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Süddeutsche Zeitung/ ­- Politik, Sex, 13 de Abril de 2012<br />

CLIPPING INTERNACIONAL (Europäischen Gerichtshof )<br />

"Ähnliche psychische Folgen wie durch<br />

Missbrauch"<br />

Interview: Le<strong>na</strong> Jakat<br />

Übersexualisiertes Umfeld, marode Familienstrukturen,<br />

unklare Rollenverteilung: Das sind alles Faktoren, die<br />

Inzest unter Geschwistern begünstigen können. Ein<br />

Gespräch mit dem Psychiater Peer Briken über<br />

sexuelle Grenzüberschreitungen.<br />

Das gesetzliche Verbot einer sexuellen Beziehung<br />

zwischen Geschwistern ist rechtens: Das hat der<br />

Europäische Gerichtshof in Straßburg entschieden.<br />

Ein Urteil, dass eine heftige Debatte in Gang gesetzt<br />

hat ­- auch unter den Lesern von Süddeutsche.de. Wie<br />

kommt es zu Inzest zwischen Bruder und Schwester?<br />

Welche Rolle spielen Erziehung und eine gemeinsam<br />

verbrachte Kindheit? Peer Briken ist Leiter des Instituts<br />

für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie an<br />

der Universitätsklinik Hamburg­-Eppendorf. Ein<br />

Gespräch über eines der letzten Tabus unserer<br />

Gesellschaft.<br />

Süddeutsche.de: Herr Briken, wie oft kommt es zu<br />

inzestuösen Beziehungen zwischen Geschwistern?<br />

Peer Briken: Es gibt Daten darüber, dass sexuelle<br />

Erfahrungen in einem weiteren Sinne zwischen<br />

Geschwistern gar nicht so selten sind. Eine Studie<br />

<strong>na</strong>nnte in den 1980erJahren die Zahl von zehn<br />

Prozent aller Kinder. Da geht es aber in der Regel um<br />

Fummeleien oder Berühren. Tatsächliche sexuelle<br />

Grenzverletzungen sind ­- <strong>na</strong>ch allem was wir darüber<br />

wissen ­- sehr viel seltener.<br />

Süddeutsche.de: Wie meinen Sie das?<br />

Briken: Bei Inzest zwischen Geschwistern, also<br />

Kindern, herrscht nur sehr selten ein Gleichgewicht. Es<br />

gibt Altersunterschiede und damit unter Umständen<br />

auch ein Machtgefälle. In solchen Fällen kann auch<br />

Zwang eine Rolle spielen, der manchmal auch subtil<br />

ausgeübt wird. Erfahrungen aus der Praxis zeigen: Die<br />

psychischen Folgen einer solchen<br />

Grenzüberschreitung unterscheiden sich manchmal<br />

nicht von denen sexuellen Missbrauchs durch den<br />

Vater oder Stiefvater. Es gibt auch Faktoren, die<br />

verschiedene Arten von Inzest begünstigen können.<br />

Süddeutsche.de: Welche Faktoren sind das?<br />

Briken: Eine übersexualisierte Atmosphäre kann eine<br />

Rolle spielen, das heißt, wenn zum Beispiel die Kinder<br />

gezwungen werden, sich Pornographie anzusehen.<br />

Wenn Kindern die Möglichkeit genommen wird,<br />

Schamgefühle zu entwickeln. Wenn in einer Familie<br />

Gewalt und Suchtmittel eine Rolle spielen. Wenn es an<br />

emotio<strong>na</strong>len Beziehungen fehlt, oder die Rollen der<br />

verschiedenen Generationen nicht klar verteilt sind.<br />

Auch Missbrauchserfahrungen der Eltern können da<br />

relevant sein.<br />

Süddeutsche.de: Macht es einen Unterschied, wenn<br />

der Inzest zwischen Geschwistern, also innerhalb<br />

einer Generation, stattfindet?<br />

Briken: Wissenschaftlich sind solche Fälle bislang nur<br />

wenig untersucht. Das liegt auch daran, dass von einer<br />

sehr großen Dunkelziffer auszugehen ist. Aber ich<br />

nehme an, dass durch die große Nähe zwischen<br />

Geschwistern Scham und Schuldgefühle auf andere<br />

Weise berührt werden. Außerdem sind die Grenzen<br />

dessen, was erlaubt ist und was nicht, unter<br />

Umständen weniger klar.<br />

Süddeutsche.de: Können sich Bruder und Schwester<br />

verlieben?<br />

Briken: Schwärmereien für die Geschwister sind an der<br />

Tagesordnung und gehören zur kindlichen<br />

Entwicklung. Eine Liebe über längere Zeit mit sexueller<br />

Beziehung ist eher die Aus<strong>na</strong>hme.<br />

Süddeutsche.de: Entwickelt sich bei Kindern, die<br />

gemeinsam aufwachsen, eine Art <strong>na</strong>türliche<br />

Inzest­-Barriere?<br />

Briken: Es gibt Hinweise darauf, dass sich Grenzen im<br />

Kindesalter entwickeln, die so nicht vorliegen, wenn<br />

sich zum Beispiel Bruder und Schwester erst im<br />

Erwachsene<strong>na</strong>lter begegnen. Solche Grenzen werden<br />

durch gemeinsame Erfahrungen in der Kindheit<br />

gezogen, unter anderem durch die Erziehung und<br />

soziokulturelle Faktoren. Das Inzestverbot ist ja<br />

vielerorts in unserer Gesellschaft verankert. Dieses<br />

gesellschaftliche Tabu hat wahrscheinlich auch<br />

biologische Ursachen.<br />

Süddeutsche.de: Weiß man etwas über die Kinder, die<br />

aus solchen Beziehungen hervorgehen?<br />

Briken: Ich hatte mit einigen solcher Kinder Kontakt,<br />

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