Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia
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26 RYSZARD HAJDUK Priester seinem Gesprächspartner während der Beichte aufmerksam zuhört und ihn ermutigt, seinen wahren seelischen Zustand ruhig anzuschauen. Zugleich gibt er ihm zu erkennen, daß das Beichtgespräch mit einem Strafvollzug nichts zu tun hat und daß die über sein Leben gesprochene Wahrheit befreit und keine zusätzliche Qual verursacht. Gott will ihn heilen und nicht verurteilen, bestrafen oder ablehnen. Im Bußsakrament zeigt sich Gott als jener, der die durch die Sünde abgebrochene Kommunikation mit dem Menschen herstellt, ihn zu sich zieht und einen Liebesbund mit ihm aufs Neue schließt 71 . In dieser Weise kommt die liguorianische Lehre vom heilenden Sinn der Wahrheit und die therapeutische Wirkung der Buße wieder ins Licht. 3.2. Der Mensch im Zentrum der seelsorglichen Aufmerksamkeit Nicht die Beichte und die Sünden stehen im Vordergrund, sondern der Mensch 72 . Das Bußsakrament soll man so zelebrieren, damit der Mensch eine echte Befreiung erfahre und zu einem neuen Anfang mit Gott befähigt werde. Der Beichtvater soll zu einem lebendigen Zeichen Christi werden, der die Sünden vergibt und dem Pönitenten mit seiner immer zuvorkommenden Liebe begegnet. Er darf keinen Richter spielen, der das Recht hat, Urteile ergehen zu lassen, weil nur Gott der Richter ist. Der Beichtvater hat den Auftrag, ein Diener des Evangeliums und nicht des Gesetzes zu sein 73 . Der Mensch findet nur dann zu Gott, wenn ihn ein bedingungsloses Wohlwollen umhüllt. Auf dieser grundlegendsten Überzeugung baute der Gründer der Redemptoristen seine praktische Theorie des Beichtvollzugs auf, in dem der Mensch und sein inneres Wachstum im Vordergrund stehen müssen. 71 L.Wachinger, Bei Schuld und Schuldgefühlen, in: K.Baumgartner, W.Müller, Handbuch für das seelsorgliche Gespräch, Freiburg i.B. 1990, 243. 72 J.Bommer, 246; U.Silber, 130. 73 J.Tasch, Das seelsorgliche Gespräch in der Feier der Versöhnung, in: K.Baumgartner, Das Seelsorgegespräch in der Gemeinde, 123; R.Gallagher, 365.
THERAPEUTISCHE BEICHTPRAXIS 27 Dem Menschen kann man nur helfen, indem man ihn unterstützt, damit er sich selber helfen könne. In einer 5- Minuten Beichte scheint es unmöglich zu sein, daß der Mensch eine Hilfe zur Selbsthilfe erhalte. Eine solche Beichtpraxis ist dann nur auf eine Belehrung zurückzuführen, die bei dem Pönitenten den Anschein erwecken kann, daß er für den Priester nur ein Objekt darstelle, das gar nicht im Zentrum der Seelsorge steht, weil eine ethisch-theologische Theorie und die kirchliche Disziplin die wichtigste Rolle spielen 74 . Dazu noch wirkt sich eine hastige Belehrung auf den Menschen so aus, daß seine Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbsterkenntnis gelähmt werden und in seinem Herzen zu keiner persönlichen Entscheidung kommt 75 . In dieser Situation kann man den Pönitenten mit einem Kunden vergleichen, der von einem Beamten freundlich aber unpersönlich und kalt bedient wird. Das stimmt mit der Vorstellung des Heiligen Alphons nicht überein, weil er sich stark dafür einsetzte, daß der Beichtvater wie ein guter Arzt den einzelnen und seinen inneren Zustand möglichst genau kennenlernt, bevor er anfängt, entsprechende Heilmittel vorzuschreiben. Ein Beichtvater, der sich ganz auf den beichtenden Menschen konzentrieren und alles tun will, um ihm zu einer echten Lebenserneuerung zu verhelfen, muß mit den an den Pönitenten gerichteten Fragen besonders vorsichtig umgehen. Wer Fragen stellt, riskiert, daß er dem Dialog eine bestimmte Richtung aufzwingt und bei dem Gesprächspartner den Zugang zu einer vertieften Selbsterforschung blockiert 76 . Wenn sich der Seelsorger um jeden Preis bemüht, mittels der Fragen die intimsten Bereiche des menschlichen Innern zu berühren, weckt 74 In einer kurzen, auf ein Sündenbekenntnis und eine Belehrung beschränkten Begegnung zwischen dem Beichtvater und seinem Pönitenten ist es unmöglich, die menschlichen Probleme in ihrer Komplexizität genug tief zu ergründen. Schnell formulierte Ratschläge bezüglich der persönlichen Lebenskonflikte können sich dann für den betroffenen Menschen als falsch und nachteilig erweisen; J.Schwermer, Das helfende Gespräch in der Seelsorge, Paderborn 1991, 123. 75 K.Baumgartner, Pastorale Hinweise zum Beichtgespräch, in: ders., Das Seelsorgegespräch in der Gemeinde, 134. 76 J.Tasch, 123.
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