Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia

34 RYSZARD HAJDUK
Das authentische Verhalten des Beichtvaters ist ein
wichtiger Faktor im Vollzug des Beichtgesprächs. Solang sich
der Beichtseelsorger hinter seiner Amtsrolle versteckt, schafft er
Distanz zu seinem Pönitenten und provoziert bei ihm
Aggression; denn gegenüber der im kalten Verhalten des
Priesters personifizierten, hohen Autorität der Kirche fühlt sich
der Beichtende schwach, demütigt und minderwertig. Dazu
kommt noch ein innerlicher Zwang, ein formelles, den
offiziellen kirchlichen Vertreter zufriedenstellendes
Schuldbekenntnis ablegen zu müssen. Wenn er noch als Antwort
auf sein Sündenbekenntnis eine allgemein geltende,
priesteramtliche Belehrung erhält, wird seine Enttäuschung
vollkommen 94 .
Der Mensch ist erst imstande, sich offen und ehrlich
auszusprechen, wenn ihm ein wahres menschliches Gesicht
begegnet, das sich hinter keiner Fassade verbirgt. In einem
Klima der Offenheit, das dank dem authentischen Verhalten des
Beichtseelsorgers entsteht, kann der Mensch sein Herz vor dem
anderen angstfrei erschließen und sein wahres Antlitz zeigen.
Indem er sich selbst seinem Gesprächspartner anvertraut, findet
er Befreiung. Die Beziehung hilft ihm aus der Einsamkeit und
Isolation herauszukommen, weil er in der Person des
Seelsorgers jenem begegnet ist, der ihn versteht und den er an
seinen Erfahrungen teilhaben lassen kann. Der Mensch, der im
Klima der Authentizität mehr sein Selbst wird, verstärkt in sich
die Verantwortung für sein eigenes Schicksal und macht sich
seine schöpferischen Kräfte zunutze 95 .
In den Erwägungen des Heiligen Alphons kam das Prinzip
der Echtheit direkt nicht zur Sprache. Es wurde aber in Praxis
confessarii mit Nachdruck mehrmals hervorgehoben, daß der
Beichtvater mit seinem ganzen Wissen und allen seinen
Erfahrungen dem Pönitenten auf dem Weg zur Heilung und
Heiligung beistehen soll. Der Priester kann sein therapeutisches
94
J.Tasch, 116.
95
C.R.Rogers, A Way of Being, Boston 1976, 178; P.F.Schmid,
Personenzentrierte seelsorgliche Beratung und Begleitung im
Einzelgespräch, in: K.Baumgartner, W.Müller, 78.