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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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RELEVANZ ANSTATT WAHRHEIT? 87<br />

Erzählen eines Witzes tut keiner der Sprecher so, als ob er dieser Maxime folge, und, was<br />

entscheidend für das Gelingen seines Sprechakts ist, sein Publikum ist sich dessen bewusst.<br />

Im Falle der genannten (und ähnlicher) Stilmittel findet hingegen eine offene Verletzung<br />

(violation) der Wahrhaftigkeitsmaxime statt (im Gegensatz zum bewussten Lügen mit<br />

täuschender Absicht: da<strong>bei</strong> handelt es sich um eine verdeckte Verletzung der Maxime). Der<br />

Sprecher will in diesem Fall weiterhin einen wahren Gedanken ausdrücken, aber er<br />

formuliert diesen Gedanken so, dass er der Wahrhaftigkeitsmaxime nicht strikt zu folgen<br />

scheint. Betrachten <strong>wir</strong> die folgenden Beispiele für dieses Phänomen:<br />

(2) Das Kapital von Marx zu lesen, ist das Lustigste, was ich je getan habe.<br />

(3) Ich habe dich tausendmal angerufen!<br />

Im ersten Fall verwendet der Sprecher Ironie: er möchte einen Gedanken ausdrücken, der<br />

dem Gegenteil des Gesagten entspricht, nämlich dass er sich <strong>bei</strong>m Lesen furchtbar<br />

gelangweilt hat. Im zweiten Fall <strong>wir</strong>d eine Hyperbole verwendet, um einen etwas<br />

schwächeren Gedanken als den tatsächlich geäußerten auszudrücken, nämlich dass der<br />

Sprecher den Adressaten so oft angerufen hat, dass ihm die Häufigkeit der Anrufe<br />

bemerkenswert erscheint.<br />

Die Maxime der Qualität kann also offen verletzt oder vorübergehend außer Kraft gesetzt<br />

werden. In <strong>bei</strong>den Fällen <strong>wir</strong>d dies aber konventionell angezeigt, sodass dem Sprecher nicht<br />

unterstellt werden kann, die Unwahrheit gesagt zu haben. Es besteht auch kein Zweifel daran,<br />

dass die Maxime im Falle der Fiktion sofort wieder in Kraft tritt, wenn die Erzählung beendet<br />

ist, beziehungsweise dass sie, im Falle der Stilmittel, weiterhin angewandt und die<br />

Wahrhaftigkeit des Gedankens durch Implikaturen kommuniziert <strong>wir</strong>d.<br />

2. Kritik an der Erklärungskraft der Maxime der Qualität<br />

Als Mitbegründerin und überzeugte Vertreterin der Relevanztheorie versucht Deirdre Wilson<br />

in ihrem Paper von 1995 Erklärungen für solche sprachlichen Phänomene zu finden, ohne<br />

dass dazu die Maxime der Qualität herangezogen werden müsste. Laut Relevanztheorie<br />

versucht der Sprecher einen Gedanken auf möglichst relevante Weise auszudrücken, das<br />

heißt, indem er dem Adressaten so wenig kognitiven Aufwand wie möglich zumutet, ihm aber<br />

gleichzeitig einen möglichst großen positiven kognitiven Effekt verschafft (also <strong>bei</strong>spielsweise<br />

das Übermitteln einer für den Adressaten wichtigen Information in einfachen und<br />

verständlichen Worten, deren Sinn sich im Kontext leicht erschließt).<br />

Weshalb aber haben sich dann in den natürlichen Sprachen Kommunikationsstrategien, wie<br />

die Verwendung von Ironie, herausgebildet, die nicht diesem Prinzip folgen?<br />

Wilson erwähnt zwei weitere Fälle, die der Maxime der Qualität zu widersprechen scheinen:<br />

Zum einen den sogenannten loose talk, also die nicht wörtlich zu nehmende Rede, die in<br />

Aussagen vorkommt wie<br />

(4) Holland ist flach<br />

und zum anderen die freie indirekte Rede, die <strong>wir</strong> verwenden, wenn <strong>wir</strong> das von einer<br />

anderen Person Gesagte so wiedergeben als handelte es sich da<strong>bei</strong> um unsere eigene<br />

Äußerung:<br />

(5) Gestern habe ich Eros getroffen. Er ar<strong>bei</strong>tet an einem unglaublich wichtigen<br />

Forschungsprojekt.<br />

Diese Phänomene des Sprachverhaltens werden nicht zu den Stilmitteln gerechnet, stellen<br />

uns aber vor ähnliche Probleme wie der Gebrauch von Metaphern oder Ironie, da die Maxime<br />

der Qualität streng genommen verletzt <strong>wir</strong>d.

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