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94 Christian Franke sowie die Organe und Gremien von EGKS/EWG und Europarat. Unter inhaltlichen Zielen werden die konkreten Aufgabenbereiche und angestrebten Kooperationsziele zusammengefasst, die in die gemeinsame Entscheidungsfindung überführt werden sollen. Sie lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: 1) Wirtschaftliche Ziele: Als wirtschaftliche Ziele werden solche erfasst, die technische und tarifäre Handelshemmnisse im Bereich des europäischen Binnenmarktes abbauen und auf diese Weise direkte wie indirekte Behinderungen des Warenverkehrs minimieren. Hierzu zählten Aufgaben wie die Einführung einheitlicher Gewichtsklassen bei Briefen und Paketen sowie einheitliche Postoder Telefongebühren. Derartige Gebühren beeinflussten maßgeblich die Kosten des innereuropäischen Warenverkehrs und konnten Standortvorteile erzeugen. Effiziente, kostengünstige und grenzüberschreitende Telekommunikationsnetze sind zudem die Voraussetzung, um Informationen auszutauschen und damit separate Märkte in einem gemeinsamen Markt zu verschmelzen. Das PTT-Wesen wird von Akteuren, die wirtschaftliche Ziele verfolgen, in der Regel als ein Mittel auf dem Weg zur wirtschaftlichen Einigung Europas angesehen. 2) Verwaltungstechnische Ziele: Verwaltungstechnische Ziele lassen sich unter dem Dach der Effektivisierung der innereuropäischen Kooperation nationaler Verwaltungen subsumieren. Hierzu zählten Aufgaben wie die Verbesserung des grenzüberschreitenden Posttransports, die Errichtung europäischer Telekommunikationsnetze, die Koordinierung der Nutzung von Funkfrequenz oder ein koordiniertes Auftreten bei globalen Fragen des PTT-Wesens. Als zentrale Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele galt die Angleichung der verwaltungsinternen Strukturen. Die Integration im PTT-Wesen wird als ein eigenständiges Ziel bewertet. Unter organisatorischen Leitbildern sind (Ideal-)Typen des organisatorischen Rahmens zu verstehen. Mit ihnen hoffen die Akteure, die angestrebten inhaltlichen Ziele am effektivsten umzusetzen. Für das PTT-Wesen lassen sich drei Integrationsleitbilder ausmachen. Erstens. „Institutionell-gouvernementale“ Integration: Die Entscheidungsfindung soll im Rahmen einer intergouvernementalen Zusammenarbeit erfolgen, einen klar definierten organisatorischen Rahmen besitzen und bindende Beschlüsse europäischer Gremien beinhalten. Hinter diesem Leitbild steckte die politische Idee, das PTT-Wesen in ein Geflecht europäischer Institutionen einzubinden. Zweitens. „Funktionell-administrative“ Integration: Die Entscheidungsfindung soll durch kooperierende Verwaltungseinheiten erfolgen, unabhängig von politischen Richtlinien erfolgen und nur so weit in einen größeren organisatorischen Rahmen eingebunden sein, wie die praktische Zusammenarbeit der Verwaltungen dadurch nicht behindert wird. Drittens. „Institutionell-ministerielle“ Integration: Die Entscheidungsfindung wird auf intergouvernementaler Ebene angestrebt, allerdings insofern eingeschränkt, dass die PTT-Ministerien bindende Beschlüsse in den europäischen Gremien fällen dürfen, ohne ihre Regierungen oder andere Ministerien konsultieren zu müssen. Hinter diesem Leitbild verbarg sich das politische Interesse, die Vorteile der Einbindung in ein europäisches Organisationsgeflecht mit denen der weitgehend unabhängigen, funktionellen verwaltungstechnischen Zusammenarbeit zu verbinden.
Das Post- und Fernmeldewesen im europäischen Integrationsprozess 95 2. Rahmenbedingungen der Integration Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer grundsätzlichen Neuordnung der globalen PTT-Zusammenarbeit. Die beiden bis dato existierenden Weltorganisationen „Union Internationale des Télécommunications“ (Fernmeldeunion) und „Union Postale Universelle“ (Weltpostverein), deren Aufgaben in der Koordination der grenzüberschreitenden Nachrichtenübermittlung lagen, formierten sich als Sonderorganisationen der UNO. Sie brachen dabei ihre eurozentristische Struktur auf, die sich vorher in einem Stimmenungleichgewicht zu Gunsten Europas manifestiert hatte und nun abgeschafft wurde. Die internationale PTT-Zusammenarbeit konnte nicht mehr derart beeinflusst werden, dass europäische Interessen Vorrang genossen, wie beispielsweise die Zuteilung der günstigsten Frequenzen an die Staaten Europas oder die Erhebung europäischer Telekommunikationstechnik zu globalen Standards. Als Folge hieraus waren die europäischen PTT-Verwaltungen gezwungen, Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, 4 die den Verlust der globalen Organisationen als europäisches Forum kompensieren konnten: Einerseits galt es, innereuropäische Angelegenheiten vermehrt untereinander zu regeln und andererseits im Weltpostverein und der Fernmeldeunion geschlossen aufzutreten. 5 Die Verwaltungen hofften, so die traditionelle Vormachtstellung in den globalen Organisationen nicht gänzlich aufgeben zu müssen. 6 Die Intensivierung des innereuropäischen PTT-Verkehrs hatte nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Vielzahl von Konferenzen und Abkommen auf bi- und multilateraler Basis geführt. 7 Festere Formen der Zusammenarbeit bildeten sich hingegen nur in der Nordischen Postunion zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden 8 und einer Verwaltungskooperation der BeNeLux-Staaten. 9 Eine niederländisch-deutsche Initiative zur Gründung einer europäischen Postorganisation im Rahmen des Europarates scheiterte, 10 da einzelne Staaten den 4. Vgl.: Rede des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf der Präsidentenkonferenz in Konstanz am 24.6.1950, in: APF, Nr.10 1950, S.773-791. 5. Zur Begründung hieß es, „bei der vorigen Konferenz (waren) mehrfach gute Vorschläge europäischer Länder verworfen oder in weniger guter Fassung angenommen worden, weil sich die europäischen Länder nicht frühzeitig auf eine bestimmte, einheitlich zu vertretende Fassung geeinigt hatten.“ Vgl.: Geheimes Memorandum der Post an den Postminister vom 22.12.1955. Bundesarchiv Koblenz [BArch], B257/342. 6. Vgl.: BArch Koblenz, B257/7811. 7. Vgl.: A. GEERLING, Das Post- und Fernmeldewesen in der europäischen Integration, in: Jahrbuch des Postwesens, Heidecker, Berlin, 1958, S.183. 8. Die Vorgängerorganisation lässt sich bis ins das Jahr 1869 zurückverfolgen. 9. Vgl.: E. BURN, La Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications: son but, sa structure, son développement et ses possibilités futures, Bern, 1970. (Bericht für höhere PTT-Funktionäre), CEPT-Archiv Kopenhagen. 10. Vgl.: Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten des Bundeskanzleramtes: 021-10 II/12275/50. BArch Koblenz, B257/5517.
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