Bulletin de liaison et d'information - Institut kurde de Paris

REVUE DE PRESSE-PRESS REVIEW-BERHEVOKA ÇAPÊ-RNISTA STAMPA-DENTRO DE LA PRENSA-BASIN ÖZETi
Erster kurdischer TV-Sender in der Türkei
Ein Satellitenprogramm sorgt für Verwinung in Ankara
Seit Beginn dieser Woche kann in der Türkei und den angre~zenden Undern ein in London
produziertes, via Satellit übermitteltes Femsehprogramm in kurdis~her Sprache e~pfangen
werden. Nach dem jab,relang aufrechterhaltenen Verbot der kurd1Schen Sprache m der
Ortentlichkeit hat nun plötzlich ein Massenmedium bestehende Schranken nmgangen. Der
neue Fernsehsender steht deutlich unter dem Einfluss kurdischer Nationalisten.
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it. Istanbul,
17. Mai
Bereits im März hat ein in London stationierter
kurdischer Fernsehsender namens Med-TV Testsendungen
aufgenoI11Dien, die in der Türkei mit
Satellitenantennen emPfangen werden konnten.
Für Aussenstehende witkten die ersten Sendungen
eintönig. In den lçurdischen Nationalfarben -
Rot, Grün und Gelb - gekleidete Musiker sangen
stundenlang kurdische lieder. Unterbrochen wurden
sie von Kinderprogrammen, Spielfilmen und
unendlich langen Beiträgen zur kurdischen Kultur
und Geschichte.
Auftritt Öcalans
Mit einiger Geduld kommen aber auch politisch
interessierte Zuschauer auf ihre Rechnung.
Der Vorsitzende der in der Türkei verbotenen
Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan,
verkündete beispielsweise in einer Med-Sendung
die Richtlinien seiner Partei. Dabei betonte
er, dass die PKK für die Rechte der Kurden in der
Türkei und nicht für ein unabhängiges Kurdistan
kämpfe. Damit widersprach er der staatlichen
Position, wonach die «Terrororganisation» PKK
die Türkei spalten und, so Präsident Demirel, auf
türkischem Territorium eine neue Fahne hissen
wolle. 'Dass Med-TV dem offIZiell verteufelten
Öcalan ermöglichte, in den Salon allcr türkischen
Bürger und Bürgerinnen vorzudringen, bedeutete
eine jäher Wandel in derhiesigen Medienlandschaft.
Bisher hielten sich die elektronischen
Massenmedien an ein Verbot, Interviews mit
PKK-FunktionAren zu senden.
Ein Novum ist es auch, dass der Privatsender
aus London den Grossteil seiner Programme in
kurdischer Sprache ausstrahlt. Nach der G';Ündung
der Republik Türkei 1923 galt Kurdisch
während Jahrzehnten als hinterwäldlerischer,
bäurischer Dialekt und war in den Schulen und
den Medien verboten. In der kurzen, hoffnungsvollen
Zeit der Demokratisi~rung Anfang 1991
wurde das sogenannte Sprachengesetz, welches
Veröffentlichungen in nicht zugelassenen Sprachen
in der Türkei ausdrücklich verbot, aufgehoben..
Damit warenauch die Einschränkwlgen
für das Kurdische eliminiert. Einige Verlage wag-'
ten es damals, Zeitungen und Magazine in Kurdiscl!
zu veI:qf.l:en.tJiçhcm;- 4t ~lektt:.oni,s.çb~.M~:
senmedien wurde die kurdische Sprache aber me
verwendet.
Dank der neuen Fernsehstation realisieren
manche türkischen Kurden mit einem .Male den
Reichtum ihrer indogermanischen Muttersprache
und deren Möglichkeiten zu differenziertem Ausdruck.
Wegen der kurdischen Sendungen wird
Med-TV auch im Nordirak verfolgt. IIi Dohuk
beispielsweise verfolgten die Gäste eines Restaurants
bereits Anfang April mit Spannung die Testsendungen.
Das tägliche Programm, vorerst auf
die Abendstunden beschränkt, wird in der prokurdischen
Zeitung «Yeni Politika» veröffentlicht.
Med-TV wird laut den Angaben seines Pressesprechers
hauptsächlich von kurdischen Geschäftsleuten
und Gastarbeitern fmanziert.
Machtlose Regierung
Allmählich wird sich die politische Führung in
Ankara bewusst, dass im Zeitalter der Technologie
auch die striktesten Verbote im Medien-.
wesen wirkungslos sind. Dass der elektronische
Medienmarkt grenzüberschreitend und kaum in
Schranken zu halten ist, hatte als erster türkischer
Politiker der verstorbene Präsident Özal erkannt.
Zu Beginn der neunziger Jahre plädierte er dafür,
kurdische Massenmedien in der Türkei zu legalisieren.
Ankara könne mit einem kurdischsprachigen
Kanal die Ziele seiner Politik der Bevölke-.
rung im Südosten einfacher vermitteln und zusätzlich
auch die Kurden des Nordiraks beeinflus •.
sen, argumentierte Özal damals. Sein plötzlicher
Tod im Frühling 1993 setzte dann aber der öffentlichen
Debatte über die Möglichkeit einer friedlichen
Lösung der Kurdenfrage ein abruptes
Ende. Die türkischen Generäle, die zunehmend
an Einfluss gewonnen hatten, machten die Zerschlagung
der PKK zur Voraussetzung für jegliche
demokratische Reformen.
Artikel 8 des aus dem Jahr 1991 stammenden
Antiterrorgesetzes, der «separatistische Propaganda»
untersagt, kam in den Sondergerichten
immer öfters zur Anwendung. So wurden bis
Ende letzten Jahres 126 Journalisten, SchriftsteU
1er, Herausgeber und Gewerkschafter auf Grqnd.
(fieses Artikels zu teilweise jahrelangen -~~
flngnisstrafen und happigen Bussen verurteilt.
Laut Angaben der Tageszeitung «Sabah» sind
allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres
1260 Zeitungen und Zeitschriften beschlagnahmt
worden, 103 türkische und kurdische IIitellek"
tuelle sitzen gegenwärtig wegen separatistischer
Propaganda hinter Gittern. IIi Anspielung auf
Artikel 8 sprach selbst der Justizminister, Mehmet
Mogultay, von Gesinnungsjustiz.
Die Europäische Union hat die Eliminierung
des umstrittenen Artikels vorausgesetzt, um die
im März unterzeichnete Zollunion mit der Türkei
zu ratifizieren. Weil der Artikel 8 zJ.1Dehmend
auch die Beziehungen der Türkei zum Europarat
und zu den USA belastet, hat die Frage um dessen
Veränderung oder Abschaffung eine hitzige
öffentliche Debatte ausgelöst. Die Regierungschet1n
Ciller will laut eigenen Erklärungen den
Artikel verändem, hat aber Schwierigkeiten, den
konservativen Flügel ihrer Partei dafür zu gewinnen.
Die sozialdemokratischen Koaliponspartner
wünschen den Paragraphen ganz zu streichen,
stellen im Parlament aber lediglich eine Minderheit.
Letzte Woche schlug Präsident Demirel vor,
die Militärfùhrung in der strittigen Frage zu kon-
.sultieren. Der von hohen Militärs beherrschte
Nationale Sicherheitsrat, der seit dem Militärcoup
von 1980 in manchen Bereichen die Politik des
Landes bestimmt, wird sich in den nächsten
Tagen mit der Materie befassen.
Da Med-TV nun aber seit Montag in der Türkei
regulAr sendet, erscheint die ganze Debatte müs.
sig. Der Artikel 8, der in der Türkei - wie der Fall
des Schriftstellers Yasar Kemal zeigt - bereits die
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