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Komplette Ausgabe

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Vom „Pfodmochn“ und „Blochziachn“<br />

Erzählt von Rupert Schmid<br />

„Die Wuggaumühle war mein Heimathaus“, beginnt Herr<br />

Schmid seine Geschichte. „Wir hatten damals eine Mühle, eine<br />

Ölpresse und ein Sägewerk. Bereits als junger Bursche, ich ging<br />

ja noch zur Schule, musste ich das harte Leben von damals<br />

meistern. Meine Brüder wurden zum Kriegsdienst einberufen<br />

und als auch mein Vater zum Volkssturm musste, war ich mit<br />

meinen 12 bis 13 Jahren der einzige Mann zuhause. Wir hatten<br />

vier Rösser, und um uns ein klägliches Einkommen zu sichern,<br />

musste ich damals bereits zu den Bauern gehen, um die Felder<br />

zu bearbeiten. Umgebaut wurde mit den Ochsen, aber das Eggen<br />

passierte mit den Pferden. Ich erinnere mich noch gut daran,<br />

wie ich beinahe Tag und Nacht mit unseren Pferden unterwegs<br />

war und selbst der Lehrer meinte: „Brauchst net in die<br />

Schul gehn, Bua, i woaß eh, wias ba eich zuageht.“<br />

Als der Krieg dann endlich vorüber war und sich alles wieder<br />

zu normalisieren begann, waren es gerade die Wintermonate,<br />

in denen wir am härtesten arbeiten mussten. Damals war es<br />

so, dass man beim Holzhandeln die Bäume kaufte, aber wir<br />

selbst diese schlagen mussten. Nur die Wintermonate eigneten<br />

sich dafür. Einerseits, weil das Holz dort nicht im Saft war,<br />

andererseits hatten wir nur dort die Möglichkeit, die Stämme<br />

nach Hause zu transportieren. Es gab kaum Wege und der<br />

Schlitten war das beste Mittel für den Holztransport. In den<br />

frühen Morgenstunden zogen mein Bruder, ein Arbeiter und ich<br />

los. Die Winter waren damals viel strenger als heute und viele<br />

Male mussten wir knietief durch den Schnee waten oder mit<br />

den Rössern vorher einen „Pfod“ machen. Wenn es langsam<br />

hell wurde, hatten wir oft schon einen mehrstündigen Marsch<br />

hinter uns und dabei begann die Arbeit jetzt erst.<br />

Zuerst mussten wir die Stämme der Bäume aus dem Schnee<br />

ausgraben. Dann knieten wir uns auf mitgebrachte Säcke und<br />

begannen mit der Zugsäge den Baum zu fällen. Ein Baum<br />

nach dem anderen wurde von uns umgelegt, aber immer nur<br />

so viele, wie wir dann später auch weiterverarbeiten konnten.<br />

Danach kam das Abästen mit den Hacken und sofort wurde der<br />

Stamm von der Rinde mit dem „Schepser“ befreit. Wir konnten<br />

keinen Stamm liegen lassen, da sonst die Rinde am Stamm<br />

festfror. Dazwischen gab es irgendwann einmal eine Jause<br />

und später wurden die Stämme mit dem Ross aus dem Wald<br />

rausgezogen. Die Kälte machte uns dabei oft schwer zu<br />

schaffen, und nicht selten kam es vor, dass bei unseren Pferden<br />

die Eiszapfen herunterhingen. Bis zum Sonnenuntergang<br />

mussten die Blöcher aus dem Wald gezogen sein, bevor es in<br />

der Dunkelheit wieder heimwärts ging. Manchmal mussten wir<br />

uns gegenseitig stoßen, weil wir vor lauter Müdigkeit unterm<br />

Gehen einschliefen.<br />

Spät kamen wir zuhause an, und nachdem die Tiere versorgt<br />

waren und wir noch gegessen hatten, fielen wir in unsere<br />

Betten, nur um uns am nächsten Tag wieder auf den Weg in<br />

den Holzschlag zu machen.<br />

Dann kam die Zeit des Transportes. Stamm für Stamm wurde<br />

händisch auf unseren Schlitten verladen und nach Hause<br />

transportiert. Dies musste ebenfalls noch im Winter geschehen,<br />

da wir nur mit dem Schlitten querfeldein fahren konnten. Ein<br />

Wagen hätte uns nicht geholfen, da es sowieso keine Wege<br />

gab. Ich erinnere mich noch daran, wie Bauern und Knechte<br />

während ihrer Morgenarbeit aus dem Stall schauten, wenn<br />

wir schon mit der ersten Fuhre Richtung Wuggau unterwegs<br />

waren. Es war immer eine Wohltat, wenn die Kälte dann endlich<br />

nachließ und es langsam wieder wärmer wurde.<br />

Dann galt es, in der Mühle zu arbeiten. Von weit und breit<br />

kamen die Bauern zu uns, um ihre Kürbiskerne auspressen zu<br />

lassen. Bis nach Marburg hinunter reichte das Einzugsgebiet<br />

unserer Kunden. Im Sägewerk begannen wir die Bloche zu<br />

zersägen, und auch ein Lastwagen für den Transport wurde<br />

aus alten Kriegsbeständen angeschafft. Dieser war zwar für die<br />

Holzarbeit im Winter nicht zu gebrauchen, aber er erleichterte<br />

uns viele Transporte im Sommer. Unser wertvollster Besitz<br />

waren anno dazumal unsere vier Noriker. Mit ihnen fuhr<br />

ich auch immer wieder zur Mühle nach Gleinstätten. Den<br />

„Bauwoaz“ (Weizen) konnten wir nicht selber mahlen und so<br />

wurde er von uns gegen Mehl eingetauscht.<br />

Damals kam ich bei meiner Fahrt durch den „Priestergraben“<br />

auch immer beim Gasthaus Literwirt vorbei und mir fiel ein<br />

junges Dirndl auf, das dort immer zu sehen war. Eines Tages<br />

musste ich mit dem Lastwagen meine Mutter zum Doktor nach<br />

Groß St. Florian bringen, und als wir wieder beim Gasthaus<br />

vorbeikamen, schaffte ich es, dass ich vor lauter Schauen einen<br />

Holzhaufen überfuhr und wir beim Lastwagen einen „Patschen“<br />

hatten.<br />

Meine Mutter hatte sich fürchterlich erschreckt aber kein<br />

bisschen mit mir geschimpft. Meine spätere Frau Gertrude<br />

rannte unterdessen davon, anstatt uns zu helfen. Beim „Hansfest-Sonntag“<br />

haben wir aber dann doch zueinander gefunden.<br />

Mein Bruder bekam später den elterlichen Betrieb, und meine<br />

Frau, wir haben 1954 geheiratet, und ich übernahmen den<br />

Literwirt. Ich war noch einige Jahre im Holzhandel tätig, bis<br />

ich 1958 mit meinem eigenen kleinen Sägewerk anfing. Meine<br />

Frau sagt mir noch heute: „Ohne Holz kannst du net sein.“ Erst<br />

im Jahre 1962 kaufte ich die erste Motorsäge und man kann<br />

sich ausmalen, was das für ein Segen war. Heute kann man sich<br />

kaum noch vorstellen, wie wir damals geschuftet haben. Aber<br />

es war auch eine schöne Zeit.<br />

Alles hatte viel mehr Wert und die Zufriedenheit der Menschen<br />

war viel größer. Werte, die wir versucht haben auch an unsere<br />

Kinder und Enkelkinder weiterzugeben. Und wenn ich mir<br />

unsere Familie heute so anschaue, dann ist uns das durchaus<br />

auch gut gelungen.

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