journal of european integration history revue d'histoire de l ...

journal of european integration history revue d'histoire de l ... journal of european integration history revue d'histoire de l ...

cere.public.lu
from cere.public.lu More from this publisher
13.04.2015 Views

112 Christian Franke 5.3 Die CEPT-Ministerkonferenz Der italienische Fernmeldeminister Giovanni Spagnolli schlug im Rahmen einer Konferenz des „British Council of the European Movement“ in London (14./ 15.6.1967) vor, eine Konferenz der Fernmeldeminister der CEPT-Mitgliedsländer einzuberufen. Mit diesem Vorschlag entsprach er einer von den CEPT-Verwaltungen bereits mehrfach in Vollversammlungen geäußerten Forderung nach einer „institutionell-ministeriellen“ Integration zur Unterstützung ihrer Arbeit. 81 Der inhaltliche Kernpunkt sollte darin bestehen, die Empfehlungen der CEPT in verpflichtende nationale Bestimmungen umzuwandeln und eine gemeinsame europäische PTT-Politik zu formulieren. 82 Auf einer ersten Konferenz der PTT-Minister der CEPT-Staaten in Rom betonten die Minister die Notwendigkeit einer „institutionell-ministeriellen“ Erweiterung der CEPT, da 83 – erstens - die Entscheidungsbefugnisse der CEPT bei Fragen der Fernmeldesatelliten zu gering seien und sie deshalb zu passiv agiere, – zweitens – die Umsetzung der CEPT-Empfehlungen in die Praxis „zu wünschen übrig lässt”, 84 – drittens - die Verwaltungen vielfach nicht gewillt seien, ihre Partikularinteressen dem Gemeinschaftsinteresse unterzuordnen und eine nationale Umsetzung ungeliebter Gemeinschaftsbeschlüsse blockierten, 85 und- viertens – ansonsten langfristig eine „institutionell-gouvernementale“ Integration im Rahmen der EWG zu erwarten sei. Durch koordinierte europäische Entscheidungen sollte die CEPT klare Richtlinien für ihre Arbeit erhalten. 86 Die fruchtbaren Ansätze der CEPT, in der die Minister ein brauchbares Instrument sahen, um die europäischen Interessen nach außen zu vertreten, sollten genutzt und weiterentwickelt werden. 87 Als typisches Beispiel solcher Ansätze bezeichnete die Ministerkonferenz das seit 1963 bestehende CEPT-Clearing, ein System der multilateralen Verrechnung von finanziellen Forderungen, das sogar großen Wirtschaftsunternehmen offen stand. Hieran hatten sich einige Länder noch nicht beteiligt, weil es zu Abstimmungsproblemen zwischen Verwaltung und Ministerium gekommen war. 88 Uneinigkeit herrschte noch in der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage sich die Ministerkonferenz organisieren sollte. Während der belgische PTT-Minister die Gründung einer formellen Organisation befürwortete, plädierte die Mehrheit der anwesenden Minister, insbesondere diejenigen aus 81. Vgl.: BArch Koblenz, B257/23567. 82. Vgl.: Gesprächsmitschrift eines informellen Treffen zwischen Spagnolli und Postminister Dollinger. BArch Koblenz, B257/1402. 83. Vgl.: BArch Koblenz, B257/1402. 84. Vgl.: Mitschrift des Protokollanten. CEPT-Archiv Kopenhagen. 85. Vgl.: BArch Koblenz, B257/2413. 86. Vgl.: Protokoll der Tagung der Europäischen Minister des Post und Fernmeldewesens in Rom. CEPT-Archiv Kopenhagen. 87. Vgl.: H. FICKEL, Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen, in: H. STEINMETZ (Hrsg.), Handwörterbuch des Postwesens, Bundesdruckerei, Berlin, 1971, S.651-659. 88. Vgl.: Protokoll der Brüsseler Ministerkonferenz. CEPT-Archiv Kopenhagen.

Das Post- und Fernmeldewesen im europäischen Integrationsprozess 113 Großbritannien, Schweden und Deutschland, für regelmäßig einzuberufende, informelle Tagungen. 89 Die Konferenzteilnehmer einigten sich schließlich mit großer Mehrheit auf die informelle Variante, u.a. um ihre „funktionelle Autonomie“ zu wahren. 90 Die Tagungsinhalte sollten in enger Kooperation mit dem CEPT-Sekretariat erarbeitet werden und in erster Linie “die nicht vollumfänglich angewandten CEPT-Empfehlungen sowie auch andere Themata enthalten, welche ein jedes Land zu diskutieren wünscht”. 91 6. Schlussfolgerung Die europäischen Integrationsbestrebungen im PTT-Wesen in den 1950er und 1960er Jahren wurden von zwei unterschiedlichen inhaltlichen Zielen der beteiligten Akteure bestimmt: Das erste, einen Beitrag zur harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens und zur Beseitigung von Wettbewerbshemmnissen im gemeinsamen Wirtschaftsraum Europa bzw. dem Gemeinsamen Markt zu leisten, gehörte in den Kontext der Europäischen Einigungsbestrebungen und wurde von außen an das PTT-Wesen herangetragen. Das zweite, die Zusammenarbeit der europäischen PTT-Verwaltungen effektiver zu gestalten, resultierte aus der Notwendigkeit einer intensiveren Kooperation der Verwaltungen in praktischen Aufgabenbereichen wie Fragen des innereuropäischen Posttransports, der Planung von europäischen Telekommunikationsnetzen oder der Zusammenarbeit in den globalen Organisationen. Für dieses Ziel war eine breitere Mitgliederbasis als die der EWG wünschenswert. Zwischen den Akteuren, die diese unterschiedlichen inhaltlichen Ziele umzusetzen wünschten, ließ sich in einem Punkt ein Konsens herstellen: Sie wollten eine Integration im PTT-Wesen, notfalls indem beide Ziele gleichzeitig umgesetzt würden. Unterschiedliche Auffassungen herrschten allerdings über deren organisatorische Struktur: Die nationalen Regierungen der EWG-Staaten und die Organe des Europarats forderten die „institutionell-gouvernementale“ Integration, da sie in ihr den besten Weg zur Umsetzung ihrer wirtschaftlichen Ziele sahen. Die Verwaltungen wollten hingegen ihre praktische Zusammenarbeit effektiver gestalten und schlugen eine „funktionell-administrative“ Integration vor. Sie waren überzeugt, dass sich aus ihr zwangsläufig ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Europas ergeben würde. Die PTT-Minister versuchten, mit der „institutionell-ministeriellen“ Integration einen Mittelweg einzuschlagen, der die Umsetzung beider Ziele ermöglichen würde. Die entscheidende Interessenkoalition bildeten die Verwaltungen und Ministerien der EWG-Staaten, die sich zwar an unterschiedlichen Integrationsleitbildern orientierten, jedoch beide eine „institutionell-gouvernementale“ Integration grund- 89. Vgl.: Gesprächsnotiz des Bundespostministers Dollinger. BArch Koblenz, B257/23575. 90. Vgl.: Mitschrift des Protokollanten. CEPT-Archiv Kopenhagen. 91. Vgl.: Abschlusskommuniqué der Tagung der europäischen Minister des Post- und Fernmeldewesens in Rom. CEPT-Archiv Kopenhagen.

112<br />

Christian Franke<br />

5.3 Die CEPT-Ministerkonferenz<br />

Der italienische Fernmel<strong>de</strong>minister Giovanni Spagnolli schlug im Rahmen einer<br />

Konferenz <strong>de</strong>s „British Council <strong>of</strong> the European Movement“ in London (14./<br />

15.6.1967) vor, eine Konferenz <strong>de</strong>r Fernmel<strong>de</strong>minister <strong>de</strong>r CEPT-Mitgliedslän<strong>de</strong>r<br />

einzuberufen. Mit diesem Vorschlag entsprach er einer von <strong>de</strong>n CEPT-Verwaltungen<br />

bereits mehrfach in Vollversammlungen geäußerten For<strong>de</strong>rung nach einer<br />

„institutionell-ministeriellen“ Integration zur Unterstützung ihrer Arbeit. 81 Der<br />

inhaltliche Kernpunkt sollte darin bestehen, die Empfehlungen <strong>de</strong>r CEPT in verpflichten<strong>de</strong><br />

nationale Bestimmungen umzuwan<strong>de</strong>ln und eine gemeinsame<br />

europäische PTT-Politik zu formulieren. 82<br />

Auf einer ersten Konferenz <strong>de</strong>r PTT-Minister <strong>de</strong>r CEPT-Staaten in Rom betonten<br />

die Minister die Notwendigkeit einer „institutionell-ministeriellen“ Erweiterung<br />

<strong>de</strong>r CEPT, da 83 – erstens - die Entscheidungsbefugnisse <strong>de</strong>r CEPT bei Fragen<br />

<strong>de</strong>r Fernmel<strong>de</strong>satelliten zu gering seien und sie <strong>de</strong>shalb zu passiv agiere, –<br />

zweitens – die Umsetzung <strong>de</strong>r CEPT-Empfehlungen in die Praxis „zu wünschen<br />

übrig lässt”, 84 – drittens - die Verwaltungen vielfach nicht gewillt seien, ihre Partikularinteressen<br />

<strong>de</strong>m Gemeinschaftsinteresse unterzuordnen und eine nationale<br />

Umsetzung ungeliebter Gemeinschaftsbeschlüsse blockierten, 85 und- viertens –<br />

ansonsten langfristig eine „institutionell-gouvernementale“ Integration im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r EWG zu erwarten sei. Durch koordinierte europäische Entscheidungen sollte<br />

die CEPT klare Richtlinien für ihre Arbeit erhalten. 86 Die fruchtbaren Ansätze <strong>de</strong>r<br />

CEPT, in <strong>de</strong>r die Minister ein brauchbares Instrument sahen, um die europäischen<br />

Interessen nach außen zu vertreten, sollten genutzt und weiterentwickelt wer<strong>de</strong>n. 87<br />

Als typisches Beispiel solcher Ansätze bezeichnete die Ministerkonferenz das seit<br />

1963 bestehen<strong>de</strong> CEPT-Clearing, ein System <strong>de</strong>r multilateralen Verrechnung von<br />

finanziellen For<strong>de</strong>rungen, das sogar großen Wirtschaftsunternehmen <strong>of</strong>fen stand.<br />

Hieran hatten sich einige Län<strong>de</strong>r noch nicht beteiligt, weil es zu Abstimmungsproblemen<br />

zwischen Verwaltung und Ministerium gekommen war. 88<br />

Uneinigkeit herrschte noch in <strong>de</strong>r Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage<br />

sich die Ministerkonferenz organisieren sollte. Während <strong>de</strong>r belgische<br />

PTT-Minister die Gründung einer formellen Organisation befürwortete, plädierte<br />

die Mehrheit <strong>de</strong>r anwesen<strong>de</strong>n Minister, insbeson<strong>de</strong>re diejenigen aus<br />

81. Vgl.: BArch Koblenz, B257/23567.<br />

82. Vgl.: Gesprächsmitschrift eines informellen Treffen zwischen Spagnolli und Postminister Dollinger.<br />

BArch Koblenz, B257/1402.<br />

83. Vgl.: BArch Koblenz, B257/1402.<br />

84. Vgl.: Mitschrift <strong>de</strong>s Protokollanten. CEPT-Archiv Kopenhagen.<br />

85. Vgl.: BArch Koblenz, B257/2413.<br />

86. Vgl.: Protokoll <strong>de</strong>r Tagung <strong>de</strong>r Europäischen Minister <strong>de</strong>s Post und Fernmel<strong>de</strong>wesens in Rom.<br />

CEPT-Archiv Kopenhagen.<br />

87. Vgl.: H. FICKEL, Europäische Konferenz <strong>de</strong>r Verwaltungen für Post und Fernmel<strong>de</strong>wesen, in:<br />

H. STEINMETZ (Hrsg.), Handwörterbuch <strong>de</strong>s Postwesens, Bun<strong>de</strong>sdruckerei, Berlin, 1971,<br />

S.651-659.<br />

88. Vgl.: Protokoll <strong>de</strong>r Brüsseler Ministerkonferenz. CEPT-Archiv Kopenhagen.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!