journal of european integration history revue d'histoire de l ...

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Christian Franke
Die Konferenz der EWG-Minister in Brüssel beschloss ein Statut für die EGPF 32
und einigte sich darauf, sie formell durch den Art.235 33 des EWG-Vertrages zu
gründen, laut dem der Rat der EWG zur Verwirklichung der Ziele des Gemeinsamen
Marktes die „geeigneten Vorschriften“ erlässt. 34 Das Statut setzte die
Integrationsleitbilder der Verwaltungen und PTT-Ministerien gleichermaßen um: Das
„funktionell-administrative”, indem verwaltungstechnische Ziele unabhängig von der
Vorgabe wirtschaftlicher Ziele durch die Verwaltungen ausgehandelt werden sollten.
Das „institutionell-ministerielle", indem die Organe der EGPF (ein Rat der
PTT-Minister, ein Ausschuss der Verwaltungen und ein Generalsekretariat) eine
„funktionelle Autonomie“ von der EWG erhalten sollten, um die interministerielle
Unabhängigkeit der nationalen Fachministerien von ihren Außen- und
Wirtschaftsministerien zu wahren. Gleichzeitig unterstrichen die Vertreter der sechs
Mitgliedstaaten die Absicht zusätzlich eine erweiterte Zusammenarbeit anzustreben. 35
4.2 Europaratsinitiative
Die erweiterte Konferenz (13.9.1958) sollte die Empfehlung Nr.143 des Europarats
aufgreifen und die Gründung einer „Europäischen Konferenz der Minister für das
Post- und Fernmeldewesen“ diskutieren. Erwartungsgemäß erhielt die Empfehlung
wenig Unterstützung, da eine „institutionell-gouvernementale“ Integration mit
Anlehnung an den Europarat und einer wirtschaftlichen Zielsetzung nur vom
Europarat selber gewünscht war. Stattdessen gelang es dem Schweizer
PTT-Generaldirektor Eduard Weber in einer richtungsweisenden Rede, der Idee
einer „funktionell-administrativen“ Interessengemeinschaft Rückenwind zu
verschaffen: Diese sollte unter Beiseitelassung aller politischer Erwägungen ihre
Angelegenheiten intern regeln können und den europäischen Ländern die
Möglichkeit eröffnen, durch ein kompaktes Auftreten in den globalen
Organisationen die traditionelle Vormachtstellung nicht vollends aufgeben zu
müssen. 36
Neben Großbritannien, mit dessen Ministerium und Verwaltung sich die
Schweizer bereits vorher auf informellem Weg in wesentlichen Punkten geeinigt
hatten, unterstützten auch die PTT-Verwaltungen der EWG-Staaten diese Idee.
Gegen den Widerstand der belgischen, französischen und italienischen
32. Vgl.: Entwurf eines Statuts der „Europäischen Gemeinschaft für das Post- und Fernmeldewesen”.
BArch Koblenz, B257/343.
33. Vgl.: Art.235 des Vertrags über die Gründung der EWG vom 25.3.1957: „Erscheint ein Tätigwerden
der Gemeinschaft erforderlich, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer
Ziele zu verwirklichen, und sind in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen,
so erläßt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Versammlung
die geeigneten Vorschriften”.
34. Vgl.: H. STEINMETZ, Die Europäische Gemeinschaft für das Post- und Fernmeldewesen, in:
Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen, 19(1958), S.737-739.
35. Vgl.: Tagungsprotokoll (Compte rendu des réunions plénières), BArch Koblenz, B257/6877.
36. Vgl.: BArch Koblenz, B257/25188.