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Board games from the city of Vijayanagara (Hampi ... - Gioco dell'Oca.

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72<br />

B OARD G AME S TUDIES 6, 2003<br />

Fehler besticht und um 1700 im süddeutschen Raum entstanden ist; hier sind 7 Felder<br />

zurückzufahren). (30) Der älteste datierte ausführliche Text mit Regeln des Gänsespiels,<br />

Giovanni Croces Lied von 1595, ist davon nicht ausgenommen. Indes: Auf dem Lyoner<br />

Spielblatt der Erben Benoist Rigauds von der Wende zum 17. Jahrhundert ist es Feld 30.<br />

Und so wollen es auch alle anderen mir bekannten französischen Gänsespiele. Auch die<br />

Regeln des “Jeu de l’oye” in der Erstausgabe der bekannten Regelsammlung La maison<br />

academique (Paris 1654) halten sich diesbezüglich an die Anweisungen auf den<br />

Spielplänen. Anstatt jedoch darin einen gewollten französischen Sonderweg zu sehen<br />

(einen solchen könnte man bei der oben beschriebenen Gestaltung des ersten Felds<br />

annehmen), ist sicher davon auszugehen, daß sich hier ein Übertragungs- oder besser<br />

Kopierfehler eingeschlichen und auf Dauer als unumstößliche Regel für französische<br />

Gänsespiele etabliert hat. Damit erscheint es als möglich, daß ein einziger französischer<br />

“Prototyp” nach einer italienischen (oder spanischen) Vorlage existiert hat, dem alle<br />

anderen nachgefolgt sind. Außerdem impliziert die solitäre französische Regel, daß von<br />

Frankreich aus kein (nennenswerter oder bekannter) Transfer des Gänsespiels in andere<br />

Länder stattgefunden hat und deshalb Italien als Ursprungsland und Transmissionszentrum<br />

noch mehr als bisher anzunehmen ist.<br />

Von kulturhistorischem Interesse sind Aldrovandis Bemerkungen über bestehende<br />

Freiheiten der Gestaltung. Er belegt somit verschiedene bereits etablierte Spielgewohnheiten<br />

und Varianten. Der Tod werde in gewissen Gegenden auf Nummer 42 gesetzt, wo<br />

in Bologna (“apud nos”) das Labyrinth sei. Und manche setzten auf Nummer 58, wo in<br />

Bologna der Tod abgebildet ist, den Teufel. Wer dorthin gerate, zahle den Einsatz und<br />

scheide aus. Das Feld mit dem Tod habe aber überall die gleiche Funktion. Und aus diesen<br />

Universal- und Spezialregeln (“ex regulis uniuersalibus et particularibus”) ergebe<br />

sich, daß in einem anderen Gänsespiel jüngst andere (Felder) hinzugekommen, andere<br />

aber weggelassen sein können. Aldrovandi bestätigt damit eine gestalterische Dynamik,<br />

die das Spiel schon in einer frühen Zeit durchgemacht hat.<br />

Den Wandlungsprozessen hält der Gelehrte indes eine Konstante entgegen, die er auf<br />

die Analyse der Bedeutung des Spiels stützt. Diese leitet er aus der arithmetischen<br />

Verteilung der Felder ab. Zunächst weist er auf die auf dreizehn Felder verteilten Gänse<br />

hin, wo die Spielenden nicht stehenbleiben können. Das Spiel zielt auf den Lustgarten der<br />

Gänse hin ausgerichtet, wo die Gänse fressen und saufen, sich erholen und im<br />

Schwimmbecken aufhalten (allerdings erwartet sie im Spiel von Coriolani hinter dem<br />

63. Feld eine Tischgesellschaft, die gerade genüßlich eine Gans zu verspeisen scheint).<br />

Zum Lustgarten gelangt man über sieben mal neun Nummern, die das klimaterische Jahr<br />

ausmachen. Die Theorie der kritischen oder Stufenjahre besagt, daß sich der menschliche<br />

Organismus in einem Zyklus von jeweils sieben Jahren (der Zahl der Planeten) gänzlich<br />

erneuere und in einen neuen Lebensabschnitt eintrete. Diese Theorie der Altersstufen<br />

war im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit beliebter St<strong>of</strong>f für gelehrte und populärwissenschaftliche<br />

Abhandlungen (Ariès 1978, 76f.). (31) Das Gänsespiel diente durch die<br />

Applikation dieser Theorie als Sinnbild des menschlichen Lebens. So schreibt der als<br />

Spieleautor bekannte Claude-François Ménestrier zum Klimaterikum von sieben mal<br />

neun Jahren: “Il semble que l’on ait voulu par le Jeu de l’Oye, faire un Systême du pro-

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