Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia

THERAPEUTISCHE BEICHTPRAXIS 9
Suche machen, was Gott ihnen an Möglichkeiten ins Herz gelegt
hat 14 .
Der therapeutische Sinn des pastoralen Handelns verlangt
von dem Seelsorger, daß er ein Stück Weg mit den anderen geht.
Es handelt sich aber nicht um einen beliebigen Weg, sondern
um eine Strecke ”des Weges, den Gott mit ihnen geht, oder den
er diesen Menschen auf ihn zugehen läßt. Es ist eine Wegstrecke,
auf der er uns einander anvertraut und auf der er mit uns
Geschichte macht” 15 . Die therapeutische Seelsorge kann auch
als ”Begleitung des anderen im heiklen Übergang von heute
nach morgen” 16 begriffen werden, die ihm aber immer die letzte
Verantwortung für sein Schicksal überläßt und nur ”eine Hilfe
zur Selbsthilfe und Selbstverwirklichung” 17 leisten will.
Nur Gott kann heilen. Die Kirche und alles das, was
Menschen in der Kirche füreinander tun, bildet ein
Erfahrungsraum, wo mittels der Zeichen, der Sprache und der
Taten das heilende und befreiende Handeln Gottes an den
Menschen zum Vorschein kommt 18 . Der Heilsauftrag der Kirche
besteht darin, die Menschen zur Selbstverwirklichung auf der
Basis ihrer Berufung durch Gott frei zu machen und zu
ermutigen. Es geschieht nicht durch die moralischen Appelle,
sondern auf dem Weg der mystischen Grundlagenarbeit, indem
man den einzelnen in das Geheimnis einführt, das die
Liebesgeschichte Gottes mit der Menschheit ist 19 . In dieser
Perspektive nimmt die Seelsorge Gestalt des therapeutischen
Handelns, das dem Menschen den Weg zur Quelle des wahren
14
A.Schwarz, Seelsorger/Seelsorge zwischen Spiritualität und
Professionalität, ”Lebendige Seelsorge” 3/4 (1992), 181.
15
K. van Luyn, Der Seelsorger als Instrument seines pastoralen
Handelns, ”Lebendige Seelsorge” 2/3 (1983), 88.
16
R.Zerfafl, Der Seelsorger - ein verwundeter Arzt, ”Lebendige
Seelsorge” 2/3 (1983), 77.
17
R.Riess, Seelsorge. Orientierung, Analysen, Alternativen, Göttingen
1973, 227.
18
P.M.Zulehner, Pastoral: Entriegelung des Menschen, ”Theologie der
Gegenwart” 3 (1980), 8.
19
P.M.Zulehner, Priestermangel praktisch. Von der versogten zur
sorgenden Pfarrgemeinde, München 1983, 139-140.