Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia
Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia
Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
8 RYSZARD HAJDUK<br />
Die Seelsorge als einen therapeutischen Vorgang verstehen<br />
bereits die Kirchenväter, die die Bedeutung von der heilenden<br />
Kraft der pastoralen Praxis in ihren Schriften hervorheben. Für<br />
Gregor von Nazianz ist die Menschenführung die Kunst über<br />
allen Künsten und das Wissen, das alles andere übersteigt 7 . Er<br />
vergleicht die Seelsorge mit der Medizin und beschreibt jene, die<br />
das Hirtenamt im <strong>Vol</strong>k Gottes ausüben, als geistliche<br />
Therapeuten 8 . Ähnlich spricht Johannes Chrisostomus, der die<br />
Aufmerksamkeit seiner Adressaten auf die heilende Wirkung des<br />
Evangeliums richtet 9 . Wer aus dem Geiste Gottes redet, gibt dem<br />
Menschen Mut und erfüllt seine Seele mit Frieden.<br />
Das therapeutische Verständnis von Seelsorge umfaßt heute<br />
die ganze Breite der kirchlichen Heilsorge für einzelne wie für<br />
Gruppen von Gläubigen 10 . Alles, was die Kirche durch die<br />
einzelnen Christen tut, soll den heilsbedürftigen Menschen in<br />
seiner konkreten Situation Hilfe bringen (GS 3) 11 . Deshalb hat<br />
die Seelsorge aus der Mitte der Person auf die Mitte der Person<br />
hin zu geschehen 12 , indem sie die menschlichen Nöte erkennt<br />
und den Betroffenen bei der Suche nach ihrer Bewältigung<br />
verhilft 13 . Die pastorale Praxis setzt ihre heilende Kraft in<br />
Bewegung, wenn sich die Seelsorger mit den Menschen auf die<br />
7<br />
Gregor von Nazianz, II. Rede, in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd.59,<br />
München 1928, 14.<br />
8<br />
In der Antike wurde der Begriff ”therapeuein” medizinisch<br />
verstanden. Er bedeutete ”Begleiter” oder ”Diener”, der Kranken hilft und<br />
war im Umlauf als eine Bezeichnung für den Dienst des Tierpflegers. Alles,<br />
was der ”gute Hirte” tut, ist ”therapeuein”. Hirtliches, pastorales Handeln ist<br />
also ”heilendes” Handeln; H.J.Clinebell, Modelle beratender Seelsorge,<br />
München - Mainz 1971, 45; H.M.Stenger, Für eine Kirche, die sich sehen<br />
lassen kann, Innsbruck 1995, 80-81.<br />
9<br />
Johannes Chrysostomus, Über das Priestertum. 4. Buch, in: Bibliothek<br />
der Kirchenväter, Bd.27, München 1916, 193.<br />
10<br />
H.Pompey, Seelsorge zwischen Gesprächstherapie und<br />
Verkündigung, ”Lebendige Seelsorge” 3/4 (1975), 162.<br />
11<br />
G.Griesl, Seelsorge oder Psychoanalyse?, ”Lebendige Seelsorge” 3/4<br />
(1975), 152.<br />
12<br />
H.Windisch, Seelsorge aus der Mitte der Person, ”Theologie der<br />
Gegenwart” 1 (1988), 12.<br />
13<br />
W.Müller, Menschliche Nähe in der Seelsorge, ”Lebendige Seelsorge”<br />
1 (1988), 52.