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Das Post- und Fernmeldewesen im europäischen Integrationsprozess 95
2. Rahmenbedingungen der Integration
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer grundsätzlichen Neuordnung
der globalen PTT-Zusammenarbeit. Die beiden bis dato existierenden
Weltorganisationen „Union Internationale des Télécommunications“ (Fernmeldeunion)
und „Union Postale Universelle“ (Weltpostverein), deren Aufgaben in der Koordination
der grenzüberschreitenden Nachrichtenübermittlung lagen, formierten sich als
Sonderorganisationen der UNO. Sie brachen dabei ihre eurozentristische Struktur auf,
die sich vorher in einem Stimmenungleichgewicht zu Gunsten Europas manifestiert
hatte und nun abgeschafft wurde. Die internationale PTT-Zusammenarbeit konnte nicht
mehr derart beeinflusst werden, dass europäische Interessen Vorrang genossen, wie
beispielsweise die Zuteilung der günstigsten Frequenzen an die Staaten Europas oder
die Erhebung europäischer Telekommunikationstechnik zu globalen Standards. Als
Folge hieraus waren die europäischen PTT-Verwaltungen gezwungen, Formen der
Zusammenarbeit zu entwickeln, 4 die den Verlust der globalen Organisationen als
europäisches Forum kompensieren konnten: Einerseits galt es, innereuropäische
Angelegenheiten vermehrt untereinander zu regeln und andererseits im Weltpostverein
und der Fernmeldeunion geschlossen aufzutreten. 5 Die Verwaltungen hofften, so die
traditionelle Vormachtstellung in den globalen Organisationen nicht gänzlich aufgeben
zu müssen. 6
Die Intensivierung des innereuropäischen PTT-Verkehrs hatte nach dem Zweiten
Weltkrieg zu einer Vielzahl von Konferenzen und Abkommen auf bi- und
multilateraler Basis geführt. 7 Festere Formen der Zusammenarbeit bildeten sich
hingegen nur in der Nordischen Postunion zwischen Dänemark, Finnland, Island,
Norwegen und Schweden 8 und einer Verwaltungskooperation der BeNeLux-Staaten. 9
Eine niederländisch-deutsche Initiative zur Gründung einer europäischen
Postorganisation im Rahmen des Europarates scheiterte, 10 da einzelne Staaten den
4. Vgl.: Rede des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf der Präsidentenkonferenz
in Konstanz am 24.6.1950, in: APF, Nr.10 1950, S.773-791.
5. Zur Begründung hieß es, „bei der vorigen Konferenz (waren) mehrfach gute Vorschläge
europäischer Länder verworfen oder in weniger guter Fassung angenommen worden, weil sich die
europäischen Länder nicht frühzeitig auf eine bestimmte, einheitlich zu vertretende Fassung
geeinigt hatten.“ Vgl.: Geheimes Memorandum der Post an den Postminister vom 22.12.1955.
Bundesarchiv Koblenz [BArch], B257/342.
6. Vgl.: BArch Koblenz, B257/7811.
7. Vgl.: A. GEERLING, Das Post- und Fernmeldewesen in der europäischen Integration, in: Jahrbuch
des Postwesens, Heidecker, Berlin, 1958, S.183.
8. Die Vorgängerorganisation lässt sich bis ins das Jahr 1869 zurückverfolgen.
9. Vgl.: E. BURN, La Conférence Européenne des Administrations des Postes et des
Télécommunications: son but, sa structure, son développement et ses possibilités futures, Bern,
1970. (Bericht für höhere PTT-Funktionäre), CEPT-Archiv Kopenhagen.
10. Vgl.: Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten des Bundeskanzleramtes: 021-10 II/12275/50.
BArch Koblenz, B257/5517.