Board games from the city of Vijayanagara (Hampi ... - Gioco dell'Oca.
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M. ZOLLINGER, ZWEI UNBEKANNTE R EGELN DES G ÄNSESPIELS 63<br />
Frühe Exemplare, Belege und Verbreitung<br />
Über Alter und Herkunft des Gänsespiels sind immer wieder Vermutungen angestellt<br />
worden, ohne daß es bislang zu einer endgültigen Erklärung gekommen wäre. Dabei<br />
wird gerne eine – unbefriedigende – Traditionslinie von spiralförmigen Laufspielen bis<br />
in die ägyptische Zeit konstruiert. (Himmelheber 1972: 163; Lhôte 1994: 108) Wird die<br />
Suche also weiterhin die Neugier von Forschern und Sammlern anspornen, so sind bei<br />
den vorliegenden Aussagen Spekulationen von belegbaren Befunden zu trennen. Zu ersteren<br />
gehört sicher Walter Endreis Behauptung, das Gänsespiel sei in Europa bereits am<br />
Ende des Mittelalters verbreitet gewesen (Endrei 1988, 41). (7) Endrei gibt weder eine<br />
Quelle an (zumindest nicht in der deutschen Fassung), noch definiert er, wann er das<br />
Mittelalter als beendet ansieht. So blieb man auf schriftliche und materielle Belege verwiesen,<br />
die immer wieder in der einschlägigen Literatur reproduziert wurden und noch<br />
werden. Erst 1999 lieferte Thierry Depaulis einen neuen Befund. Es handelt sich um ein<br />
im Metropolitan Museum <strong>of</strong> Art in New York aufbewahrtes Spielbrett aus Teakholz mit<br />
Einlagen aus Elfenbein, farbigen Steinen und rötlichem Holz, das auf der einen Seite ein<br />
Schachbrett und auf der anderen ein Gänsespiel darstellt. Das Museum lokalisiert und<br />
datiert das Spiel “Italian, 1500-1550”. Während die Verzierungen stark an orientalischislamische<br />
Ornamente erinnern, weist die Vier der in arabischen Ziffern numerierten<br />
Felder eine Besonderheit auf. Sie hat jene Kreuz-/Schlingenform, die paläographischen<br />
Erkenntnissen zufolge im 16. Jahrhundert gar nicht mehr üblich war. Die Fünf und die<br />
Sieben hingegen zeigen bereits “modernere” Züge, Umstände, die eine Entstehungszeit<br />
Anfang des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich erscheinen läßt. Damit ist es wohl das älteste<br />
heute bekannte Gänsespiel, und es zeigt alle “klassischen” Merkmale – mit zwei<br />
Ausnahmen: Sieht man von den nur mit gutem Willen als Gänse identifizierbaren<br />
Vögeln ab, sind dies das Fehlen der Brücke (Feld 6) und des Wirtshauses (19) (Depaulis<br />
1999: 269-270). Über die angebliche Herkunft aus Italien ist hingegen (noch) nichts<br />
Genaueres bekannt. Das Boot auf Feld 52 an der Stelle des (späteren) Turms oder<br />
Gefängnisses (8) deutet allerdings in diese Richtung.<br />
Während ein Teil der älteren Literatur eine französische (D’Allemagne 1950) oder<br />
eine deutsche (Himmelheber 1972: 163) Herkunft des Spiels vermutet, weist auch eines<br />
der frühesten chronologischen Indizien nach Italien. Francesco de’ Medici (geb. 1541, reg.<br />
1574-1587) habe das Spiel angeblich so gut gefallen, daß er König Philipp II. von Spanien<br />
ein Exemplar zukommen ließ, schreibt Pietro Carrera (1571-1647) in seinem 1617<br />
erschienenen Il gioco degli scacchi. Mehr noch: Laut Carrera sei das Spiel in Florenz “zur<br />
Zeit unserer Väter” erfunden worden, also in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.<br />
Forscher wie der Schach- und Brettspielhistoriker H. R. J. Murray, der 1952 als erster auf<br />
diese Quelle aufmerksam gemacht hat, haben daraus geschlossen, daß das Spiel während<br />
der Regierungszeit des Großherzogs aufgekommen sein dürfte (Depaulis 1997: 563). (9)<br />
Der Hinweis auf Spanien zur Herrschaftszeit Philipps II. sei Anlaß für einen kleinen<br />
Exkurs. 1587 erschien in Madrid bei Pedro Madrigal die Filos<strong>of</strong>ía cortesana von Alonso<br />
de Barros. Der um 1540-1545 geborene und 1604 gestorbene Dichter und “aposentador<br />
de la casa real” literarisiert darin in moralisierender Absicht den ehrgeizigen<br />
Karrieweg in der höfischen Gesellschaft mit verschiedenen Fährnissen, Hindernissen