Vol. XXXVIII / 1 - Studia Moralia

14 RYSZARD HAJDUK
Sünden zeige und ihn mit Festigkeit ermahne. Es darf aber nur
im Klima der Liebe geschehen, damit der Sünder noch
deutlicher Gottes Barmherzigkeit erfahre und mit dem
himmlischen Vater enger verbunden voran lebe 34 . Die Wahrheit
ist annehmbar und heilend, wenn sie aus der Liebe heraus und
in der Liebe verkündet wird.
Die bedingungslose Liebe des Vaters, die er dem zur Beichte
gekommenen Menschen wie seinem Kind erweist, hat zuerst
eine theologische Basis. Nach dem Beispiel des Erlösers
indentifiziert Alphons den Sünder mit der Sünde nicht. Die
Sünde ist das Böse schlechthin; der Sünder ist aber von Grund
auf gut. Deshalb muß man ihn so herzlich aufnehmen, als ob es
Jesus selber tun würde 35 . Zwischen dem Verhalten des
Beichtvaters dem Beichtenden gegenüber und der Praxis Jesu
darf keine Dissonanz auftreten. Der Beichtvater ist nur ein
Nachfolger Jesu und Diener Gottes, durch den der himmlische
Vater dem Menschen mit längst zuvorgekommenen seiner Liebe
begegnet und dieser Haltung auf ewig treu bleibt.
Für den Heiligen Alphons hat die Bereitschaft zur
bedingunsfreien Aufnahme des Menschen auch eine wichtige
Bedeutung in der pädagogischen bzw. entwicklunspsychologischen
Perspektive. Seiner Meinung nach existiert nur
ein Weg, auf dem der Mensch zur Vollkommenheit gelangen
kann: die Liebe 36 . Indem er den Beichtvätern empfiehlt, mit
zuvorkommender Liebe jeden Pönitenten freundlich
aufzunehmen, hat er schon den ganzen Prozeß der Bekehrung
und der glücklichen Gestaltung des menschlichen Lebens im
Blick. Der Mensch kann nur seelisch gesund werden, wenn ihn
volle Akzeptanz, Sympathie und Ermutigung begleiten 37 . Gott ist
34
Ibid., Cap. I,4, 754.
35
Th.Rey-Mermet, La morale selon Saint Alphonse de Liguori, 99-100;
G.Velocci, Cristo: centro della spiritualità alfonsiana, ”Spicilegium
Historicum” 45 (1997), 43.
36
In seinem Buch ”Pratica di amar Gesù Cristo” wird dieser Gedanke
zum Leitmotiv: ”Alle Heiligkeit und Vollkommenheit eines Menschen
besteht darin, dafl man Jesus Christus, unseren Gott, unser höchstes Gut
und unseren Heiland liebt. Wer mich liebt - sagte Jesus, wird von meinem
Vater geliebt werden”.
37
S.Raponi, 343.