Board games from the city of Vijayanagara (Hampi ... - Gioco dell'Oca.
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B OARD G AME S TUDIES 6, 2003<br />
auch für die Brücke, das Wirtshaus, das Labyrinth und das Gefängnis. Wer von jemandem<br />
geschlagen wird, der von einem “gefährlichen Ort” kommt, muß nicht nur an diesen<br />
gefährlichen Ort, sondern auch einen Satz zu den anderen legen und einen weiteren<br />
dem bezahlen, der ihn geschlagen hat. Im Irrgarten ist ein Satz zu bezahlen und drei<br />
Felder auf 39 zurückzugehen. Das Gefängnis kostet einen Satz und zwingt zum Warten,<br />
bis ein anderer Spieler dorthin kommt, auf dessen Ausgangsfeld man danach gehen darf.<br />
Geschieht dies in vier Runden nicht, läßt sich das Weiterspielen durch eine nochmalige<br />
Zahlung erkaufen. Die Umständlichkeit der Pönalisierung erscheint geradezu als<br />
Karikatur höfischer Umgangsrituale. Sie illustriert aber auch den Stellenwert des Spiels<br />
in der höfischen Gesellschaft, die das materielle Interesse nicht negiert, es aber im Medium<br />
der sozialen Interaktion realisiert. Doch gilt dies nur für die Spezialfelder, die <strong>of</strong>fenbar<br />
über den individuellen Interessen der Spielenden stehen. Denn wer auf ein normales<br />
besetztes Feld kommt, erhält vom dort Anwesenden “einen Satz in den beutel”. Der<br />
Getr<strong>of</strong>fene muß auf das Ausgangsfeld des Neuankömmlings zurück.<br />
Nach vierzehn Punkten beendet August seine Regeln. Ein fünfzehnter Punkt wird<br />
zwar ziffernmäßig initiiert, aber nicht mehr ausgeführt.<br />
Ulisse Aldrovandis Regeln und Interpretation entstammen dem Interesse an systematischer<br />
und enzyklopädischer Erfassung der Welt. Trotz des gelehrten Anspruchs entbehren<br />
seine Ausführungen nicht praktischer Beobachtung und Erfahrung, wovon nicht<br />
zuletzt die spielhistorisch relevanten Bemerkungen zu verschiedenen regionalen<br />
Ausformungen des Spiels zeugen. Herzog Augusts Regelwerk ist ebenfalls seinem gelehrten<br />
Interesse und insbesondere seiner intensiven Beschäftigung mit Spielen zuzuschreiben.<br />
Dabei hat sich August, ungeachtet der Tatsache, daß sich das älteste französische<br />
Spielblatt in der nach ihm benannten Biblio<strong>the</strong>k befindet, einer italienischen Vorlage<br />
bedient. Das wird aus der Bestimmung deutlich, vom Labyrinth auf Feld 39 zurückzugehen.<br />
Darüber hinaus scheint die Tatsache, daß sich August dem Spiel so ausführlich<br />
widmet, auch für die relative Neuheit des Spiels im deutschen Sprachraum zu sprechen.<br />
Jedenfalls ist sie ein zusätzlicher eindeutiger Beleg für die Rezeption und Verbreitung<br />
des Spiels in der Erwachsenenwelt der Aristokratie.<br />
Jenseits des Lustgartens<br />
Die Aufschwung- und Blütephase des Gänsespiels fällt mit seiner Akzeptanz in der<br />
höfisch-aristokratischen Gesellschaft im 17. Jahrhundert zusammen. Noch in der ersten<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts läßt Herzog Louis-Henri de Bourbon-Condé, Premierminister<br />
unter Ludwig XV., in seinem Schloßpark Chantilly ein begehbares Gänsespiel<br />
anlegen. (34) Die Menge der Adaptionen und Variationen sowie die <strong>the</strong>matische Vielfalt<br />
belegen die hohe Attraktivität. Eine kuriose Erklärung für das Zustandekommen einer<br />
Variation liefert unser Gewährsmann Hainh<strong>of</strong>er. In einer für Herzog August gedachten<br />
Beschreibung “eines schönen Künstlichen, Köstlichen, Nützlichen Tischblattes” zählt<br />
er die darin vorkommenden Spiele auf. So gibt es “von helfenbain (anstatt eines ganßspiels,<br />
weil das wortlin ganßspil beÿm frawenzimmer etwan sinistre mag ausgelegt werden)<br />
ein gestochenes afenspiel sehr sauber eingelegt” (zit. nach Gobiet 1984: 839). Dem<br />
Fortleben der Gänse hat dies aber keinen Abbruch getan, wenngleich hier und da tatsä-