Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Die ontogenetische ...

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Diskussion 4. Diskussion In dieser Studie wurden die Proportionsänderungen während des Wachstums beim Beagle und ihr Einfluss auf die kraniokaudale Lage des Körpermasseschwerpunktes während der Ontogenese untersucht. Erstmalig wurde dabei die Skapula als lokomotorisch relevantes Element der Vorderextremität in die morphometrische Analyse der Ontogenese des Hundes einbezogen. Dieses proximale Segment der Vordergliedmaße trägt wie bei anderen Säugetieren maßgeblich zum Rumpfvortrieb bei (FISCHER u. LILJE 2011). Ihr Drehpunkt liegt in den symmetrischen Gangarten wie Schritt und Trab auf der gleichen Höhe wie der des Femurs, und beide proximalen Elemente ähneln sich in ihrer Bewegungstrajektorie und ihrem Bewegungsumfang. Damit entsprechen sich bei den Säugetieren nicht seriell homologe Segmentabschnitte funktionell, während bei Vertretern der Lissamphibia oder der Lepidosauria die ursprünglich seriellen Gliedmaßenabschnitte auch funktionell homolog sind (BARCLAY 1946, JENKINS & GOSLOW 1983). Der Einschluss der Skapula in die vorliegende Untersuchung ermöglichte eine vergleichende Betrachtung der ontogenetischen Entwicklung der sich funktionell entsprechenden Vorder- und Hintergliedmaßenabschnitte. Im Unterschied zu früheren Befunden an nicht-cursorialen Säugetieren (SCHILLING u. PETROVITCH 2006), unterschieden sich die Entwicklungsverläufe der funktionell homologen Abschnitte beim Beagle, indem Femur und auch Crus höhere positive Allometrie zeigten als Skapula und Brachium (Fe: 0,44 Cr: 0,43 vs. Sk: 0,40 Br: 0,41). Simulationen mit variierenden relativen Längen eines dreisegmentigen Feder- Masse-Modells zeigten, dass das Modell hohe selbststabilisierende Eigenschaften hatte, wenn sich die Abschnitte in ihrer Länge wie 1:1:1 verhielten (SEYFARTH 2001, GÜNTHER 2004). Insbesondere die Länge des mittleren Abschnittes (Brachium und Crus) hatte einen entscheidenden Einfluss darauf, ob das Modell nach Perturbation zu seiner stabilen Bewegungstrajektorie zurückkehrte oder nicht. Im Unterschied dazu spielten die Längen des proximalen und des distalen Abschnittes eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigten, dass bei Beaglen sehr früh in der Ontogenese ein nahezu optimales Längenverhältnis der Extremitätenabschnitte vorliegt (Vordergliedmaßen 1,2:1,2:1,1 72

Diskussion PW9, 1,1:1,0:1,1 PW51; Hintergliedmaßen 1,1:1,0:1,1 PW9, 1,1:1,0:0,9 PW51). Im Unterschied zu Befunden an anderen Säugetieren (SCHMIDT u. FISCHER 2009) blieb in Übereinstimmung mit den Modellvorhersagen nur die relative Länge des Brachiums an der Gesamtlänge des Vorderbeines konstant in der Ontogenese, während die relative Länge des Crus an der Gesamtlänge des Hinterbeines zunahm. Weitere Verschiebungen der Segmentproportionen innerhalb der Extremitäten betrafen die relative Längenzunahme des Antebrachiums und Femur und die relative Längenabnahme der Autopodien (Manus und Pes), die in Übereinstimmung mit früheren Befunden an verschiedenen Säugetieren sind und die typischen Proportionsverschiebungen bei Säugetieren für die Hinterextremitäten bei Hunden bestätigen. Die beobachteten Proportionsverschiebungen innerhalb der Extremitäten haben biomechanische Konsequenzen; beispielsweise ändern sich dadurch die Hebelarmverhältnisse der Muskulatur. Dies ist möglicherweise ein Grund dafür, dass es während des Wachstums zu orthopädischen Problemen kommen kann. Zur Beurteilung der physiologischen Proportionsverschiebungen können die in der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten als Referenz zumindest für die Rasse Beagle dienen. Inwiefern die beobachteten morphometrischen Veränderungen für andere Rassen gelten, die beispielsweise als Adulti deutlich von der Norm abweichende Extremitätenproportionen zeigen, wie z.B. der Dackel oder der Scottish Terrier (FISCHER u. LILJE 2011), bleibt zu prüfen. Darüber hinaus sollten zukünftige Studien die Skapula in ihre Erhebungen einbeziehen, um so eine zunehmend vollständigere Befundlage zu schaffen. Weitere morphometrische Veränderungen in der Ontogenese betrafen die relative Länge des Kopfes und die Proportionen des Rumpfes. Wie alle Säugetiere haben auch junge Hunde einen relativ großen Kopf; so dass die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit im Mittel ein negativ allometrisches Wachstum für die Kopflänge zeigten. Dadurch besitzt der erwachsene Hund einen relativ kürzeren Kopf bezogen auf die Körpermasse oder -länge als der junge Hund. Die erhobenen Rumpfproportionen zeigten ein negatives allometrisches Wachstum des Umfanges und eine relative Zunahme der Rumpflänge. Zusätzlich nahm das Verhältnis Thorax zu Abdomen 73

Diskussion<br />

4. Diskussion<br />

In dieser Studie wurden die Proportionsänderungen während des Wachstums<br />

beim Beagle und ihr Einfluss auf die kraniokaudale Lage des Körpermasseschwerpunktes<br />

während der Ontogenese untersucht. Erstmalig wurde dabei die Skapula als<br />

lokomotorisch relevantes Element der Vorderextremität in die morphometrische<br />

Analyse der Ontogenese des Hundes einbezogen. <strong>Die</strong>ses proximale Segment der<br />

Vordergliedmaße trägt wie bei anderen Säugetieren maßgeblich zum Rumpfvortrieb<br />

bei (FISCHER u. LILJE 2011). Ihr Drehpunkt liegt in den symmetrischen Gangarten<br />

wie Schritt und Trab auf der gleichen Höhe wie der des Femurs, und beide<br />

proximalen Elemente ähneln sich in ihrer Bewegungstrajektorie und ihrem<br />

Bewegungsumfang. Damit entsprechen sich bei den Säugetieren nicht seriell<br />

homologe Segmentabschnitte funktionell, während bei Vertretern der Lissamphibia<br />

oder der Lepidosauria die ursprünglich seriellen Gliedmaßenabschnitte auch<br />

funktionell homolog sind (BARCLAY 1946, JENKINS & GOSLOW 1983). Der<br />

Einschluss der Skapula in die vorliegende Untersuchung ermöglichte eine<br />

vergleichende Betrachtung der <strong>ontogenetische</strong>n Entwicklung der sich funktionell<br />

entsprechenden Vorder- und Hintergliedmaßenabschnitte. Im Unterschied zu<br />

früheren Befunden an nicht-cursorialen Säugetieren (SCHILLING u. PETROVITCH<br />

2006), unterschieden sich die Entwicklungsverläufe der funktionell homologen<br />

Abschnitte beim Beagle, indem Femur und auch Crus höhere positive Allometrie<br />

zeigten als Skapula und Brachium (Fe: 0,44 Cr: 0,43 vs. Sk: 0,40 Br: 0,41).<br />

Simulationen mit variierenden relativen Längen eines dreisegmentigen Feder-<br />

Masse-Modells zeigten, dass das Modell hohe selbststabilisierende Eigenschaften<br />

hatte, wenn sich die Abschnitte in ihrer Länge wie 1:1:1 verhielten (SEYFARTH<br />

2001, GÜNTHER 2004). Insbesondere die Länge des mittleren Abschnittes<br />

(Brachium und Crus) hatte einen entscheidenden Einfluss darauf, ob das Modell<br />

nach Perturbation zu seiner stabilen Bewegungstrajektorie zurückkehrte oder nicht.<br />

Im Unterschied dazu spielten die Längen des proximalen und des distalen<br />

Abschnittes eine untergeordnete Rolle. <strong>Die</strong> Ergebnisse der vorliegenden Arbeit<br />

zeigten, dass bei Beaglen sehr früh in der Ontogenese ein nahezu optimales<br />

Längenverhältnis der Extremitätenabschnitte vorliegt (Vordergliedmaßen 1,2:1,2:1,1<br />

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