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Die gute Stube.<br />

Erzählt von Christine Assigal<br />

„Von klein auf lebe ich hier in Gamlitz. Bis zu meiner<br />

Heirat war ich am elterlichen Hof und dann zog ich zu meinem<br />

Mann hier nach Sernau. Wir waren zuhause sieben Kinder,<br />

und da unsere Wirtschaft gerade einmal 10 Joch umfasste,<br />

kann man sich vorstellen, wie schwer es für uns war, über<br />

die Runden zu kommen. Die Arbeit am Hof bestimmte unser<br />

Leben. Bereits mit sieben oder acht Jahren mussten wir die<br />

Kühe hüten und Tätigkeiten wie das „Woaz hauen“ gehörten zu<br />

unseren Aufgaben. Einnahmen gab es nur dann, wenn wir ein<br />

paar Schweine oder ein Stück Rindervieh verkauften, was aber<br />

nicht allzu oft der Fall war.<br />

Außerhalb unseres Arbeitsalltages gab es noch die Schule und<br />

die Kirche. Ich ging in die Klosterschule nach Gamlitz, und die<br />

Schwestern waren sehr nett zu mir. Auf Grund unserer Armut<br />

hatten wir immer nur das Nötigste zum Anziehen. Neue Sachen<br />

gab es sowieso nicht und gerade wir Kleinen mussten die Sachen<br />

der größeren Geschwister auftragen. In einem Winter bekam<br />

ich aus Mitleid vom Kloster sogar einen Mantel geschenkt,<br />

damit ich zur Schule gehen konnte. Regelmäßig in die Kirche<br />

mussten wir ab dem Schulbeginn gehen. Die Kleineren nur in<br />

der warmen Jahreszeit, die Größeren auch im Winter.<br />

Der Dezember war für uns schon auch ein besonderer Monat,<br />

obwohl wir wussten, dass wir nicht mit viel rechnen durften.<br />

Zu Nikolaus fürchteten wir uns natürlich vor dem Krampus<br />

und Vater rasselte auch mit den Ketten um das Haus, damit<br />

wir allesamt wieder eine zeitlang brav waren. Aber Geschenke<br />

hat es keine gegeben. Zu Weihnachten hatten wir zwar<br />

immer einen Christbaum, den wir aus unserem eigenen<br />

Wald holten, aber darunter lagen keine Geschenke. Trotzdem<br />

war es schön, wenn die Kerzen am Baum brannten, und die<br />

Kekse schmeckten vom Christbaum immer besser als aus der<br />

Schüssel. Ich erinnere mich noch gut daran, dass meinem Vater<br />

oftmals die Tränen in den Augen standen. Wie gerne hätten<br />

uns die Eltern etwas geschenkt, doch da sie selber nichts<br />

hatten, war das einfach nicht möglich. Aber zumindest gab es<br />

an den Weihnachtsfeiertagen immer etwas Besseres zu essen.<br />

Im Winter wurde ja geschlachtet, weil sich das Fleisch in der<br />

Kälte hielt. Tiefkühltruhen oder Kühlschränke kannten wir<br />

nicht. Zu Ostern wurde das Fleisch geselcht und in Kübeln mit<br />

Verhackert eingelegt, aber frisches Fleisch gab es unterm Jahr<br />

nur eher selten.<br />

Alles spielte sich damals in der Stube ab. Unsere Küche machte<br />

gut die Hälfte des Hauses aus und war auch der Raum, in dem<br />

es immer schön warm war. Hier aßen, schliefen und arbeiteten<br />

wir. Drei Holzbetten standen in der Stube und jeweils zwei<br />

Kinder mussten zusammen darin schlafen. Mein Bruder, er war<br />

schon älter, verbrachte seine Nächte auf dem Heuboden und im<br />

Winter im Kuhstall. Zwar hatten wir auch Zeit zum Spielen, aber<br />

das Abreiben der Maiskolben, das „Ausheppeln“ der Bohnen und<br />

das Getreidemahlen gehörten ebenso zu unseren Aufgaben wie<br />

das Abkochen der Erdäpfel für die Schweine. Alles passierte in<br />

den Wintermonaten natürlich in der Küche. Der Rest unseres<br />

Hauses bestand aus der „Labn“ (dem Vorhaus), einem Stüberl,<br />

in dem die Eltern schliefen, und einem kleinen unbeheizten<br />

Raum, in dem einige Kästen für die Wäsche standen und wo<br />

auch das Brot gelagert wurde. Unsere Notdurft wurde draußen<br />

verrichtet. Neben dem Saustall befand sich ein Plumpsklo – das<br />

Häusl – für die großen Angelegenheiten und ein Holzschaffl im<br />

Haus war für das kleine Geschäft gerichtet.<br />

Auch das Wasser zum Kochen und Waschen musste herangeschafft<br />

werden. Da unser Brunnen kein gutes Wasser hatte,<br />

mussten wir dies vom Nachbarhof mit Schaffeln oder Eimern<br />

nach Hause tragen. Aber der Winter hatte auch seine schönen<br />

Seiten. Das Schlittenfahren und das Eisrutschen auf einem<br />

steil abfallenden Weg machte uns ebenso große Freude wie<br />

das Kartenspielen am Abend.<br />

Später, als meine Geschwister größer wurden, gingen sie zu<br />

den Bauern als Tagwerker und konnten sich so auch langsam<br />

selber versorgen. Ich blieb nach dem Ende meiner Schulzeit<br />

zuhause und lernte damals auch meinen späteren Mann kennen.<br />

Seine Schwester heiratete auf einen Nachbarhof, und immer,<br />

wenn er sie besuchen ging, kam er bei uns vorbei. Ich war<br />

16 Jahre alt als er das erste Mal zu mir fensterln kam. Man stelle<br />

sich das vor, ich mit meinen Geschwistern in der Küche, und da<br />

klopft es am Fenster. Zum Glück war es etwas abseits unserer<br />

Schlafstätten und so konnten wir uns ganz leise miteinander<br />

unterhalten. Natürlich bekamen meine Geschwister das mit,<br />

aber das war damals halt so.<br />

Erst im Alter von 27 Jahren habe ich dann geheiratet. Mein<br />

Mann, ein geborener 1909er, war damals 38 Jahre alt.<br />

Gemeinsam begannen wir dann zu wirtschaften, und weil mein<br />

Gatte einer der ersten Silberberg-Absolventen war, begann er<br />

mit einer kleinen Rebschule, die uns dabei half, ein halbwegses<br />

Einkommen zu erwirtschaften. Wir zogen vier Kinder groß und<br />

gerade die Weihnachtszeit war etwas, wo wir immer bemüht<br />

waren, unseren Kindern eine Freude zu bereiten. Alles wurde<br />

geheim gehalten, solange sie noch an das Christkind glaubten,<br />

der Baum geschmückt und kleine Geschenke für alle darunter<br />

gelegt. Oft dachte ich dann an meine Eltern zurück, war dankbar<br />

für alles, was ich dort bekommen habe, und glücklich darüber,<br />

dass es uns jetzt so gut geht. Aus Vaters Tränen darüber, weil<br />

er uns nichts geben konnte, wurden bei unseren Kindern Tränen<br />

der Freude und dies machte meinen Mann und mich stolz und<br />

glücklich.

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