20.02.2015 Views

post_modellismus – models in art - krinzinger projekte - Galerie ...

post_modellismus – models in art - krinzinger projekte - Galerie ...

post_modellismus – models in art - krinzinger projekte - Galerie ...

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

s<strong>in</strong>d aber nicht nur zeitliche, sondern auch<br />

ontologische Doppelgesichter. Bezogen<br />

auf das Orig<strong>in</strong>al s<strong>in</strong>d sie nämlich etwas<br />

und zugleich nichts. Ebenso wie es ihnen<br />

nicht gel<strong>in</strong>gt, etwas zu vergegenwärtigen,<br />

weil sie niemals das Jetzt vers<strong>in</strong>nbildlichen,<br />

so s<strong>in</strong>d sie auch niemals mit dem<br />

Orig<strong>in</strong>al identisch, sondern nur deren Abklatsch<br />

und Abbild. Der zeitlichen Differenz<br />

entspricht also e<strong>in</strong>e Insuffizienz. Und die<br />

temporale Verschiebung, die sie be<strong>in</strong>halten,<br />

ist nichts anderes als die ontologische<br />

Verzerrung, die ihre Existenz zugleich verdoppelt<br />

und durchzieht.<br />

Aber damit nicht genug. Der ontologische<br />

Riss, der Modelle aufspaltet, bezeichnet<br />

auch die Schnittl<strong>in</strong>ie zwischen Se<strong>in</strong> und<br />

Sollen. Was optisch sichtbar und logisch<br />

erklärbar wird, zeitigt ethische Wirkung.<br />

Wenn Modelle auf etwas anderes verweisen,<br />

dann zeigen sie etwas, wie es ist (das<br />

Se<strong>in</strong>) oder etwas, wie es zu se<strong>in</strong> hat (das<br />

Sollen). Modelle s<strong>in</strong>d deshalb ‘vorbildlich’<br />

oder ‘nachempfunden’ auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

übertragenen S<strong>in</strong>ne. E<strong>in</strong> Diagramm e<strong>in</strong>er<br />

Bevölkerung belegt uns ihre momentane<br />

Zusammensetzung, e<strong>in</strong> Modell e<strong>in</strong>es Wasserstoffatoms<br />

se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>ternen Aufbau, die<br />

Kurve e<strong>in</strong>es Börsen notierten Unternehmens<br />

se<strong>in</strong>e Performance. Diese Modelle<br />

verbildlichen Ist-Zustände. Andere wollen<br />

h<strong>in</strong>gegen veranschaulichen, wie etwas<br />

möglicherweise aussieht, wenn es abgeschlossen<br />

ist (zum Beispiel das verwirklichte<br />

Projekt e<strong>in</strong>er Stadterweiterung, die<br />

Vermehrung der Fische bei <strong>art</strong>gerechter<br />

Haltung, der Gew<strong>in</strong>n der Aktie). Diese Modelle<br />

geben vor, e<strong>in</strong>en Zustand zu zeigen,<br />

der noch nicht ist, sich aber e<strong>in</strong>stellen<br />

wird, wenn sich Prognosen bewahrheiten<br />

und die charakteristische Vorläufigkeit des<br />

Modells sich <strong>in</strong> Endgültigkeit verwandelt.<br />

Tritt das Prophezeite e<strong>in</strong>, wird Utopie zur<br />

Wirklichkeit, das Befremden zur Selbstverständlichkeit<br />

gewendet.<br />

Mit e<strong>in</strong>em Wort: die Die Vorzüge der Modelle<br />

bestehen seltsamerweise <strong>in</strong> den<br />

Mankos, die <strong>in</strong> sie e<strong>in</strong>geschlossen und <strong>in</strong>begriffen<br />

s<strong>in</strong>d. Und der Mehrwert, den sie<br />

darstellen, lässt sich aus der M<strong>in</strong>derwertigkeit<br />

und dem e<strong>in</strong>gestandenen Abstand<br />

zum Orig<strong>in</strong>al erklären. Dass sie dennoch<br />

brauchbar und auch wertvoll s<strong>in</strong>d, verdanken<br />

sie der Maßstäblichkeit, d.h. der Anpassung<br />

an die menschlichen S<strong>in</strong>ne. Modelle<br />

stellen D<strong>in</strong>ge und Ereignisse dar,<br />

die sich der gewöhnlichen Wahrnehmung<br />

entziehen. Sie bieten die notwendige Anpassung<br />

durch die maßstäbliche Verschiebung<br />

von Größenverhältnissen: städtebauliche<br />

Planungen werden zu Konglomeraten<br />

aus w<strong>in</strong>zigen K<strong>art</strong>onschachteln,<br />

Kont<strong>in</strong>ente zu Landk<strong>art</strong>en, Planeten zu<br />

Globen verkle<strong>in</strong>ert. Im Gegenzug präsentieren<br />

sich Gewebsproben vergrößert und<br />

Atomkerne zu leuchtenden Farbkugeln<br />

aufgeblasen oder gar als begehbare Architekturen.<br />

Stets büßt das Veranschaulichte<br />

se<strong>in</strong>e wahre Größenordnung e<strong>in</strong>, gew<strong>in</strong>nt<br />

aber über e<strong>in</strong>e fassbare Dimension Plausibilität<br />

und Überzeugungskraft zurück.<br />

Während die Zeitlichkeit das Modell also<br />

spaltet, und mit e<strong>in</strong>em verdoppelnden<br />

Riss versieht, ermöglicht der Maßstab auf<br />

der anderen Seite se<strong>in</strong>e Wahrnehmung<br />

und bessere Wirkung, aber auch se<strong>in</strong> Bestehen<br />

als Ganzes. Denn der Maßstab<br />

trennt nicht die Teile des Modells, sondern<br />

schafft e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen<br />

(maßstäblichen) E<strong>in</strong>heit dem Orig<strong>in</strong>al gegenübergestellt<br />

werden kann.<br />

Nun haben wir bislang über die zeitlichen<br />

Aspekte von Modellen gesprochen und<br />

ihre Auswirkung auf ontologische Struktur<br />

und Wahrnehmung. Das Wort nach, welches<br />

die Temporalität angibt, kann aber<br />

31

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!