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Fi<strong>na</strong>ncial Times Deutschland/ - Nachrichten, Ter, 03 de Abril de 2012<br />
CLIPPING INTERNACIONAL (Verfassungsgericht)<br />
Röttgen handelt in akuter Wahlpanik<br />
Leitartikel Weil er auf Stimmenfang ist, fordert Norbert<br />
Röttgen die Erhöhung der Pendlerpauschale. Dabei<br />
müsste er als Bundesumweltminister radikaler handeln<br />
- und ihre Abschaffung fordern.<br />
Was müsste ein Bundesumweltminister, der diesen<br />
Titel auch verdient, zur Pendlerpauschale sagen? Er<br />
würde fordern, diese autoverkehrsfördernde<br />
Subvention endlich abzuschaffen, um das Geld<br />
sinnvoller zu verwenden. Doch Norbert Röttgen tut das<br />
nicht. Der Christdemokrat führt sich lieber auf, wie sich<br />
Piraten-Wähler etablierte Politiker vorstellen: Er<br />
verspricht den Bürgern Nordrhein-Westfalens ein<br />
Wahlgeschenk <strong>na</strong>ch dem anderen, auf dass sie ihm<br />
die Stimmenmehrheit bescheren mögen. Das mag<br />
opportun sein. Glaubwürdig ist es nicht.<br />
Nun wäre Röttgens Wahlpanik noch zu verschmerzen.<br />
Aber er ist leider nicht der Einzige. Kurz vor zwei<br />
Landtagswahlen soll die Pendlerpauschale dafür<br />
herhalten, die Ausschläge beim Benzinpreis zu<br />
kompensieren. Dabei ist sie dazu schlicht nicht<br />
geeignet. Im Gegenteil, sie sollte abgeschafft werden.<br />
Ein hoher Benzinpreis über Ostern ist in der Tat<br />
ärgerlich, aber erklärlich. Die inländische Nachfrage<br />
steigt nun mal vor Feiertagen, und damit auch der<br />
Preis. Vor allem aber ist der Ölpreis auf einem<br />
Rekordhoch, wegen der verbesserten Konjunktur in<br />
den USA und Chi<strong>na</strong> sowie den politischen<br />
Spannungen mit dem Iran. An solchen<br />
Marktmechanismen kann eine Erhöhung der<br />
Pendlerpauschale nichts ändern.<br />
Kurzfristig ist sie nicht einzuführen, dafür müssen die<br />
Gesetze geändert und Verwaltungsvorschriften<br />
erarbeitet werden. Vor allem aber müssen die Ausfälle<br />
im Bundesetat berechnet und kompensiert werden.<br />
Das geht nicht über Nacht. Ob die hohen Benzinpreise<br />
aber so lange so hoch wie jetzt bleiben, ist nicht klar.<br />
Und langfristig wäre eine Erhöhung nicht sinnvoll und<br />
sogar schädlich. Denn wenn sich der Ölpreis auf<br />
hohem Niveau stabilisiert, sollte dies der Staat nicht<br />
einfach kompensieren. Er muss vielmehr Anreize<br />
setzen, die Benzi<strong>na</strong>bhängigkeit zu reduzieren, durch<br />
steuerliche Förderung verbrauchsarmer Antriebe.<br />
Die Pendlerpauschale erreicht das Gegenteil: Sie<br />
belohnt Angestellte dafür, dass sie sich fern ihrer<br />
Arbeit ein Haus im Grünen suchen oder aus<br />
Bequemlichkeit auf das Umziehen wegen einer neuen<br />
Stelle verzichten. Damit wird ein Zersiedlungsprozess<br />
gefördert, der infrastrukturpolitisch wie umweltpolitisch<br />
unsinnig ist - und auch noch jährlich 4,4 Mrd. Euro<br />
kostet.<br />
Die Pauschale sollte deshalb abgeschafft werden,<br />
gerade jetzt, inmitten des Aufschwungs. Sie mag eine<br />
Institution sein, aber sie besitzt keinen<br />
Verfassungsrang. Das Bundesverfassungsgericht<br />
hatte eine Neuregelung 2008 nur verworfen, weil diese<br />
handwerklich schlecht und nicht schlüssig und nur für<br />
die Ein<strong>na</strong>hmesteigerung erfolgt war.<br />
Die Pendlerpauschale ersatzlos zu streichen dagegen<br />
wäre konsequent. Das einzugestehen erfordert aber<br />
mehr Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit, als so manche<br />
Politiker im Wahlkampf aufbringen.<br />
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