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The First Class of Fulbrighters - Fulbright-Kommission

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alkoholischen Getränke bestellen konnten, weil der Zug<br />

gerade durch einen „trockenen“ Bundesstaat fuhr oder nur<br />

durch den Zipfel eines solchen Staates.<br />

Die Situation an der USC, speziell an dem mir zugewiesenen<br />

Institute for Juvenile Justice and Delinquency gestaltete<br />

sich für mich eigenartig, es war mehr eine Polizisten-<br />

Ausbildung. Hundeführung und Umgang mit Schusswaffen<br />

gehörten dazu. Vor allem aber Besuche von diversen Strafanstalten,<br />

sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene.<br />

In San Quentin bekam ich die Gelegenheit, die Gaskammer<br />

zu besichtigen, und es wurden mir die mit einer Hinrichtung<br />

verbundenen Einzelheiten, insbesondere der Geschehensablauf,<br />

erläutert. Ich bekam sogar die Einladung, bei<br />

einer Hinrichtung im Oktober 1954 dabei zu sein. Der<br />

Delinquent hieß Caryl Chessman, der seinerzeit wohl<br />

prominenteste Todeskandidat in Amerika. Er war, in der<br />

Todeszelle an die 10 Jahre auf seine Hinrichtung wartend,<br />

literarisch in Erscheinung getreten und hatte als Autor<br />

großen Erfolg gehabt. Die Einladung zu seinem letzten<br />

Gang freilich habe ich höflich abgelehnt. Ich war damals<br />

schon entschiedener Gegner der Todesstrafe. (Tatsächlich<br />

wurde Chessman auch erst 1960 hingerichtet.)<br />

NATÜRLICH HABE ICH mich während des Studienaufenthalts<br />

auch ernsthaften Dingen zugewandt, habe,<br />

wie es erwartet wurde, auch ein master’s degree erworben. Die<br />

Magisterarbeit hatte das deutsche Scheidungsrecht zum<br />

Gegenstand, sie wurde lektoriert und auszugsweise sogar<br />

veröffentlicht in the American Journal <strong>of</strong> Comparative Law.<br />

Auch habe ich gute Fortschritte im Erlernen der englischen<br />

Sprache gemacht, von der ich in grenzenloser Selbstüberschätzung<br />

meinte, ich spräche sie ohne jeden Akzent, und<br />

wenn Akzent, dann den von Kalifornien.<br />

Berichtenswert könnte sein, wie ein aus Deutschland<br />

kommender Student seinerzeit davon beeindruckt war, dass<br />

praktisch jeder amerikanische Student sein eigenes Auto<br />

besass – und wie herrlich und glitzernd diese Autos waren!<br />

In Deutschland besass ein Student allenfalls ein Fahrrad. Der<br />

Wunsch, ebenfalls Autobesitzer zu werden und nicht als<br />

armes Würstchen zu erscheinen, steigerte sich in regelrechte<br />

Gier. Aber woher das Geld nehmen? Von zu Hause hatte ich<br />

nichts zu erwarten, meine Eltern lebten in der DDR. Und<br />

was man von der amerikanischen Regierung im Rahmen des<br />

Stipendiums zur Bestreitung des Lebensunterhalts bekam,<br />

war so knapp bemessen, dass man nur bei äußerster<br />

Sparsamkeit damit auskam. Ich meine mich zu erinnern,<br />

dass es im Monat 150 Dollar waren, aber da kann ich mich<br />

irren. Die Studentenbude, immerhin ausgestattet mit<br />

Dusche und Kühlschrank, kostete 30 Dollar, allerdings nicht<br />

gerade in einer guten Wohngegend gelegen. So also nahm<br />

ich eine Arbeit an als stockboy bei Bullocks Downtown,<br />

Abteilung Damenoberbekleidung, wobei es meine Aufgabe<br />

war, die Kleidungsstücke, die den Kundinnen gezeigt worden<br />

waren, wieder auf die Bügel zu hängen. Meine Chefin<br />

(so eine Art Oberverkäuferin in der Abteilung) konnte oder<br />

wollte sich meinen Namen nicht merken und bekundete<br />

mir, sie werde mich „Fritz“ nennen. Ich verdiente 1 Dollar<br />

die Stunde, wenig Geld für körperlich leichte und geistig<br />

noch leichtere Arbeit, aber die Arbeitsbescheinigung half<br />

mir, bei einer Bank einen 500-Dollar-Kredit zu bekommen,<br />

6 7<br />

w<strong>of</strong>ür ich mein Traumauto erstand: ein Chevrolet Cabriolet,<br />

Automatik mit Weißwandreifen, Baujahr 1949. Nie wieder<br />

habe ich mich über ein Auto so sehr gefreut wie über dieses<br />

Auto. Ich bin manchmal aus dem Bett aufgestanden, um es<br />

mir auf der Straße bei nächtlicher Beleuchtung anzusehen.<br />

In besonders schöner Erinnerung habe ich die zahlreichen<br />

Parties, zu denen vor allem wohlhabende amerikanische<br />

Familien Studenten aus aller Herren Länder einzuladen<br />

pflegten. In der Regel waren es – im sonnendurchfluteten<br />

Südkalifornien – Grillparties. Üblich war es, dass im Laufe<br />

eines solchen Abends einer der eingeladenen Studenten das<br />

Wort ergriff und sich im Namen aller Gäste bei den Gastgebern<br />

bedankte. Als ich damit einmal an der Reihe war,<br />

passierte es mir, dass ich statt für die entgegengebrachte hospitality<br />

für die entgegengebrachte hostility dankte. Peinlich,<br />

peinlich. Nur leider habe ich diese Geschichte auch mal von<br />

jemand anderem, dem sie passiert sein soll, erzählt bekommen.<br />

Seither habe ich Zweifel, ob meine Geschichte stimmt.<br />

Ich berichte sie aber bona fide.<br />

Dr. Weddig Fricke studierte Jura an der Freiburger Albert-<br />

Ludwigs-Universität, bevor er 1953 in die USA ging, um<br />

mit einem <strong>Fulbright</strong>-Stipendium an der University <strong>of</strong> Southern<br />

California zu studieren. Vor 43 Jahren hat er die<br />

Anwaltskanzlei Dr. Fricke & Partner in Freiburg mit<br />

Büros in Dresden und Straßburg gegründet und ist jetzt dort<br />

Senior Partner. Schwerpunktmäßig ist die Kanzlei auf das<br />

Familien- und Erbrecht ausgerichtet. Auf diesen Rechtsgebieten<br />

ist er publizistisch in Erscheinung getreten (Verlag<br />

Karl Alber, Freiburg), ferner auf dem Gebiet des Rechts der<br />

<strong>of</strong>fenen Vermögensfragen (Verlag C.H. Beck, München).<br />

Näheres ist im Internet unter www.dr-fricke-partner.de.<br />

Nach Ablauf des einjährigen Stipendiums wurde meine<br />

Aufenthaltserlaubnis noch um vier Monate verlängert. Ich<br />

bekam eine Anstellung als sogenannter counselor beim<br />

YMCA (Christlicher Verein Junger Männer) in Whittier, der<br />

Geburtsstadt des späteren Präsidenten Richard Nixon, etwa<br />

50 Meilen nordöstlich von Los Angeles. Die Gruppe, die ich<br />

anfangs zu betreuen hatte, bestand aus ca. 20 fünf- bis sechsjährigen<br />

Jungen. Meine Fächer waren swimming und Indian<br />

dancing. So übte ich Indianertänze ein, erst für mich selbst<br />

und dann mit den Kindern. Besonders eindrucksvoll waren<br />

die „Tänze auf dem Kriegspfad“, die mit einem kleinen<br />

Holzbeil in der Hand getanzt wurden. Man mußte darauf<br />

achten, dass die Kommantschen anders tanzten als die<br />

Apachen, und die Sioux tanzten noch wieder anders.<br />

Kaum zu begreifen, dass ich doch wieder glücklich war,<br />

als das Schiff – dieses Mal war es die ‚Saturnia‘, ein alter italienischer<br />

Dampfer aus dem Jahre 1929 – von New York in<br />

Richtung Europa ablegte. Ich hatte plötzlich Sehnsucht nach<br />

dem Krähen eines Hahnes am frühen Morgen oder nach einer<br />

typisch deutschen kleinen Stadt und trat meine erste Referendarstation<br />

beim Amtsgericht in Überlingen (Bodensee) an.

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