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The First Class of Fulbrighters - Fulbright-Kommission

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Auch nach 50 Jahren – immer noch<br />

Danke Amerika<br />

von Hans Karl Kandlbinder<br />

ALS ICH MICH ALS EINUNDZWANZIG-<br />

JÄHRIGER mit einigen anderen glücklichen jungen<br />

Deutschen am 31. August 1953, ausgestattet mit 25 US<br />

Dollar in bar in Genua auf dem damals noch ziemlich<br />

neuen Luxusliner ‚Andrea Doria‘ (deren Jungfernfahrt erst<br />

kurz vorher stattgefunden hatte) in Richtung Neue Welt<br />

einschiffen konnte, war ein Lebenstraum dank USamerikanischer<br />

Stipendien für mich Wirklichkeit geworden.<br />

Schon vor dem Abitur (1951) am humanistischen<br />

Gymnasium meiner Heimatstadt Passau hatte ich mich<br />

vergeblich um einen Schüleraustausch nach den USA<br />

bemüht. Auch Bewerbungen für einen USA-Studentenaustausch,<br />

die ich aus meinen ersten Semestern von München<br />

aus einreichte, blieben erfolglos. So ging ich mit einem<br />

innerdeutschen Austauschprogramm im Sommersemester<br />

1953 zur neugegründeten Freien Universität nach Berlin<br />

und erlebte dort hautnah den „17. Juni 1953“, als der<br />

Volksaufstand in Ostdeutschland gegen die kommunistische<br />

Diktatur niedergeschlagen wurde.<br />

Meine USA-Bewerbung hielt ich aufrecht und Mitte<br />

Juli 1953 erreichte mich eine interessante Anfrage vom IIE<br />

(International Institute <strong>of</strong> Education) aus New York, wo<br />

damals die Stipendienbewerbungen <strong>of</strong>fenbar verwaltungsmäßig<br />

zusammengefasst wurden, mit folgendem Inhalt:<br />

Wenn ich ein Stipendium nach USA bekäme, könnte es<br />

doch sein, dass ich dort gelegentlich zu einem Vortrag eingeladen<br />

würde, weshalb man wissen möchte, worüber ich<br />

dann reden würde. Das <strong>The</strong>ma „Der 17. Juni 1953“ mit<br />

dem Untertitel „Berlin, die Insel im Roten Meer“ drängte<br />

sich geradezu auf und in diesem Sinne antwortete ich auch.<br />

Diese Antwort zündete! Noch im gleichen Monat Juli<br />

wurde ich nach Bonn zu einer Vorbereitungstagung eingeladen,<br />

wo ich Näheres zu meinen Stipendien erfuhr: Ein<br />

<strong>Fulbright</strong> Travel Grant eröffnete mir ein Stipendium des<br />

damaligen Rotary Club Districts 278 unter Federführung<br />

des Rotary Clubs Durham, North Carolina für das<br />

akademische Jahr 1953-54 an der Duke University in<br />

Durham, North Carolina wobei ein Duke scholarship die<br />

schon damals recht teuren Kosten von tuition and fees der<br />

Privat-Universität deckte. Ich hatte die einzige ‚Verpflichtung‘,<br />

die eigentlich eine Freude war, bei Anforderung von<br />

Rotary Clubs des Distrikts jeweils einen zwanzigminütigen<br />

Vortrag bei entsprechenden Meetings zu dem von mir<br />

angegebenen <strong>The</strong>ma zu halten.<br />

ES WAR DAMALS NICHT LEICHT, innerhalb<br />

von vier Wochen alle Impfungen, Papiere und Visa zusammen<br />

zu bekommen. Aber als ich einmal wegen dieser<br />

kurzen Zeit vorsichtig monierte, replizierte die Dame des<br />

US-Generalkonsulats, welche die Stipendienangelegenhei-<br />

8 9<br />

ten regelte, schlagfertig: „Seien Sie froh, dass Sie kein<br />

Telegramm erhalten haben mit den Worten: Bitte reisen<br />

Sie gestern!“ Beim US-Generalkonsulat in München wurde<br />

ich dann noch zu einem jungen Konsul allein ins Büro<br />

gebeten, der sich zunächst mit mir über meine USA-<br />

Erwartungen unterhielt, aber plötzlich sprang er auf, holte<br />

eine Kerze aus seinem Schreibtisch heraus, stellte sie auf,<br />

zündete die Kerze an und forderte mich auf, die Eidesformel<br />

nachzusprechen, wonach ich mich verpflichtete,<br />

dieses US-Stipendium niemals dazu zu benutzen, um in die<br />

USA einzuwandern. Ich habe diesen Eid sehr ernst genommen<br />

und von dieser eidlich beschworenen Verpflichtung<br />

immer gleich erzählt, wenn sich zarte Bande zu entwickeln<br />

schienen, damit ja keine H<strong>of</strong>fnungen bei den Freundinnen<br />

aufkommen konnten.<br />

IN MEINER HEIMATSTADT PASSAU stand es<br />

natürlich in der Zeitung, dass Hans Kandlbinder ein USA-<br />

Stipendium erhalten hatte – aber dies hatte leider nicht<br />

nur positive Reaktionen zur Folge: Einer meiner konservativen<br />

Gymnasiallehrer, ein langjähriger Duz-Freund meines<br />

Vaters, sprach auf <strong>of</strong>fener Straße sichtlich wirsch meinen<br />

Vater an: „Karl, Dein Sohn, der spinnt!“ Warum, fragte<br />

mein Vater zurück. „Weil er nach Amerika geht zum<br />

Studieren; der ist für unsere Kultur verloren!“ Als mein<br />

Vater darauf nichts antwortete, schloss sein Freund: „So,<br />

Karl, du billigst das auch noch. Dann sind wir zwei<br />

geschiedene Freunde!“ Sprach’s, drehte sich um und ging<br />

weg – und so lange beide lebten, wechselten sie nie wieder<br />

ein Wort miteinander.<br />

„Seien Sie froh, dass Sie kein Telegramm<br />

erhalten haben, mit den Worten:<br />

,Bitte reisen Sie gestern!‘“<br />

Mein Vater hatte mir schon vor meiner Abreise noch<br />

im August 1953 von dieser Meinungsäußerung eines<br />

immerhin in der Kleinstadt geachteten Intellektuellen<br />

erzählt, weshalb ich mit meinen Amerika-Erfahrungen von<br />

Anfang an sehr nachdenklich umging und nichts unkritisch<br />

rezipierte. Noch heute aber kann ich sagen: Dieses<br />

Amerika-Stipendium war der höchste Segen, der mein<br />

Leben positiv radikal beeinflusst hat, vor allen mein<br />

Demokratieverständnis wurde implantiert, wenn auch<br />

naturgemäß weniger Positives nicht fehlte.<br />

Zu diesen wenigen negativen Erlebnissen gehörte folgendes<br />

gleich bei der Einschreibung: Dean Weatherspoon gab<br />

mir das Einschreibeformular und musste sich gleich die<br />

erstaunte Rückfrage gefallen lassen, was ich denn unter der

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