br />

Leidenschaft.

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