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Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia

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TRADITION UND MORALISCHE WAHRHEIT 273<br />

lichen Geistes für die Frage von “gut”und “böse” überhaupt. 5<br />

Diese ist Ausgangspunkt und auch der letzte Maßstab für jedes<br />

moralische Zeugnis, von welcher Gemeinschaft auch immer. Die<br />

Basis für Moral ist so die Unterscheidungsfähigkeit von<br />

“gut”und “böse” im Subjekt (!), und nicht irgendwelche “Güter”<br />

und das “Gut” einer Tradition. Güter legitimieren sich von<br />

diesem Kern der Moralität her, nicht aber bestimmt sich “gut”<br />

und “böse” von den Gütern her (wie vor allem der Güterkonflikt<br />

lehrt). Daher muß sich ja auch das Gewissen und die eigene<br />

Einsicht notfalls gegen Traditionen und ihre (behaupteten)<br />

Güter durchsetzen. 6<br />

Nimmt man dies aber ernst, so lautet für mich die logische<br />

Konsequenz: die Legitimität der Tradition und das Vertrauen,<br />

das die Tradition verdient, hängt davon ab, ob sie auf das<br />

tatsächliche “true good” orientiert ist oder nicht. Oder anders<br />

gesagt: allein die moralisch legitimierte Tradition kann Moralität<br />

legitimieren. Maßstab ist also nicht die Tradition, sondern “the<br />

true good”. Genau dies ist meine These!<br />

Wie vergewissern wir uns, wo vergewissern sich Traditionen,<br />

daß sie auf “the true good(s)” hin orientiert sind? Die je schon<br />

hierüber bestehenden Vorstellungen und Praktiken als solche<br />

einfachhin genügen ja offensichtlich nicht. Wie setzt also ein aus<br />

moralischen Gründen erforderlicher Wandel ein, z. B. bezüglich<br />

der Abschaffung von Sklaverei, von Frauenunterdrückung, von<br />

Diskriminierung Homosexueller usw. Und worauf gründen die<br />

Möglichkeiten des interkulturellen Dialogs sowie Überlegungen<br />

zu einem universellen (Rahmen-) Ethos für alle Kulturen und<br />

Traditionen?<br />

5<br />

STh I-II 94,2.<br />

6<br />

Dies ist die Gestalt unmittelbar moralischer Transzendenz (das Gute<br />

übersteigt alle “Güter”), die zugleich für Gläubige und Ungläubige gültig und<br />

zugänglich ist. Hier liegt denn auch der Ansatzpunkt für moralische Universalität.<br />

Mit der von B.J. (444) angesprochenen Transzendenz wechseln wir in<br />

ein anderes Register, das die Moralität in meinem Verständnis umfängt, aber<br />

nicht ersetzt. Realistisch können wir nicht annehmen, daß in unserer sublunaren<br />

Welt von hierher überhaupt irgendwelche gemeinsam-menschlichen<br />

Moralauffassungen, die ich noch stets für erstrebenswert halte, ihren Ausgang<br />

nehmen könnten.

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