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The First Class of Fulbrighters - Fulbright-Kommission

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Instructor aus Versehen,<br />

Pr<strong>of</strong>essor für das Leben<br />

von Helmut Sauer<br />

IM HERBST 1952 hatte ich mich für ein Studium in<br />

den USA um ein <strong>Fulbright</strong>-Stipendium beworben. Ich kann<br />

mich noch gut an die einzelnen Stationen des Bewerbungsprozesses<br />

erinnern. Pr<strong>of</strong>. Heise, den ich um eines der<br />

geforderten Gutachten bat, sagte zu meiner Verwirrung, ich<br />

möge bitte das Gutachten über mich selber schreiben und<br />

ihm vorlegen. Als ich den Englischdozenten um Durchsicht<br />

meines Eigengutachtens bat, lernte ich zum ersten Mal<br />

etwas über amerikanische Mentalität und Verhaltensweise.<br />

An Stellen, an denen ich mich mit „good“ charakterisiert<br />

hatte, setzte er immer ein „excellent“. „Good“ wäre in Amerika<br />

eher unserem „befriedigend“ gleich zu setzen, außerdem<br />

ist man großzügig mit Lob. „Be quick<br />

with praise and slow with criticism!“<br />

lautet die Parole. Also für ein<br />

Stipendium, das einem Lotterie-<br />

Gewinn gleich kommt, ist nur ein<br />

„excellent“ gut genug!<br />

Genau erinnere ich mich an das<br />

Interview in der „Brücke“, einem deutsch-englischen<br />

Begegnungshaus in Göttingen, wo der einzige PH-Student<br />

nach vielen Uni-Studenten ins Kreuzverhör genommen<br />

wurde. Die Fragen betrafen meine Aktivitäten und Interessen,<br />

und ich konnte tatsächlich alle flott beantworten.<br />

Z.B. „Wann waren Sie zum letzten Mal im <strong>The</strong>ater?“<br />

Antwort: „In der letzten Woche.“ „Was haben Sie gesehen?“<br />

Antwort: „Emilia Galotti.“ „Was halten Sie von dem<br />

Stück?“ Antwort: „Nicht mehr zeitgemäß. Ein Vater würde<br />

heute seine Tochter nicht opfern.“ „Wie heißen die Abgeordneten<br />

Ihrer Heimatstadt in Bonn?“..... Als ich nach etwa<br />

20 Minuten den Raum verlassen durfte, war ich fest davon<br />

überzeugt, die nehmen mich. Erst später wurde mir klar<br />

warum.<br />

LEBEN OHNE SCHLÜSSEL<br />

Lawrence, Kansas, der Ort der University <strong>of</strong> Kansas, im<br />

Mittleren Westen der USA, wirkte nicht sehr einladend<br />

nach dem wunderschönen Madison, Wisconsin, wo ich eine<br />

unvergessliche orientation period erlebt hatte. Im September<br />

1953 war es dort heiß und trocken, der Rasen vor den<br />

Häusern war nur dort grün, wo er dauernd bewässert<br />

wurde. Alles Organisatorische klappte wieder vorzüglich.<br />

Amerikaner überlassen nichts dem Zufall. Mit Hilfe des<br />

Büros des foreign student advisor, William Butler, fand ich<br />

eine Unterkunft. Ich konnte mich entscheiden zwischen<br />

einem organized house on campus, was man gern wollte oder<br />

einem privaten Zimmer <strong>of</strong>f campus. Da ich meine privacy<br />

wollte, plädierte ich für das private Zimmer. Es wurde ein<br />

Zimmer im Keller des Hauses der Familie Richards. Bei<br />

“What do you want the<br />

keys for? We do not lock<br />

the house!”<br />

dessen Besichtigung ereignete sich diese von mir <strong>of</strong>t<br />

erzählte Geschichte.<br />

Nachdem ich mit Mrs. Richards über Zimmerpreis usw.<br />

einig geworden war, erwartete ich, dass sie mir die Zimmerund<br />

die Hausschlüssel geben würde. Als das nicht geschah,<br />

sagte ich etwa: „Could I have the keys, please.“ Worauf sie<br />

mich überrascht ansah und fragte: „What do you want the keys<br />

for?“ Was für eine merkwürdige Frage. Man mietet ein<br />

Zimmer, möchte selbstverständlich die Schlüssel, um seine<br />

neue Wohnung in Besitz zu nehmen, und wird gefragt,<br />

wozu man sie haben will. Ich habe verlegen geantwortet,<br />

ich könnte ja mal spät nach Hause kommen und wie sollte<br />

ich dann ins Haus kommen. Ihre<br />

wahrlich entwaffnende Antwort: „We<br />

do not lock the house, never!“<br />

Well, so war das damals in Kansas.<br />

Die Leute schlossen Haus und Wohnungen<br />

nicht ab. Und noch schöner,<br />

wenn sie verreisten, machten sie an<br />

der Hintertür die meistens gelbe Lampe an, die soll Mücken<br />

nicht so anziehen, so dass jeder wusste, die sind verreist! So<br />

habe ich das ganze Jahr weder einen Zimmer- noch einen<br />

Hausschlüssel gehabt. Diese Zeiten haben sich leider auch<br />

in Lawrence geändert.<br />

DA ICH IN DEUTSCHLAND schon die erste<br />

Lehrerprüfung bestanden hatte, wurde ich an der University<br />

<strong>of</strong> Kansas als graduate student eingestuft, was erhebliche Vorteile<br />

hinsichtlich Freizügigkeit und u.a. der Bibliotheksbenutzung<br />

hatte, wo ich meinen eigenen Arbeitsplatz bekam.<br />

Es bedeutete aber auch zusätzliche Arbeit in einigen Seminaren,<br />

z.B. courses für seniors. An einem der nächsten Tage in<br />

der orientation week ereignete sich wieder einer dieser Zufälle,<br />

die meistens Glücksfälle waren. Otto Suhling, ein<br />

anderer deutscher Austauschstudent, machte mich darauf<br />

aufmerksam, dass wir am nächsten Tag um 10 Uhr im German<br />

Department zu sein hätten. Ich war überrascht, denn<br />

davon wusste ich nichts und wunderte mich, warum das<br />

wohl so war. Also ging ich mit Otto am nächsten Tag zum<br />

German Department, wo wir freundlich als zukünftige<br />

Assistenten begrüßt wurden. Merkwürdigerweise kam mir<br />

nicht der Gedanke, dass es sich in meinem Falle um ein<br />

Missverständnis handeln könnte, es klang alles normal und<br />

einsichtig, dass nämlich diese Tätigkeit zu unseren Verpflichtungen<br />

als <strong>Fulbright</strong>-Studenten gehörte. So erhielt ich<br />

einen Stundenplan mit Anweisungen für einen regelmäßig<br />

zu erteilenden Konversations-Unterricht in Deutsch, der<br />

aber – welche Freude – nach der Anzahl der Wochenstunden<br />

bezahlt wurde.

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