journal of european integration history revue d'histoire de l ...
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Neoliberale Europa-Fö<strong>de</strong>rationskonzepte 1918-1945 29<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n, Dänemark, Norwegen, Schwe<strong>de</strong>n und Finnland, 74 bezogen hatte,<br />
hielt er es am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges für sinnvoller, einen verhältnismäßig engen Zusammenschluß<br />
in einem Fö<strong>de</strong>rativstaat zunächst auf ein kleineres Gebiet, einen Teil<br />
Westeuropas, zu beschränken und erst sukzessive auszu<strong>de</strong>hnen. 75 Dieser Kern<br />
eines europäischen Fö<strong>de</strong>rativstaats wür<strong>de</strong> auf gemeinsamen Grundlagen in <strong>de</strong>r<br />
Kultur, <strong>de</strong>n Weltanschauungen und <strong>de</strong>m Lebensstandard aufbauen. Im März 1945<br />
glaubte Einaudi <strong>de</strong>n Augenblick gekommen, „das Unmögliche zu wollen“ und die<br />
Fö<strong>de</strong>ration Europas zu verwirklichen, nach<strong>de</strong>m diese Lösung im Sommer 1940<br />
noch als Ergebnis eines sehr langen Prozesses erschienen war. 76 Einaudi hatte<br />
schon in seiner Flugschrift vom September 1943 und in seinem Essai von 1944<br />
nicht mehr von einer „Weltfö<strong>de</strong>ration“ gesprochen.<br />
Hatten die Realisierungschancen eines weltumspannen<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sstaates in<br />
<strong>de</strong>n theoretischen Entwürfen <strong>de</strong>r Zwischenkriegszeit noch keine vorrangige Be<strong>de</strong>utung<br />
innegehabt, so zwang die unmittelbare Aufgabe, eine konkretisierbare Neuordnung<br />
<strong>de</strong>r Wirtschaftsbeziehungen für die Nachkriegszeit vorzuschlagen, zur<br />
Ausrichtung nicht nur auf die theoretische Wünschbarkeit, son<strong>de</strong>rn auch auf die<br />
praktische Machbarkeit.<br />
Zur geographischen Redimensionierung <strong>de</strong>r neoliberalen Fö<strong>de</strong>rationskonzepte<br />
hatte das <strong>de</strong>finitive Scheitern <strong>de</strong>s Völkerbun<strong>de</strong>s wesentlich beigetragen. Für die auf<br />
<strong>de</strong>m europäischen Kontinent verbliebenen neoliberalen Nationalökonomen spielte<br />
die Konfrontation mit <strong>de</strong>n kriegsentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n außereuropäischen o<strong>de</strong>r als außereuropäisch<br />
empfun<strong>de</strong>nen Großmächten, insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>n Vereinigten Staaten<br />
von Amerika und <strong>de</strong>n von ihren Repräsentanten vorgebrachten Europaplänen, eine<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle. Das Bewußtsein, daß sich die machtpolitische Abdankung<br />
Europas – und zwar nicht <strong>de</strong>s „neuen Europas“ <strong>de</strong>r Goebbelsschen Propaganda,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s „Abendlan<strong>de</strong>s“, <strong>de</strong>s „alten Kontinents“ – vollziehe, 77 und das Bestreben,<br />
Europa gegenüber <strong>de</strong>r „jüngeren Nation“ (USA) abzugrenzen, sind als Motivation<br />
erkennbar, die bei Röpke und Einaudi zur Konzentration ihrer Bemühungen<br />
auf Europa geführt hat. 78 Die Großraum-I<strong>de</strong>ologie und die nationalsozialistische<br />
Europa-Propaganda, die nach <strong>de</strong>m Sieg über Frankreich in staatlichen Planungen<br />
74. C. STREIT, op.cit., S.6 f.<br />
75. F.A. von HAYEK, Der Weg zur Knechtschaft, op.cit., S.292.<br />
76. L. EINAUDI, Die Fö<strong>de</strong>rationsi<strong>de</strong>e vor einem Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt und heute, in: Neue Schweizer<br />
Rundschau, Nr.11, März 1945, S.660; L. EINAUDI, The Nature <strong>of</strong> a World Peace, in: Annals <strong>of</strong><br />
the American Aca<strong>de</strong>my <strong>of</strong> Political and Social Science, 210(1940), S.66.<br />
77. Zur zeitgenössischen Diskussion um die Abgrenzung <strong>de</strong>r „europäischen“ von <strong>de</strong>r „amerikanischen“<br />
Kultur: A. KELLER, Der Kampf <strong>de</strong>r Kontinente, in: NZZ, 6.6.1943, Nr.892; Redaktion<br />
NZZ, Gedanken über eine „Neuorganisation <strong>de</strong>r Welt“, in: NZZ, 13.11.1943, Nr.1787; E.<br />
SCHÜRCH, Unsere Frie<strong>de</strong>nsvorbereitungen, in: NZZ, 14.12.1943, Nr.2014; Redaktion NZZ,<br />
Staat und Wirtschaft in <strong>de</strong>n Vereinigten Staaten, in: NZZ, 28.2.1944, Nr.346; Redaktion NZZ,<br />
Amerikas und Europas Beiträge zum Wie<strong>de</strong>raufbau <strong>de</strong>r Welt, in: NZZ, 27.5.1944, Nr.897; H.-R.<br />
SCHWYZER, Besinnung auf Europa. Rezension von G. <strong>de</strong> Reynold, La formation <strong>de</strong> l'Europe,<br />
1944, in: NZZ, 20.3.1945, Nr.481.<br />
78. W. RÖPKE, Internationale Ordnung, op.cit., S.57 f.<br />
Einaudis Argumentation setzte bei <strong>de</strong>r ökonomischen Abdankung <strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>n USA „klein“ gewor<strong>de</strong>nen<br />
europäischen Nationalstaaten (Frankreich, Italien und Deutschland eingeschlossen) an.