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The First Class of Fulbrighters - Fulbright-Kommission

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No Dollar, No Bed<br />

von Werner Freiesleben<br />

IM JULI 1953 traf ich mit ca. 170 weiteren deutschen<br />

<strong>Fulbright</strong>-Stipendiaten nach einem 24-stündigen Flug ab<br />

Düsseldorf mit Zwischenlandungen in Kopenhagen, Glasgow,<br />

Shannon, Neufundland und Boston in New York ein<br />

und verbrachte dort in einem Hotel in der 57. Straße vier<br />

aufregende Tage. Wegen der beachtlichen Hitze waren im<br />

Hotel (das noch keine Klimaanlage hatte) sämtliche Türen<br />

<strong>of</strong>fen gehalten durch ein mit der Sperrkette eingeklemmtes<br />

New Yorker Telefonbuch.<br />

Dann ging’s in’s orientation center an die Duke University<br />

in Durham, North Carolina. Dort waren Stipendiaten aus<br />

ca. 40 Nationen zusammengekommen. Pr<strong>of</strong>. Hanson leitete<br />

das Programm. Wir besuchten im damals noch durch<br />

segregation abgetrennten Schwarzenviertel von Durham unter<br />

anderem auch einen Gottesdienst, der mir deshalb in Erinnerung<br />

blieb, weil auf den (sehr) notwendigen Papierfächern<br />

das Vaterunser abgedruckt war.<br />

Ein anderer Ausflug führte uns nach Oak Ridge, Tennessee,<br />

wo wir das American Museum<br />

<strong>of</strong> Atomic Energy besuchen konnten.<br />

Bei einem Zwischenstop an einer<br />

riesigen Schleuse der Tennessee River<br />

Valley Authority bewegten die<br />

Zuständigen das gewaltige Schleusentor<br />

– nur um uns ausländischen Studenten<br />

zu zeigen, wie das geht – und<br />

verbrauchten dabei eine elektrische<br />

Energie, die eine deutsche Kleinstadt<br />

einen Monat lang beleuchtet hätte.<br />

Die Großzügigkeit und Gastfreundschaft,<br />

die uns überall begegneten, war tief beeindruckend.<br />

EINE AUFSCHLUSSREICHE EPISODE erlebte ich<br />

noch in der Cherokee Indian Reservation. Dort fand ich<br />

einen Laden mit der Aufschrift „Original Indian Handcraft“.<br />

Es gab hübsche bemalte Totempfähle und dergleichen. Wie<br />

ich einen davon in die Hand nahm und umdrehte, las ich<br />

auf einem Boden den Stempel „Made in Japan“. Damit ging<br />

ich zum würdigen Häuptling, der in seinem Federschmuck<br />

das Geschehen mit halb geöffneten Augen verfolgte. Ich<br />

meinte: „How come? Original Indian handcraft made in<br />

Japan?“ Er musterte mich ruhig und entgegnete: „We are<br />

here only 600 Indians but 4 million visitors come each year. What<br />

do you want?“ Ich zog ab und widmete mich in der Freizeit<br />

– zurück in Durham – wieder dem Sammeln von Volksliedern<br />

aus den verschiedenen Nationen.<br />

Auf dem neugotischen Turm der Duke University hatte<br />

der dorthin ausgewanderte Sohn des Organisten der Kathedrale<br />

von Antwerpen ein Carillon eingebaut, ein Instrument,<br />

das ich von Holland und Flandern her kannte. Dort<br />

durfte ich mehrmals zur Mittagsstunde jeweils eine der<br />

Nationalhymnen spielen. Auch unter den amerikanischen<br />

Nur um uns ausländischen<br />

Studenten zu zeigen, wie das<br />

Schleusentor funktioniert,<br />

haben sie eine elektrische<br />

Energie genutzt, die eine<br />

deutsche Kleinstadt einen<br />

Monat lang beleuchtet hätte.<br />

Studenten des Campus fanden sich musizierende Freunde<br />

zum häufigen Gang in das Music Department, das ca. 2 Kilometer<br />

entfernt im Girls Campus angesiedelt war.<br />

Vom Taschengeld, das wir am ersten Tag erhielten, hatte<br />

ich bis zum Ende des orientation center ca. 100 $ sparen können.<br />

Um diesen Betrag zu erhöhen, buchte ich zur Rückfahrt<br />

nach New York (ich durfte das Polytechnic Institute <strong>of</strong><br />

Brooklyn – damals eine der besten Chemie-Schulen – für<br />

mein Studienjahr wählen) den Greyhound Bus anstelle des<br />

zur Verfügung gestellten Pullman tickets. In Richmond, Virginia,<br />

war in einen Direktbus nach New York über Washington,<br />

D.C. zu wechseln. Neben mir saß ein junger Mensch,<br />

der ebenfalls nach Manhattan wollte und mit dem ich<br />

in ein anregendes Gespräch kam. Im Busbahnh<strong>of</strong> Washington<br />

hielten wir direkt vor einem men’s room. Ich bat meinen<br />

Nachbarn, eine Minute lang auf meine Jacke und meine<br />

Tasche (im Gepäcknetz – der K<strong>of</strong>fer war aufgegeben worden)<br />

aufzupassen. Als ich zurückkam, war der junge Mann<br />

mit meiner Jacke, der Tasche und –<br />

leider – auch mit Geld und meiner<br />

Fahrkarte (beides in der Jacke) verschwunden.<br />

Der Busfahrer konnte sich<br />

an nichts erinnern, meinte aber er sei<br />

noch lange genug da, bis ich den Verlust<br />

gemeldet hätte. Der dispatch <strong>of</strong>ficer<br />

nahm meine Meldung sachlich entgegen,<br />

als ich jedoch zurückkam, war<br />

„mein“ Bus abgefahren und damit auch<br />

der Fahrer, der wusste, dass ich bis<br />

New York bezahlt hatte. Nur mit Hilfe<br />

des dispatch <strong>of</strong>ficers nahm mich ein weiterer New Yorker<br />

Bus mit und lud mich am Samstag, 4. September 1953,<br />

morgens ca. 4.00 Uhr im Busbahnh<strong>of</strong> Manhattan,<br />

38. Straße, ab. Nur in Hemd und Hose hatte ich nicht<br />

einmal einen dime, um die einzige Adresse, die ich in New<br />

York kannte, anzurufen.<br />

Über den Busbahnh<strong>of</strong> an der 52. Straße, wo auch nichts<br />

abgegeben oder gefunden worden war, lief ich zu meiner<br />

Adresse an der 110. Straße West. Dort war niemand anzutreffen.<br />

Nachbarn sagten mir, es sei Labor Day Weekend<br />

(inklusive Montag) und fast alle seien verreist.<br />

IN ERINNERUNG HATTE ICH, dass ich die<br />

ersten beiden Nächte bis Semesterbeginn im YMCA Brooklyn<br />

verbringen sollte und machte mich dorthin (hungrig)<br />

auf den Weg. Angekommen gegen 19.00 Uhr verlangte<br />

man 2 $ für die erste Nacht. Hatte ich nicht. „No Dollar, no<br />

bed” endete die Anfrage.<br />

Meine nun einsetzenden Versuche, einen Job zu finden,<br />

scheiterten bis gegen 21.30 Uhr am Fehlen einer Social Security<br />

Card. Dann erst fand ich Arbeit: Müll schaufeln für<br />

1,25 $ / Stunde, vier Stunden lang in einem 24 Stunden

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